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Und es war längst nicht nur der Anblick dieser erdrückenden Übermacht, der aus Hernandez’ gerade noch so stolzem Heer einen Haufen kopfloser, schreiender Männer machte. Viel schlimmer war die Furcht, die dem Heer wie eine unsichtbare Flutwelle vorauseilte, die Gedanken von Mensch und Tier lähmte und ihre Herzen mit Furcht erfüllte, gegen die selbst der stärkste Wille machtlos war.

Auch Pia krümmte sich und begann vor Panik zu wimmern. Ihr Pferd tänzelte und versuchte auszubrechen, und selbst Hernandez gelang es nur noch mit großer Mühe, seine Reitechse unter Kontrolle zu halten.

»Glaubt nicht daran!«, schrie er. »Das ist nur ein Trugbild!«

Vielleicht hatte er damit sogar recht, dachte Pia mit dem winzigen Rest von klarem Verstand, der ihr noch geblieben war. Eigentlich war es vollkommen unmöglich, dass dieses gewaltige Heer buchstäblich aus dem Nichts aufgetaucht sein sollte. Es konnte gar nicht real sein.

Aber das war lediglich, was ihr Verstand ihr sagte. Ihre Augen und die kreischende Angst in ihrem Inneren behaupteten etwas anderes, und es war ganz egal, welche Argumente ihre Vernunft dagegen aufzubieten versuchte. Rings um sie herum explodierte die Panik zu reinem Chaos. Sie hörte Schreie, das Kreischen von Mensch und Tier und ein immer lauter werdendes Tosen und Bersten, den schrecklichen Laut brechender Knochen und Rüstungen, Helme und Schädel, die unter gepanzerten Pfoten zermalmt wurden. Hernandez musste in diesen wenigen Augenblicken mehr Männer verlieren als während des gesamten Kampfes um die Stadt, und möglicherweise war das Schlimmste noch nicht einmal vorbei: Plötzlich gellten auch hinter ihnen Schreie auf, und als Pia im Sattel herumfuhr, sah sie ein Bild, das direkt aus dem tiefsten Schlund der Hölle zu stammen schien.

Das Feuer hatte weiter um sich gegriffen. Die Straße hinter ihnen schien nicht einfach nur zu brennen, sondern war zu einem lodernden Tunnel geworden, dessen Wände aus purem Feuer bestanden, ein Schacht aus lodernder weißer Glut, der direkt ins Herz einer explodierenden Sonne führte.

Und an seinem Ende erschien ein Dämon.

Er war riesig, trug eine Rüstung in der Farbe der Nacht und sprengte auf einem gigantischen schwarzen Pferd heran. Sein Mantel wehte wie ein Paar riesiger schwarzer Flügel hinter ihm her, und wo die Hufe seines Schlachtrosses den Boden berührten, da stoben Funken auf.

»Das ist auch nur ein Trugbild!«, schrie Hernandez. »Lasst euch nicht narren!«

Der schwarze Dämon raste weiter heran, hielt plötzlich einen fast mannslangen Bogen in der Hand und schoss einen Pfeil ab, und auch wenn er tatsächlich nur eine Illusion sein sollte: Der Pfeil war es nicht. Er durchschlug die Brust eines berittenen Orks, suchte sich seinen Weg durch den Schädel eines zweiten, noch bevor der Schuppenträger aus dem Sattel sank, und durchbohrte noch zwei weitere Männer, bevor er tatsächlich herumschwenkte und genau auf Hernandez zielte!

Hernandez reagierte mit unglaublicher Schnelligkeit, indem er sich mit einer eigentlich ganz und gar unmöglichen Bewegung herum- und zur Seite warf. Statt ihn zu durchbohren, schrammte der Pfeil nur Funken sprühend an seinem Brustpanzer entlang, wurde noch einmal abgelenkt und zielte nun direkt auf sie.

Pia fand nicht einmal Zeit zum Erschrecken, aber sie tat ganz instinktiv das Einzige, was ihr einfiel (auch wenn es vollkommen sinnlos war): Sie floh in die Schatten.

Der Pfeil tat dasselbe.

Den Bruchteil einer Sekunde, bevor sich die dreieckige schwarze Spitze in Pias Brust bohren konnte, verwandelte sich der Pfeil in einen rauchigen Schemen, der einfach durch sie hindurchglitt. Alles, was sie empfand, war eine flüchtige Berührung tief in ihrem Inneren, wie ein eisiger Hauch, der ihre Seele streifte. Hinter ihr schien der Pfeil jedoch wieder Gestalt anzunehmen, denn sie konnte hören, wie er klappernd an der Wand zerbrach.

