»Wollen Sie mich beleidigen, indem Sie behaupten, ich hätte Drais Geistesblitz dazu gebraucht? Mir ist es selbst eingefallen. Da ich aber über ein Gewissen verfüge, wollte ich es erst gar nicht versuchen. Außerdem beherrsche ich wie gesagt die Sprache nicht so gut. Zufällig gab mir der Eingeborene, mit dem ich redete, einen Behälter mit dem Zeug, ohne daß ich ein Wort sagen mußte. Scheint mir ein netter Kerl zu sein. Vor allem weiß er, welchen Wert das Tafak bei uns hat. Leider vergaß ich Drai davon Mitteilung zu machen.«
Lee sah richtig verstört aus, als ihm dämmerte, daß an Kens Geschichte etwas dran sein konnte. Feth hingegen war aufgeblüht. Es war ihm nur noch leiser Zweifel anzusehen, ob Ken nicht doch bluffte. Aber andererseits hatte es wenig Sinn, den Rückflug nach Sarr anzutreten, wenn man nicht einen gewissen Vorrat von dem Rauschgift hatte. Und er hatte nichts davon verlauten lassen, daß er Lee zwingen würde, sie zu Drais Safe zu führen und ihnen beim Knacken zu helfen.
Genau diese Einwände mußten auch dem Piloten durch den Kopf gegangen sein. Er sah mit wachsendem Entsetzen zu dem kleiner werdenden Schwefelklumpen hin. Einen letzten Einwand äußerte er noch, obwohl ihm dessen Schwäche klar war, noch ehe er ihn aussprach.
»Sie würden nicht wagen, das Zeug freizusetzen. Feth hat keinen Anzug und Sie selbst keinen Helm.«
»Na und? Was sollte uns das schon ausmachen?«
Lee unternahm einen plötzlichen verzweifelten Ausbruchsversuch zur Tür hin. Er machte einen Satz direkt auf Feth zu. Es folgte ein Alptraum wirbelnder Beine und Tentakel. Ken stand daneben. Sein Eingreifen war nicht nötig. Und dann bewegte sich der Pilot fast rollend an sein Instrumentenbrett. Seine Tentakel zuckten wie verrückt. Als er wieder auf den Beinen war, schien ihm die Lust an weiteren Kämpfen vergangen.
»Wenn ich bloß…«
»Ja, ganz recht. Wäre schön, wenn Drai nicht nur sich selbst eine Waffe zugebilligt hätte. Aber er tat es nicht. Und Ihnen bleibt nicht mehr viel Zeit. Also, was ist?« Feth verlieh seinen Worten Nachdruck, indem er den Thermostaten höher einstellte.
Der Pilot gab nach. Falls er noch an Kens Wahrhaftigkeit zweifelte, so wagte er doch nicht mehr, auf diesen leisen Zweifel zu setzen. Er hatte außer Feth noch andere Süchtige gesehen. Es waren ihm grauenvolle Einzelheiten im Gedächtnis geblieben.
»Also gut. Aber verschwindet endlich mit dem Zeug!« keuchte er. »Ich mache, was Sie wollen!«
Wortlos faßte Ken beide Enden der Schlinge und trug das nun viel leichter gewordene Bündel wieder in die Luftschleuse. Gleich darauf war er wieder zur Stelle.
»Geschafft!« sagte er. »Ich befürchtete schon, es würde durchschmelzen, bevor ich Sie mürbe machen konnte. Lee, Sie haben sich länger gehalten, als ich dachte. Na, jetzt ist die Luft rein. Ich möchte noch erwähnen, daß dieser spezielle Block zuoberst in meiner kleinen Kühlanlage liegt und jederzeit einsatzbereit ist. Und jetzt wollen wir ein wenig vorabplanen. Ich würde unseren Freund Drai zu gern festnehmen, weiß aber nicht recht, wie wir die Sache angehen sollen. Hat jemand Vorschläge?«
»Festnehmen?« Auf Feths Gesicht zeigte sich die Andeutung eines Lächelns.
