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»Mein Gott, was ist das?«, flüsterte Pia.

»Schattenelben«, murmelte Istvan. »Kronn steh uns bei!«

Pia hatte zwar nach all der Zeit, die sie hier verbracht hatte, nicht wirklich begriffen, wer dieser Kronn war … aber sie stimmte Istvan aus tiefstem Herzen zu.

Die drei Reiter sprengten in unverändertem Tempo heran, und gerade als Pia sich ernsthaft zu fragen begann, wie es sich wohl anfühlen mochte, von drei ausgewachsenen Schlachtrössern zu Tode getrampelt zu werden, rissen sie ihre Tiere zurück und brachten sie in einer nahezu unmöglichen (und noch viel unmöglicher: lautlosen) Bewegung zum Stehen. Die Schatten umflatterten sie wie ein Schwarm körperloser schwarzer Krähen und gerannen zu Körpern, aber die Krähen waren immer noch da und schlugen lautlos mit den Flügeln.

Und das, was darunter zum Vorschein kam, war beinahe noch unheimlicher.

Die drei Reiter waren nicht so groß, wie Pia im ersten Moment angenommen hatte. Sie waren deutlich größer; Riesen, von denen keiner weniger als zwei Meter maß, und die durch ihre spitzen Helme aus ziseliertem schwarzem Metall sogar noch viel größer wirkten. Alles an ihnen war schwarz – ihre Rüstungen, die Waffen, ihre bauschigen Blusen und die lose fallenden Hosen und glänzenden Stiefel und die langen Umhänge, die sie um die Schultern trugen und die sich selbst jetzt, nachdem sie angehalten hatten, noch wie von einem unsichtbaren Wind gebauscht bewegten.

Das Einzige, was nicht schwarz an ihnen war, waren ihre Gesichter. Sie waren ganz im Gegenteil fast schon unnatürlich hell, nahezu weiß, und sie ähnelten sich nicht nur, als wären diese drei Männer Brüder, sondern kamen Pia auch sonderbar bekannt vor; vielleicht nicht diese drei, aber Gesichter wie ihre hatte sie schon gesehen, eingemeißelt in den schwarzen Stein über dem Tor zum Turms des Hochkönigs, für alle Zeiten verewigt in zahllosen Reliefs und Bildern, und auch mindestens einmal in Fleisch und Blut. Schmale, edel geschnittene Gesichter mit aristokratischen Nasen, hoch angesetzten markanten Wangenknochen und dunklen Augen, in denen ein schwarzes Feuer brannte. Es waren Elben … aber nicht nur. Etwas war anders an ihnen, ohne dass Pia den Unterschied konkret hätte benennen können.

Wie hatte Istvan Torman und seine Begleiter genannt? Schattenelben?

Einer der drei – obwohl sie sich ähnelten wie Drillingsbrüder und weder Rangabzeichen noch irgendwelche andere Insignien trugen und auch vollkommen identisch gekleidet waren, wusste Pia einfach, dass es Torman war – sah einen Moment lang ausdruckslos auf Istvan und sie herab und stieg dann mit einer raschen, irgendwie spinnenhaft wirkenden Bewegung vom Pferd. Istvan sank auf ein Knie, wodurch er vor dem schwarzen Giganten nicht nur noch kleiner wirkte, sondern regelrecht zu verschwinden schien, und verbeugte sich so tief, dass seine Stirn den Boden berührte.

»Schwert Torman!«, sagte er in demütigem Ton. »Willkommen in WeißWald! Es ist mir eine Ehre …«

»Ist sie das?«, unterbrach ihn Torman und deutete mit einer Kopfbewegung auf Pia herab. Obwohl sie stand und Istvan normalerweise um mehr als eine Haupteslänge überragte, kam sie sich vor dem schwarz gekleideten Riesen selbst wie eine Zwergin vor. Wäre sie eine solche gewesen, hätte sein Anblick sie vielleicht sogar eingeschüchtert. So machte er sie nur wütend.

»Wenn Ihr etwas über mich wissen wollt, Torman, warum fragt Ihr mich dann nicht selbst? Ich kann durchaus reden.«

Istvan sog so entsetzt die Luft ein, dass es fast wie ein Schrei klang, aber der Schattenelb wurde weder zornig, noch reagierte er in irgendeiner anderen Weise. Er blickte sie nur einen weiteren Atemzug lang aus seinen von kaltem schwarzem Feuer erfüllten Augen an und wandte sich dann wieder an Istvan.

