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Artaxas und die beiden Kentauren verschwanden im Dunkel des Nachthimmels. Auf der Wiese aber breitete sich eine bedrückte Stimmung aus. Melvyn schritt durch die Menge. Er lauschte auf die flüsternden Stimmen. Selbst etliche Uttiker waren von Nestheus beeindruckt, obwohl er sich gegen ihren Fürsten gestellt hatte.

Der Wolfself fand einen halb leeren Lederschlauch auf dem Boden liegend. Er prostete zum Himmel. »Ich wünsche euch Glück, meine Freunde.« Dann begann er zu trinken. Er würde sehr viel trinken in dieser Nacht!

Gebratenes in Honigkruste

»Der Schneelöwe hatte dort im Kiefernbruch seinen Fressplatz. Manchmal schleppen Löwen ihre Beute über weite Strecken an einen sicheren Ort.« Eirik, der Anführer der Jäger des Königs, deutete zu der Barriere aus Felstrümmern und zersplitterten Stämmen. »Wir haben dort ein Nest voller Knochen gefunden. Er hätte nicht jagen müssen. Es liegt auch ein Rehkitz dort. Es ist noch keinen Tag tot.«

Ulric roch das Aas. Er mochte Eirik nicht. Seit ihrer Kindheit waren sie beide verfeindet, auch wenn der Jäger nicht mehr den Fehler machte, seine Fehde offen auszutragen. Ulric wusste, dass Eirik schlecht über ihn redete. Wann immer sie sich begegneten, spürte er Misstrauen und Wut. Und Angst, auch wenn Eirik das niemals zugeben würde. Der Jäger glaubte die Geschichten wirklich, die sich die tratschenden Weiber abends am Feuer oder an den Waschplätzen am Fjord erzählten. Er hielt ihn und Halgard für Wiedergänger. Für Tote, die durch die Zaubermacht der Elfenkönigin noch einmal in die Welt der Lebenden zurückgekehrt waren.

Der Jäger deutete auf die Blutspritzer am Boden. Zwischen den Steinen funkelte das Stichblatt einer Saufeder. Ein Stück weiter lag der zersplitterte Schaft der Waffe. »Björn hat versucht, sie zu retten. Er hat den Löwen abgelenkt. Siehst du den blutigen Tatzenabdruck hier? Er muss Björn übel zugerichtet haben.«

Ulric sah vor allem das Blut rings herum auf den Felsen und die eingetrocknete Lache, dort wo Lambis Sohn gelegen hatte.

»Und dann?« Ulric war kein schlechter Fährtenleser, aber Eirik war ein Meister. Ihm entging nicht die kleinste Einzelheit. Auch wenn er den Mann nicht mochte, wäre es töricht, sich seine Meinung nicht anzuhören.

Der Jäger deutete zu einem Brombeerdickicht. »Dort oben hat ein Troll gelauert und den Kampf beobachtet. Und als sie alle verwundet waren, hat er sein Versteck verlassen und leichte Beute gemacht. Hier auf dem steinigen Grund kann man die Spuren nur schlecht verfolgen. Aber er ist mindestens zweimal hierher gekommen.«

»Und du meinst, er hat sie ...« Ulric mochte nicht aussprechen, was er dachte. Es war ein dummer Aberglaube, aber etwas in Worte zu kleiden, hieß, ihm mehr Gewissheit zu geben. Er hatte das rothaarige Mädchen gemocht. Sie hatten auf dem Marsch in die Berge zweimal miteinander geplaudert. Sie war seltsam. Wild und ungestüm wie ein Keiler und dann manchmal überraschend verletzlich. Sogar sein alter Jagdhund Blut hatte Kadlin gemocht. Sein Vater aber litt an dem jungen Mädchen. Ulric hatte gesehen, wie der König Kadlin manchmal verstohlen beobachtete! Dass sie auch noch Kadlin heißen musste! Luth trieb wirklich ein grausames Spiel mit ihnen! Kadlin, so hatte seine kleine Schwester geheißen, die vor fast sechzehn Jahren während des Elfenwinters umgekommen war. Er konnte sich nur noch undeutlich an sie erinnern. Sein Bild von ihr war vor allem durch die Erzählungen seines Vaters geprägt.

Der Königssohn begleitete Eirik hinauf zu den Brombeerbüschen. Der Troll hatte deutliche Spuren hinterlassen. Etwas war verwunderlich. »Was glaubst du, was diese zerbrochenen Äste zu bedeuten haben?«

Der Jäger zuckte mit den Schultern. »Dafür gibt es keine Erklärung. Dieser Troll hier bewegt sich sehr geschickt. Eigentlich ungewöhnlich für sein Volk. Ich habe den Verdacht, dass auch er ein Jäger ist. Wahrscheinlich hat er das Versteck des Schneelöwen beobachtet und darauf gewartet, dass der Räuber aus seinem Bau kam. Dass er so reichliche Beute machen würde, hätte er sich sicher nicht träumen lassen. Aber diese Äste hier ... Er muss sie mutwillig zerbrochen haben. Vielleicht, um den Schneelöwen durch die Geräusche aufzuschrecken.«

Ulric hob einen der Äste auf. Sie waren dicker als sein Handgelenk, und das Holz war nicht morsch. Man brauchte Bärenkräfte, um einen solchen Ast zu zerbrechen.

