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»ja«, sagte Poirot, »oft schlummert alles Mögliche viele Jahre lang, und plötzlich taucht es aus der Vergangenheit auf und existiert einfach. Wie mal jemand zu mir sagte: Alte Sünden werfen lange Schatten.«

»Nicht, daß es wahrscheinlich ist«, sagte Mrs. Oliver, »daß die gute Mrs. Matcham sich richtig erinnert, aber es könnte zu dem passen, was dieses schreckliche Weib auf dem Literatenessen zu mir sagte . . .«

». . . als sie wissen wollte ... «

»Ja. Als sie mich bat, mein Patenkind zu fragen, ob ihre Mutter ihren Vater oder ihr Vater ihre Mutter tötete.«

»Und sie dachte, das Mädchen müßte etwas wissen?« Poirot runzelte die Stirn.

»Nun, das ist doch sehr wahrscheinlich. Nicht zum Zeitpunkt der Tat - man könnte es ihr verschwiegen haben -, aber sie könnte später Dinge erfahren haben, die ihr verrieten, wie das Leben ihrer Eltern war und wer wen tötete, wenn sie's auch wahrscheinlich niemals erwähnen oder überhaupt darüber sprechen würde.«

»Und Sie meinen, daß diese Mrs.... «

»Ja. - Ich hab' ihren Namen vergessen. Mrs. Burton-Soundso. Sie erzählte mir, daß ihr Sohn eine Freundin hätte und sie heiraten wollten. Ich kann schon verstehen, daß man da wissen möchte, ob der Vater oder die Mutter Kriminelle oder Geisteskranke in der Familie hatte. Wahrscheinlich dachte sie, daß, wenn die Mutter den Vater getötet hatte, es sehr unklug von dem jungen wäre, die Tochter zu heiraten. Wenn dagegen der Vater die Mutter umbrachte, hätte ihr das wohl nicht soviel ausgemacht.«

»Sie meinen, sie glaubte, es würde sich nur in der weiblichen Linie vererben?« »Nun, sie ist nicht gerade der Typ einer besonders klugen Frau. Tyrannisch«, fügte Mrs. Oliver hinzu. »Sie glaubt, eine Menge zu wissen, aber das stimmt nicht. Eine Frau könnte jedoch so denken.«

»Ein interessanter Gesichtspunkt, und sehr gut möglich«, antwortete Poirot. Er seufzte. »Wir haben noch viel zu tun.«

»Ich hab' noch eine andere Ansicht zu dem Fall. Aus zweiter Hand. Sie wissen schon. Jemand sagt )Die Ravenscrofts? War das nicht das Ehepaar, das ein Kind adoptierte? Und dann, als die Sache perfekt war, wollte die richtige Mutter es zurück haben und es kam zu einer Gerichtsverhandlung. Das Gericht sprach ihnen das Sorgerecht für das Kind zu, und die Mutter versuchte, es zu entführen.<«.

»Da gibt es plausiblere Anhaltspunkte«, sagte Poirot, »die sich aus Ihrem Bericht ergeben. Und die mir lieber sind.« »Zum Beispiel?«

»Perücken. Vier Perücken!«

»ja«, sagte Mrs. Oliver, »ich dachte mir schon, daß Sie das interessiert, wenn ich auch nicht weiß, warum. Es scheint keine besondere Bedeutung zu haben. Bei der anderen Geschichte ging es nur um einen Fall von Geisteskrankheit. Es gibt Leute, die in ein Sanatorium oder eine Klapsmühle kommen, weil sie ihre eigenen Kinder oder ein fremdes umgebracht haben, einfach aus Verrücktheit, ohne jeden Grund. Ich kann nicht einsehen, warum das General und Lady Ravenscroft veranlaßt haben sollte, sich umzubringen.«

»Wenn nicht einer von beiden darin verwickelt war«, überlegte Poirot.

»Sie meinen, General Ravenscroft könnte jemanden umgebracht haben - vielleicht ein uneheliches Kind seiner Frau oder von ihm selbst? Oder umgekehrt? Nein, ich finde, wir werden hier ein bißchen zu melodramatisch.«

»Trotzdem«, sagte Poirot. »Die Leute sind für gewöhnlich auch das, was sie zu sein scheinen.«

