Выбрать главу

Halgard seufzte. »Nein.« Sie zerzauste ihm das lange Haar.

»Ist dir bei Kadlin nichts aufgefallen?«

»Björn singt wahre Lobeshymnen auf ihr wunderbares Hinterteil. Ich finde es etwas schmal und knabenhaft. Doch davon abgesehen ist sie recht hübsch ...«

Halgard zog ihn an den Haaren. »Kannst du nicht einen Augenblick ernst sein?«

Ulric schnaubte. Mangelnden Ernst warf man ihm beileibe nicht oft vor. Unter seinen Gefährten galt er als zu kühl und selbstbeherrscht. Er wusste von Björn, dass sie erst dann wirklich unbeschwert miteinander umgingen, wenn er nicht in der Nähe war. »Ich glaube, im Augenblick würde ich lieber in den Armen eines Trolls liegen.« Halgard stieß ihn von sich.

»Bist du dir im Klaren darüber, was du gerade treibst?«, fragte er eher traurig als erbost. »Ich liege nackt zwischen deinen Schenkeln, und du fragst mich, was ich von der einzigen anderen hübschen Frau halte, die auf diesem verfluchten Bauplatz herumläuft? Was ist das? Eine Falle? Willst du mich auf die Probe stellen? Bist du eifersüchtig? Willst du fühlen, ob sich bei mir etwas regt, wenn ich an sie denke?«

»Habt ihr Männer auch noch etwas anderes im Kopf als eure Schwänze?«

»Bei den Göttern! Wenn du meine Einfalt nicht ertragen kannst, dann sag mir doch einfach geradeheraus, was du denkst!«

»Ich denke, dass Kadlin deine kleine Schwester ist.«

Ulric ließ sich auf den kleinen Schemel neben dem Bett sinken.

»Ach, Halgard ...«

»Komm mir jetzt nicht damit. Hast du sie einmal beobachtet? Blut, der nun wirklich kein handzahmes Schoßhündchen ist, lässt sich von ihr kraulen. Ja, er frisst ihr sogar aus der Hand. Und auch sie hat keinerlei Angst vor ihm.«

»Kadlin ist tot!«, sagte Ulric eisig. Er begriff nicht, was in Halgard gefahren war, aber er würde bei diesem schlechten Scherz nicht weiter mitspielen.

»Man hat ihre Leiche nie gefunden. Und auch nicht die Leiche deiner Mutter.« »Sie sind auf der Flucht in die Berge erfroren. Und ich bin froh, dass niemand ihre halb gefrorenen und von Aasfressern entstellten Leichen hinunter nach Sunnenberg gebracht hat. Ich bin froh, dass ich sie so in Erinnerung behalten habe, wie ich sie kannte.«

»Eben, deshalb bist du ja auch blind für die Wahrheit. Stell dir deine Schwester fünfzehn Jahre älter vor. Sie hätte Kadlins Alter. Und gab es nicht einen Fischer namens Kalf im Dorf? Er war doch mit dabei, bei der Flucht über das Eis. Kadlins Vater heißt auch Kalf.«

»Der Fischer war ein großer, stattlicher Kerl mit blonden Haaren.«

»Und unser Kalf ist ein großer, stattlicher Kerl mit kahl rasiertem Kopf und kurzem Bart. Ich war blind. Ich habe den Fischer nie gesehen. Aber könnte es nicht der Kalf aus dem Dorf sein? Du musst dich doch noch an ihn erinnern!«

Ulric hob abwehrend die Hände. »Bitte hör auf! Ich will davon nichts wissen. Sie alle sind in den Bergen gestorben. Und warum sollte Kadlin den Fischer Vater nennen? Das ergibt doch keinen Sinn!«

»Sie war ein kleines Mädchen«, fuhr Halgard unbarmherzig fort. »Wenn man ihr erzählt hätte, Kalf sei ihr Vater, dann hätte sie es sicher geglaubt. Und dann noch die Sache mit den Trollen. Vielleicht haben sie ihr schon einmal geholfen? Vielleicht hat der Troll in der Höhle sie deshalb gerettet, statt sie zu schlachten.«

Ulric streifte sich seine Hosen über. »Es ist genug. Komm mich suchen, wenn du wieder bei Verstand bist. Ich will das nicht hören!« Mit diesen Worten trat er aus der kleinen Hütte, die im Windschatten der Festungsmauer lag. Er eilte zwischen den schwitzenden Arbeitern hindurch zum Brunnen und tauchte den Kopf in den großen Wassertrog.

Halgard war gut darin, den Dingen auf den Grund zu gehen. Obwohl sie noch Kinder gewesen waren, hatte sie herausgefunden, dass die roten Fäden in ihren Holzpuppen ihre Lebensfäden darstellen sollten. Und nun das!

Der Krieger suchte unter den Arbeitern nach Kalf. Er entdeckte ihn beim Torturm. Der alte Jäger trug auf einem Holzgestell behauene Steine zu den Maurern am Turm. Von der Statur her mochte er dem Fischer gleichen ...

Ulric verwarf den Gedanken. Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein! Wenn es stimmte, was Halgard dachte, dann hätte Asla, seine Mutter, ihn im Stich gelassen! Verlassen wegen diesem Fischer. Das war unmöglich! Das hätte sie niemals getan. Sie hatte ihn geliebt! Es war ein Unglück, dass er in Honnigsvald verloren gegangen war. Seine Schuld ... Sie hatte doch die Elfe Yilvina geschickt, um ihn zu holen. Asla hatte ihn geliebt!