»Steht auf, Kommandant«, sagte er. »Was tut Ihr hier? Ich hatte Euch in Eurer Kommandantur erwartet.«

Istvan stand nicht auf, hob aber wenigstens den Kopf und sah in Tormans Gesicht hinauf. »Bitte verzeiht, edles Schwert!«, sagte er. »Ich hatte Euch noch nicht erwartet! Man sagte mir, Euer Heer wäre noch zwei Stunden entfernt, und …«

»Ich bin vorausgeritten«, unterbrach ihn Torman. »Etwas ist in Eurer Stadt geschehen, Istvan. Ich habe das Wirken starker Magie gespürt. Etwas geht hier vor, das mich beunruhigt.«

Istvan antwortete nicht direkt, aber er hatte sich nicht gut genug in der Gewalt, um einen raschen, sehr erschrockenen Blick in Pias Richtung zu unterdrücken. Torman hätte schon blind sein müssen, um es nicht zu sehen.

Prompt verlagerte sich seine Aufmerksamkeit auf sie. »Ihr seid Gaylen?«, fragte er. Schon wieder eine?, fügte sein Blick hinzu.

»Der eine oder andere hier nennt mich so«, antwortete sie spröde.

Torman wandte sich wieder an den Stadtkommandanten. »Was tut sie hier? Ich hatte befohlen, dass sie mir in Eurer Kommandantur überstellt wird.«

Istvan wollte antworten, aber Pia kam ihm zuvor. »Falls Ihr mich gerade nicht richtig verstanden habt, Torman: Ich kann durchaus für mich selbst reden. Ich habe einen Freund besucht, um mich von ihm zu verabschieden. Und Ihr«, fügte sie an Istvan gewandt und in deutlich schärferem Ton fort, »steht endlich auf, bevor am Ende noch jemand auf Euch drauftritt!«

Sie wartete, bis Istvan aufgestanden war, und fuhr dann zu dem schwarz gekleideten Riesen herum. »Und Ihr, Torman …«

»Mein Rang ist der eines Schwertes«, fiel ihr Torman ins Wort, »und Ihr werdet mich damit anreden. Ihr habt einen Freund besucht? Hier in der Stadt?« Er sah an ihr vorbei, nicht nur in die ungefähre Richtung, aus der Istvan und sie gekommen waren, sondern direkt auf Vargas Haus, und für einen Moment wurden seine Augen schmal. »Warum?«

»Um mich von ihm zu verabschieden«, antwortete sie. »Und ich wüsste auch nicht, was Euch das angeht, Schwert!« Was war das überhaupt für eine seltsame Bezeichnung? Wenn die militärischen Ränge hier nach Waffen benannt wurden, was war dann Istvan? Zahnstocher?

Torman ging nicht darauf ein und lächelte auch nicht. »Etwas ist hier geschehen«, sagte er, wieder am Istvan gewandt, und viel mehr eigentlich an sich selbst. »Jemand hat einen Zauber gewoben. Ihr wisst nichts darüber?«

»WeißWald ist frei von Zauberei, Herr!«, beteuerte Istvan. »Wenn es hier Zauberei oder gar eine Hexe gäbe, dann hätten wir sie längst …«

»Und ich spüre noch mehr«, fuhr Torman ungerührt fort. »Ich weiß nicht, was es ist und was es bedeutet, aber es beunruhigt mich. Etwas geschieht und es ist nicht gut.«

»Ich werde sofort Patrouillen losschicken und die Wachen auf den Mauern verdoppeln!«, sagte Istvan eilfertig.

Torman hörte nicht einmal hin. Er wandte sich wieder an Pia. »Könnt Ihr reiten, Gaylen?«

»Nein«, antwortete Pia. »Aber ich lerne schnell.«

»Das solltet Ihr auch«, sagte Torman. »Vor dem Stadttor steht ein Pferd für Euch bereit, und sobald wir zu meinen Männern gestoßen sind, wartet ein Wagen auf Euch, in dem Ihr bequemer reisen könnt. Doch bis dorthin werdet Ihr reiten müssen, fürchte ich.«

»Schwert?«, fragte Istvan verwirrt. Torman bedachte ihn dieses Mal immerhin mit einem – mitleidigen – Blick. »Aber ich dachte, dass Ihr …«, stammelte Istvan. »Ich meine, Eure Krieger müssen zu Tode erschöpft sein. Eure Tiere brauchen Futter und Wasser, und …«

»Wir brechen sofort auf«, unterbrach ihn der Schattenelb. »Ich spüre die Gefahr, die über dieser Stadt liegt. Und Ihr solltet sie auch spüren. Und wenn nicht, dann solltet Ihr wenigstens auf mich hören und Euch und Eure Männer auf Schlimmes vorbereiten. Etwas Böses nähert sich Eurer Stadt … wenn es nicht schon hier ist. Seid auf der Hut.«

»Aber …«, stammelte Istvan, doch Torman drehte sich demonstrativ zu Pia herum und machte eine auffordernde Handbewegung. »Könnt Ihr laufen oder soll ich das Pferd hierherbringen lassen?«