»Und Kadlin lebte noch?«

Eirik seufzte. Er war kein Mann, der sich seine Gefühle anmerken ließ, aber auch er hatte Kadlin gemocht. Alle hatten sie gemocht! »Sie hat jedenfalls nicht geblutet. Sie hatte sich mit dem Fuß in einer Wurzel verfangen. Ich schätze, der Fuß war verstaucht. Vielleicht sogar gebrochen. Jedenfalls konnte sie sich aus eigener Kraft nicht mehr von der Stelle bewegen. Aber sie hat nicht aufgegeben. Dort vorne, bei dem Felsen, der ein wenig wie ein Amboss aussieht, findet man Blutstropfen. Ich bin sicher, dass sie den Schneelöwen mindestens einmal verwundet hat, nachdem sie gestürzt war.«

»Aber eine tödliche Wunde war das nicht?«

»Bei allem Respekt, Ulric Alfadasson. Hast du schon einmal Jagd auf einen Schneelöwen gemacht? Die Biester sind zäh wie Sattelleder. Du kannst ihnen einen Pfeil ins Herz schießen, und sie zerreißen dich trotzdem noch, bevor sie begreifen, dass sie tot sein sollten.«

Einer der Jäger winkte weiter oben am Hang. »Hier ist mehr Blut!« Der kleine Suchtrupp sammelte sich. Vier Fährtensucher gingen voraus. Die Spur führte den Felsschlag hinauf und dann dicht oberhalb des Waldes parallel zum Hang. Hin und wieder fanden sie auf weichem Grund einen Fußabdruck des Trolls.

Ulric hielt sich dicht an Eiriks Seite. Der junge Krieger war froh, dass weder Alfadas noch Kalf oder Lambi im Lager bei der Baustelle gewesen waren, als die Nachricht eingetroffen war, dass Kadlin und Björn von ihrem Jagdausflug nicht zurückgekehrt seien. Sie alle waren bei verschiedenen Jagdgruppen in den Bergen, und es war unmöglich, sie jetzt zu benachrichtigen. Im Grunde war Ulric froh darüber. Er konnte hier jetzt keine sorgengebeugten alten Krieger gebrauchen. Der Weg den steilen Hang hinauf brachte selbst viel jüngere Männer an die Grenze ihrer Kräfte.

Ulric beobachtete, wie Schweißtropfen an der Innenseite von Eiriks Oberarm hinabrannen, an seinem Ellenbogen schaukelten und dann auf den staubigen, grauen Felsboden tropften. Der Anführer der Jäger schnaufte nicht, obwohl er schweres Gepäck und Ausrüstung auf dem Buckel trug. Zäh kämpfte er sich voran. Du hast einiges mit dem Schneelöwen gemein, dachte Ulric. Du wärst wohl auch schwer umzubringen. Und stur bist du wie ein alter Steinbock. Der Jäger hatte seine Meinung über ihn und Halgard nie geändert. Ulric kannte auch die neueren Geschichten, die über sie beide im Umlauf waren. Er konnte das aushalten, aber Halgard traute sich kaum noch aus ihrer Kammer. Den ganzen Tag war sie mit der Spindel zugange oder saß an ihrem Webrahmen. Es gab nur eine Hand voll junge Frauen, die sie um sich duldete, Sklavinnen aus dem Süden. Manchmal sprach sie auch mit Gundaher, dem Baumeister. Aber sonst duldete sie niemanden in ihrer Nähe.

So sehr hatten sie beide versucht, ein Kind zu bekommen. Einen Stammhalter, der eines Tages die Königswürde erben konnte. Doch die Sippe Mandreds würde wohl mit ihm und Halgard verlöschen. Und viel Zeit blieb nicht mehr. Luth hatte ihm und Halgard nur einen kurzen Lebensfaden gesponnen. Sie beide wussten das. Vielleicht war es besser, unter diesen Umständen kein Waisenkind zurückzulassen.

Wenn er daran dachte, wie die Leute mit ihrem Tratsch die Wirklichkeit so lange verdreht hatten, dass selbst Halgard nicht mehr wusste, was sie noch glauben sollte, dann packte ihn die kalte Wut. Es sei kein Wunder, dass sie beide kein Kind bekämen, so hieß es. Wer hätte je davon gehört, dass etwas Totes etwas Lebendiges gebären könnte.