Ulric blickte wieder zu dem alten Jäger. Kalf hatte die Maurer erreicht und wuchtete das Tragegestell von seinem Rücken. Er hatte wirklich Ähnlichkeit mit dem Fischer. Und dass Blut Kadlin mochte, war in der Tat seltsam. Fremden traute er gewöhnlich nicht ...

Aber was machten die beiden dann hier? Wenn Kalf ihm seine Mutter und seine kleine Schwester gestohlen hatte, dann würde er sich doch wohl kaum hierher wagen, wo er befürchten musste, wieder erkannt zu werden. Er lieferte sich dem Zorn des Königs aus! Sein Vater war ein friedliebender Mann. Aber wenn er erfahren müsste, dass Kalf Kadlin und Asla entführt hatte ... Nicht auszudenken! Als er noch kleiner gewesen war, war Ulric manchmal eifersüchtig auf Kadlin gewesen. Immer wieder hatte er seinen Vater abends am Feuer sitzen sehen, das blaue Kinderkleid auf dem Schoß. Dieses Kleidchen war alles, was ihm von Kadlin geblieben war.

Damals hatte Ulric sich gewünscht, Vater würde mit ihm reden und spielen, statt einfach nur vor sich hin zu starren. Mit den Jahren hatte er diese Eifersucht besiegt. Es war albern, auf ein totes Mädchen eifersüchtig zu sein!

»Ach Halgard, wärst du doch weniger scharfsichtig.« Ulric beschloss, das Geheimnis für sich zu behalten. Daran zu rühren, würde eine Tragödie heraufbeschwören.

Eine andere Art von Krieg

Elodrin legte Emerelles Brief zur Seite und sah seine Vertrauten und Ratgeber der Reihe nach an. »Ich verstehe die Königin nicht mehr«, sagte er sehr leise.

Im Kartensaal des Palasts der Gilde der Safranhändler herrschte gedrückte Stimmung. Elodrin hatte der Königin dreimal geschrieben und sie gebeten, ihre neue Strategie noch einmal zu überdenken, aber sie war halsstarrig und blieb bei ihrer Meinung. Auf seine Bitten, nach Feylanviek zu kommen und sich von der Lage an der Grenze selbst ein Bild zu machen, hatte sie erst gar nicht reagiert. Es war nicht mehr die Herrscherin, die er einmal gekannt hatte. Zuletzt hatte er Obilee geschickt, weil die junge Kriegerin ein besonders gutes Verhältnis zur Königin hatte, doch selbst ihr gegenüber war sie wortkarg und abweisend gewesen. Und Obilee hatte ihm erzählt, dass Alathaia auf der Burg der Königin weilte. Das war ihm eine Erklärung für die grausamen Befehle der Herrscherin.

Die Tür zum Kartensaal schwang auf, und Graf Fenryl trat ein. Er trug einen Verband um die Stirn, in den frisches Blut sickerte. Sein Leinenpanzer und sein Umhang erstrahlten im Weiß von frisch gefallenem Schnee. Der Helm, den er unter den Arm geklemmt trug, schimmerte silbern. Manchmal, wenn er ihn nur aus den Augenwinkeln sah, hatte Elodrin das Gefühl, Ollowain sei wieder unter ihnen. Er hatte den Schwertmeister nicht gut gekannt, und sie hatten miteinander gestritten, aber es ließ sich nicht leugnen, dass er ein guter Feldherr und ehrenhafter Mann gewesen war.

»Du bringst Nachricht aus der Snaiwamark?« Fenryl legte den Helm auf dem Kartentisch ab und begrüßte die Versammelten: Yilvina und Obilee, die Gräfin Caileen, die den Oberbefehl über die Streitwagen und Reitertruppen führte, und die Heilerin Nardinel.

Der Graf warf einen Blick auf die Karte und deutete auf den Mordstein. »Es ist Bewegung in die Truppen gekommen. Die Trolle verstärken ihr Heer. Viele junge Welpen sind vor der Zeit zu den Waffen gerufen worden. Sie haben Truppen nach Osten in Richtung der Walbucht in Marsch gesetzt. Weitere fünftausend Krieger sind auf dem Weg nach Süden. Sie stehen kurz vor Jerash und blockieren den Weg hinauf zum Mordstein.« Er machte eine kurze Pause.

»Und was noch schlimmer ist, ich habe Orgrim gesehen. Er scheint den Oberbefehl zu führen. Man spürt es. Die Dinge ändern sich. Es sind viel mehr Späher und Streifen unterwegs. Sie wollen uns unsere Augen nehmen. Ich bin zweimal von Raben angegriffen worden. Ich glaube, Orgrim hat seinen Schamanen befohlen, jeden Vogel vom Himmel zu vertreiben. Auf all meinen Flügen mit Schneeschwinge in diesem Sommer bin ich nicht ein einziges Mal von anderen Vögeln angegriffen worden und nun gleich zweimal. Ich bin nicht geneigt, das für einen Zufall zu halten. Auch wird die Flotte in der Walbucht zum Auslaufen bereit gemacht. Es sind mehr als achtzig riesige schwarze Galeassen. Sie könnten ein ganzes Heer darauf einschiffen. Jede der Galeassen kann zweihundert oder mehr Krieger an Bord nehmen.«