»Ja. Wie das Schicksal so spielt… ich bin ein Ermittler im Auftrag der Rauschgiftabteilung… nicht daß ich mich auf die Stelle gedrängt hätte oder besonders gute Arbeit geleistet hätte. Feth, vielleicht sollte ich Sie auch vereidigen… vermutlich wäre ich dazu legal sogar berechtigt.«
»Nicht nötig. Ich habe vor mehr als achtzehn Jahren meinen Eid abgelegt. Offenbar hat man vergessen, Ihnen zu verraten, daß man schon einmal den Trick versuchte, einen harmlosen Naturwissenschaftler zum Polizisten umzufunktionieren… ohne sichtbaren Erfolg.«
»Davon hat mir niemand etwas gesagt. Wenn wir zurück sind, werde ich ein Wörtchen mit Rade wechseln müssen. Wenn der wüßte…«
»Tragen Sie es ihm nicht nach. Unter den gegebenen Umständen bin ich froh, daß er noch einen Versuch machte. So übel waren Sie gar nicht.«
»Mag sein, aber wir sind noch nicht am Ende. Jetzt begreife ich manches, was mir an Ihnen ein Rätsel war. Von jetzt an ist es ebenso Ihre Nummer wie meine. Also, wie können wir Drai unschädlich machen? Die anderen machen mir keine Sorgen.«
»Warum lassen wir ihn nicht dort, wo er ist? Ein anderes Schiff gibt es nicht. Solange wir dieses hier in der Gewalt haben, kann er uns nicht entwischen, falls er nicht auf einem Torpedo Reißaus nimmt. Und das wird er nicht tun, da er hier nirgends im System länger überleben könnte. Ich würde jetzt sofort starten. Soll er sich den Kopf darüber zerbrechen, was passiert ist, bis wir mit offizieller Unterstützung wieder zur Stelle sind.«
»Einverstanden… bis auf eines. Ich muß noch eine Kleinigkeit auf Planet Drei erledigen. Während ich weg bin, behalten Sie unseren Freund und Piloten im Auge.« Ehe Feth weitere Fragen stellen konnte, war Ken in Richtung Luftschleuse verschwunden.
Er sollte sehr lange ausbleiben. So lange, daß das Schiff sich auf die Suche nach ihm machte. Ken befand sich in dem der Bodenstation benachbarten Tal und sah sich einem Problem gegenüber, das er allein nicht bewältigen konnte. Sallman Ken wollte seine Schulden begleichen.
Die Wings hatten natürlich gar nicht das Gefühl, daß der fremdartige ›Feuermann‹ ihnen etwas schuldig war. Ganz im Gegenteil. Und die Schuld am Feuer gaben sie ihm auch nicht. Er hatte ja bei ihnen gestanden und mit ihnen gesprochen, als das Schiff den Brand verursachte. Bis zum Abend war der Brand dank der Mithilfe der Mannschaft aus Clark Fork ohnehin gelöscht. Die einzige Sorge der Familie galt der Frage, ob der Außerirdische wiederkommen würde oder nicht.
Erst am Abend fiel jemandem ein, daß an diesem Tag eine Ladung Metall fällig gewesen war. Don und Roger gingen am Morgen hinaus zum Sender und fanden dort ein Torpedo. Die Frachtluke war zu, und auf ihre Rufe bekamen sie keine Antwort. Das war das Torpedo, das Drai hinuntergeschickt hatte und im Wirbel der Ereignisse vergessen hatte. Es war per Funk und nicht mittels achronischer Senderaussteuerung gelenkt worden, da die Karella zu der Zeit so nahe gewesen war. Und hinterher war es nicht mehr möglich gewesen, es aus so großer Entfernung zurückzuholen, selbst wenn sich der Rauschgifthändler an das Torpedo erinnert hätte. Ken, der sich mit seiner ›Zahlung‹ sicher an Bord der Karella befand, dachte keinen Augenblick daran. Er befaßte sich nun einzig und allein mit der Notwendigkeit, sich einen Überblick über das Sonnensystem zu verschaffen, ehe sie es verließen. Einen ganzen Erdentag hatte man damit vertan, die kalte Familie von Sol gründlich zu begutachten, ehe Ken sich zum Heimflug überreden ließ. Feth hatte es mit dem Überreden auch nicht so eilig, da seine eigene wissenschaftliche Neugierde betroffen war. Schließlich aber startete man zum letzten Besuch auf Planet Drei. Der Sender wurde eben ins Sonnenlicht getaucht. Diesmal hatte Lee nichts mehr dagegen, den Punkt anzusteuern. Zweitausend Meter über den Gipfeln leitete Ken ihn an, so daß er direkt einen Punkt über dem Haus der Wings anpeilte.
Die Eingeborenen hatten ihre Annäherung beobachtet. Alle sieben standen sie draußen vor dem Haus. Ken ahnte, was für Gefühle sie bewegten. Er dirigierte Lee in eine Position, die die Luftschleuse direkt über der Lichtung vor dem Haus brachte. Der untere Teil des Schiffsrumpfes befand sich zehn Meter über den Baumwipfeln.
Ken kletterte in seinen Panzer, betrat die Luftschleuse mit seiner ›Bezahlung‹ und öffnete die Außentür, ohne zuerst die Luft zurückzupumpen. Einen kurzen Moment lang war er in eine blaue Feuerschicht gehüllt, die aus der Tür schlug. Die Eingeborenen schrien auf vor Entsetzen. Zum Glück züngelten die Schwefelflammen nach oben und waren sofort wieder erloschen.