»Der Kerl ist echt!«, brüllte Hernandez, noch während er mit aller Macht darum kämpfte, nicht von seinem bockenden Reittier abgeworfen zu werden. »Packt ihn!«

Noch mehr und noch lautere Schreie gellten über den Platz, und Pia sah in in einer blitzartigen Vision, wie die Front der neu aufgetauchten Krieger in Hernandez’ Heer krachte – und einfach hindurch. Hernandez hatte recht gehabt. Es waren keine Soldaten. Es waren Trugbilder, nicht mehr als Gespenster, die die Körper der Fliehenden nicht einmal berührten, sondern einfach durchdrangen und sich dann auflösten wie Gebilde aus vergänglichem Nebel.

Dann explodierte die Wand hinter ihr.

Diesmal war es ganz gewiss keine Illusion. Trümmer und Steinbrocken flogen in alle Richtungen davon, schleuderten Krieger zu Boden und fällten sogar einen der gewaltigen Orks, und inmitten dieses Chaos erschien ein weiterer schwarzer Riese, der auf einem elefantengroßen Schlachtross saß.

Mit einem einzigen Satz war der Schattenelb neben ihr, fällte mit seiner schwarzen Klinge einen Ork, der dumm genug war, sich ihm in den Weg stellen zu wollen, und griff mit dem anderen Arm nach Pia. Sie schrie vor Schmerz, als die dünnen Lederriemen zerrissen, mit denen ihre Hand-und Fußgelenke gefesselt waren, und dabei tiefe blutige Schnitte in ihrer Haut hinterließen. Der Schattenelb warf sie einfach quer vor sich über den Sattel, ließ sein Schwert in Hernandez’ Richtung züngeln (es verfehlte ihn) und sein Pferd auf die Hinterläufe steigen. Die Hufe des Elbenpferdes zertrümmerten Rüstungen und Schädel, während es herumwirbelte, dann machte es einen zweiten Satz, und plötzlich fanden sie sich im Inneren desselben Hauses wieder, aus dessen Wand es gerade herausgebrochen war. Schreie und Dunkelheit und der Geruch nach Staub und dem scharfen Schweiß des Pferdes hüllten sie ein. Was von der Einrichtung des Hauses möglicherweise noch übrig gewesen sein mochte, das wurde unter den wirbelnden Pferdehufen endgültig zermalmt. Torman legte sich weit nach vorne, aber sein Helm und der schwarze Rückenpanzer schrammten trotzdem an der niedrigen Decke entlang und rissen Putz und mit Lehm verklebtes Stroh heraus. Sie bemerkte kaum, wie Torman das Schwert hob und die nächste Wand mit einem gewaltigen Hieb zertrümmerte. Für einen Moment hüllte sie Sonnenlicht ein, und sie konnte spüren, wie ihr Mantel aus schützenden Schatten zerstob, dann krachte es erneut und noch lauter, und das Elbenpferd walzte wie ein außer Kontrolle geratener Panzer durch ein weiteres Gebäude. Schreie hallten von überall wider, und mindestens einmal tauchte etwas Großes und Grünes vor ihnen auf und zerstob in einer Wolke aus Blut, als Torman seine Schattenklinge schwang.

Pia versuchte etwas zu sagen, brachte aber nur ein qualvolles Husten zustande und hätte sich beinahe übergeben, als bitter schmeckender Speichel und Staub in ihre Kehle drangen.

»Bleibt unten, Erhabene!«, keuchte Torman. »Ich halte Euch fest!«

Pia hatte nicht vorgehabt, etwas so Dummes zu tun, wie etwa ihren Halt loszulassen, und sie hätte es noch sehr viel weniger getan, als sie erneut ins helle Sonnenlicht hinaussprengten und plötzlich ein ganzer Hagel kurzer Pfeile auf sie niederging. Die meisten prallen einfach von Tormans schwarzen Rüstung ab, ohne sie auch nur anzukratzen, einen schlug er mit dem Schwert aus der Luft und einen anderen (von dem Pia das unangenehme Gefühl hatte, dass er sie getroffen hätte) mit der bloßen Hand. Dann waren plötzlich Männer rings um sie herum, Tormans Schwert sang, und zerbrochene Bögen und abgehackte Körperteile und Köpfe wirbelten durch die Luft. Etwas Klebriges und ekelhaft Warmes klatschte in ihr Gesicht, und jetzt brauchte Pia all ihre Willenskraft, um sich nicht zu übergeben, als sie den widerlichen Geschmack von Blut auf den Lippen spürte, das nicht ihr eigenes war.