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Orgrim wurde langsam unruhig. Die Vorstellung, dass die Geisterwölfe auch zu ihm kommen könnten, machte ihm Angst. Aber wäre sein bester Schutz vor ihnen nicht, sich auf keinen Fall in den Krieg in Albenmark einzumischen? »Die schlafenden Riesen. Ist das nicht ein Märchen?«

»Viele haben die Shi-Handan ebenso für Geschöpfe aus Märchen gehalten. Ich weiß nicht, ob es die Riesen gibt und ob sie wirklich den Alben geholfen haben, die Welt zu erbauen. Aber wenn sie mehr sind als nur Geschichten, die man seinen Welpen erzählt, dann haben sie die Kraft, Gebirge einzureißen. Emerelle ist längst nicht mehr wählerisch, wen sie gegen uns ins Feld schickt.«

Orgrim blickte hinab zum Bauplatz. Wie klein und überschaubar ihm die Welt eben noch erschienen war. »Wie viele Krieger hast du noch, nach den Kämpfen am Mordstein?«

»Das Heer zählt noch mehr als vierzigtausend.«

»Wie soll man eine solche Menge von Trollen ernähren?«

Skanga lächelte verschlagen. »Ich bin kein Feldherr, aber ich bin auch nicht dumm! Natürlich sind wir vorbereitet.« Sie berichtete ihm ausführlich von ihren Plänen und den Verbündeten, auf die sie sich verlassen konnte.

Orgrim war ehrlich beeindruckt. »Welches Ziel soll dein Krieg haben, Skanga?«

»Wir werden Emerelle von ihrem Thron vertreiben. Es geht letztlich allein um sie, aber wer sich uns in den Weg stellt, der wird mit ihr untergehen. Gilmarak soll im Herzland auf dem Thron von Albenmark sitzen, und Emerelles Schreckensherrschaft soll beendet sein. Das ist das Ziel des Feldzugs.« Orgrim kratzte sich hinter dem Ohr und schüttelte den Kopf. »Der Thron von Albenmark. Ist das nicht etwas viel für einen Welpen? Du willst herrschen, nicht wahr? Wenn du Emerelle besiegst und ihr ihren Albenstein abnimmst, dann wirst du die mächtigste aller Zauberinnen sein. Und du stündest als Beraterin an der Seite eines Welpenkönigs, der alles tun wird, was du ihm sagst.«

Skangas tote Augen ruhten auf ihm. Sie sah sehr müde aus.

»Ich bin vor dir niedergekniet, Herzog, und ich habe dir gesagt, wie die Dinge stehen. Ich werde dich nicht anflehen, noch werde ich dich zwingen, mir zu helfen. Albenmark braucht dich. Du könntest Emerelle aufhalten.« Sie wandte sich ab. Ihr Knochenstab tastete über den unebenen Felsboden. Langsam stieg sie den Hang hinab.

Heldentod

Vor zwei Tagen hatten ihn die ersten beunruhigenden Nachrichten erreicht. Sein Bruder Nikodemus sah oft bei Ganda vorbei und hatte sie ihm zugetragen. Obwohl Elija sich noch immer zu der Lutin hingezogen fühlte, mied er es, sie aufzusuchen, seitdem sie den Elfen in ihrem Zelt hatte.

Er wusste, dass man über Kommandantin Schlüsselchen tuschelte. Wirres Zeug darüber, dass sie den Elfen liebe. Diese Worte waren wie Gift in seiner Seele. Aber seine Seele war stark! Das musste sie sein bei der großen Aufgabe, die ihm sein Leben gestellt hatte. Er fürchtete sich nicht davor, dass der Elf Ganda vielleicht schöne Augen machen könnte. Das würde niemals geschehen! Er kannte die Elfen! Die fuchsköpfigen Lutin waren für sie kaum mehr als Tiere. Niemals würde sich ein Elf in eine Lutin verlieben! Eher würden die Trolle dem Fleischfressen entsagen und wie Kühe friedlich auf den Wiesen weiden. Was ihn besorgte, war, was geschehen würde, wenn der Elf wieder zu Kräften käme. Wie viel hatte er wohl über das Verhältnis zwischen den Trollen und den Lutin aufgeschnappt? War er wirklich in tiefer Bewusstlosigkeit gewesen? Oder hatte er am Ende gar gelauscht, zu schwach, um ein Lebenszeichen von sich zu geben, aber durchaus stark genug, um zu begreifen, was um ihn herum geschah?