»Sie meinen ... ?«

»Sie liebten sich doch! Ein Paar, das ohne Streit glücklich zusammen lebte. Es scheint keinen Krankheitsfall gegeben zu haben - außer der angeblichen Operation -, nichts, was auf Krebs oder Leukämie hinweist, keine Sorgen, denen sie vielleicht nicht gewachsen waren. Und doch, irgendwie stoßen wir immer nur auf Dinge, die möglich, nicht aber wahrscheinlich scheinen. Meine Freunde bei der Polizei, die damals die Untersuchungen durchführten, erklären, daß alle Aussagen mit den Tatsachen übereinstimmten. Aus irgendeinem Grund wollten die beiden nicht mehr weiterleben. Warum?«

»Ich kannte mal ein Ehepaar«, sagte Mrs. Oliver, »das beischlossen hatte, sich umzubringen, wenn die Deutschen in England landen würden. Im Zweiten Weltkrieg. Ich fand das sehr dumm. Sie meinten, sie könnten dann unmöglich weiterleben. Ich überlege ... «

»Was überlegen Sie?«

»... ob General und Lady Ravenscrofts Tod etwa irgend jemandem genutzt hat.«

»Weil jemand Geld von ihnen erbte?«

»Nun, vielleicht nicht ganz so kraß. Aber jemand hätte dadurch bessere Chancen im Leben haben können. Vielleicht gab es einen Punkt in ihrem Leben, den ihre Kinder nicht erfahren sollten.«

Poirot seufzte. »Das Schwierige ist«, erklärte er, »Ihnen fällt soviel ein, was sich ereignet haben könnte, was so gewesen sein könnte. Sie bringen mich auf Ideen, auf mögliche Ideen. Wenn sie doch auch wahrscheinlich wären! - Warum? Warum mußten die beiden sterben? Sie hatten keine Schmerzen, sie waren nicht krank, sie waren offenbar nicht unglücklich. Warum machten sie dann eines Abends einen Spaziergang in die Klippen, mit dem Hund ... «

»Was hat denn der Hund damit zu tun?«

»Nun, ich überlege nur. Nahmen sie den Hund mit oder lief er ihnen nach? Wie kommt der Hund ins Spiel?« »Ich glaube, es ist wie mit den Perücken. Einfach noch ein Punkt, den man nicht erklären kann und der keinen Sinn zu haben scheint. Einer meiner Elefanten berichtete, daß der Hund besonders an Lady Ravenscroft hing, aber ein anderer erzählte, daß er sie gebissen hätte.«

»Es läuft immer wieder auf dasselbe hinaus.« Poirot seufzte erneut. »Man möchte mehr wissen. Man möchte mehr über seine Mitmenschen wissen, aber wie kann man das, wenn so viele Jahre dazwischenliegen?«

»Nun, ein- oder zweimal haben Sie's doch geschafft, nicht wahr?« meinte Mrs. Oliver. »Erinnern Sie sich - eine Geschichte mit einem Maler, der erschossen oder vergiftet wurde. Irgendwo am Meer in einer Art Burg oder so was. Sie fanden heraus, wer es getan hatte, obwohl Sie von den Leuten überhaupt niemanden kannten.«

»Stimmt. Ich kannte niemanden, aber ich erfuhr von den Leuten, die dort wohnten, genaue Einzelheiten über sie.«[4]

»Eben das versuche ich ja auch«, antwortete Mrs. Oliver. »Nur komm ich nicht nahe genug ran. Ich kann niemanden finden, der wirklich Bescheid weiß, der dabei war. Meinen Sie wirklich, wir sollten aufgeben?«

»Das wäre wohl das vernünftigste.« Poirot nickte. »Aber es gibt einen Moment, wo man einfach nicht mehr vernünftig sein will. Man will mehr herausfinden. Jetzt interessiert mich dieses Paar, mit den beiden netten, Kindern. Ich nehme doch an, daß es nette Kinder sind?« »Den Jungen kenne ich nicht«, erwiderte Mrs. Oliver. »Ich habe ihn nie gesehen. Möchten Sie meine Patentochter kennenlernen? Ich könnte sie bitten, Sie zu besuchen, wenn Sie wollen.« »Ja, das wäre nett. Vielleicht möchte sie nicht gern hierherkommen, wir könnten uns auch woanders treffen. Und noch jemanden würde ich gern sehen.«

»Wen denn?«

»Die Frau von der Party. Das tyrannische Weib. Ihre tyrannische Freundin.«

»Sie ist nicht meine Freundin«, protestierte Mrs. Oliver. »Sie kam einfach und sprach mich an, das ist alles.«

»Könnten Sie die Bekanntschaft mit ihr wieder aufnehmen?« »Aber ja, ganz leicht. Sicher ist sie geradezu erpicht darauf.« »Ich möchte zu gern herausbringen, warum sie es so genau wissen will.«

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4

Das unvollendete Bildnis