Die Herde war auf dem Weg ins Lager der Steinhufe, einem Kentaurenstamm, bei dem sie schon mehrmals Vieh gekauft hatten. Sie führten Salz und Gewürze mit sich sowie Waffen und schweres Gold vom Schlachtfeld am Mordstein. Das Vieh würde teurer sein als in den vergangenen Jahren. So war es in Kriegszeiten. Reichtümer, die sich aus eigener Kraft bewegten, wurden teurer und teurer. Aber der Preis spielte keine Rolle mehr. Bald würden die Trolle wieder marschieren. Und dann würden sie die Tyrannei der Elfen für immer brechen. Danach würde sich alles ändern. Und die Lutin waren die treuesten Verbündeten der neuen Herrscher. Nein, auf Geld musste man nun keine Rücksicht mehr nehmen.

Bald schon konnte er über das Schicksal Albenmarks mit entscheiden. Was kümmerte es ihn da, ob er für eine Herde einen Sack Pfeffer mehr gab, als sie wert war. Nur um den verfluchten Elfen musste er sich kümmern. Wäre er doch nur nicht aus seiner Ohnmacht erwacht! Jetzt musste er eine endgültige Lösung finden. Und das hieß zugleich auch, dass er es sich auf immer mit Ganda verderben würde, wenn die Kommandantin durchschaute, was er getan hatte. Nur wenn er sehr schnell handelte, bestand die Hoffnung, dass sie Ollowains Veränderung für einen tragischen Rückfall halten mochte.

Elija griff nach dem flachen Holzkästchen. Vor sieben Jahren hatte er es vom Schwarzen erworben. Der Drucker hatte zwar einen fürstlichen Preis dafür verlangt, doch hatte er zugleich auch erleichtert gewirkt, als er diesen Schatz endlich losgeworden war.

Der Lutin strich über das Kästchen aus abgestoßenem, rissigem Rosenholz. Blüten aus feurigen Granatsteinen waren in das altersdunkle Holz eingelassen. Die Hälfte der Schmucksteine fehlte. Er selbst hatte vor Jahren einige der Steine verschachert, als er nicht gewusst hatte, wovon er den nächsten Laib Brot zahlen sollte.

Elija stand schon am Eingang seines Zeltes, als er noch einmal innehielt. Der Schwarze hatte ihm versichert, dass der Schatz nicht vergiftet sei. Aber bei den Werken des Grobhäm Flog war man stets gut beraten, Vorsicht walten zu lassen. Elija kannte einen Bibliothekar, dem eines von Grobhäms Büchern zwei Finger abgebissen hatte.

Der Lutin ging zu seiner Kleidertruhe und suchte nach den schweren Lederhandschuhen, die er im Winter trug. Als er sie über die Finger streifte, fühlte er sich besser. Die Rosenholzkiste unter den Arm geklemmt, trat er aus dem Zelt. Es war Mittagszeit, und die Herde rastete. Aufmerksam sah er sich um. Weit im Westen entdeckte er einen kleinen Reitertrupp auf der Ebene. Heute hatte Ganda zum ersten Mal das Lager des Elfen verlassen. Sie machte mit Nikodemus und einigen anderen Jägern einen kleinen Ausritt zu einem nahen See. Bald würden die ersten Herbststürme über das Windland ziehen. Der Sommer war vorüber, und niemand konnte sagen, ob das Jahr noch einen weiteren so strahlenden, warmen Tag zu bieten hatte.

Elija stieg die Strickleiter von der Zeltplattform hinab und ging zu Mondkragen. Die große Hornschildechse blinzelte schläfrig, als sie ihn sah, und schloss dann wieder die Augen. Der Lutin spürte, wie ihm die Hände feucht wurden. Es war lange her, dass er das letzte Mal gemordet hatte. Was für eine Ironie, dass der größte Schwertkämpfer Albenmarks durch einen unbewaffneten Lutin ausgelöscht werden würde, der ihm kaum bis übers Knie reichte.

»Ausgelöscht.« Elija kostete das Wort wie einen alten Wein, den man nach jedem Schluck noch einen Augenblick im Mund behielt, um sein volles Aroma zu genießen. Ausgelöscht, treffender konnte man es nicht ausdrücken.