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»Glaubst du denn nicht, dass du in ihm jetzt das wiedererwecken kannst, was du geliebt hast? Diesmal jedoch unbeschwert von seinen Vorurteilen.«

»Und wenn ich ihn geliebt habe, weil er mich trotz seiner Vorurteile gegen unser Volk ritterlich behandelt hat?«

Elija stöhnte. »Das ist doch verrückt. Du denkst zu verwickelt. Und was nutzt es, um das zu trauern, was für immer verloren ist. Blicke in die Zukunft! Denke daran, was du gewinnen kannst. Was er deinem ganzen Volk zu geben vermag, wenn du ihn nach unseren Vorstellungen erziehst.«

»Ich danke dir für deine Anteilnahme. Wahrscheinlich hast du Recht. Verzeih mir, wenn ich mich aufführe wie eine weinerliche alte Jungfer. Wirst du mir helfen mit ihm?«

»Du kannst jederzeit zu mir kommen.« Sie beugte sich vor und gab ihm einen flüchtigen Kuss. »Danke. Ich habe dich falsch eingeschätzt, Elija.« Sie ging zur Herde zurück. Der Kommandant sah ihr nach und war überrascht über die widerstreitenden Gefühle, die er empfand. Ihr Kuss und ihre Dankbarkeit hatten ihn zutiefst aufgewühlt. Er fühlte sich schäbig, weil er sie benutzte. Er würde ihr niemals sagen, was wirklich mit Ollowain geschehen war. Wie er ihn ermordet hatte, aus niedersten Motiven. Was dachte er da! Ollowain war ein bedeutender Elf gewesen! Und eine große Gefahr! Er hatte ihn beseitigen müssen, um die neue Weltordnung nicht zu gefährden. Und nun gehörte er ihm in einem Ausmaß, wie er es sich in seinen kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können.

Der Tänzer im Schnee

Kadlin schob Björns Arm zur Seite und erhob sich vorsichtig aus dem Bett. Der steinerne Fußboden war eisig. Hastig schlüpfte sie in ihre Kleider und spähte durch den Spalt im hölzernen Fensterladen. Bald würde es dämmern. Sie war gespannt, ob der Baumeister wieder tanzen würde. Ein seltsamer, verschlossener Kerl war dieser Gundaher. Ein Fremder, der vor langer Zeit weit aus dem Süden gekommen war. Und obwohl er ein guter Freund des Königs war, war er immer ein Fremder geblieben. Sein Geschick und sein Eifer hatten die Festung auf dem Pass entstehen lassen. Er wusste alles über Steine und wie man sie zu wunderbaren Bauwerken fügte.

Vorsichtig öffnete Kadlin die Tür. Lächelnd blickte sie zu Björn. Er hatte sich von dem Kampf mit dem Schneelöwen fast gänzlich erholt. Und er war ein wunderbarer Liebhaber. Wenn nur sein Vater nicht wäre! Herzog Lambi ließ keine Gelegenheit aus, schlecht über sie zu reden. Eine Hure nannte er sie, die sich ins Bett seines Sohnes geschlichen hatte. Dass sie Nacht für Nacht an diesem Bett gewacht hatte, bis es Björn besser ging, legte er ihr als Heuchelei aus.

Heiße Wut stieg in ihr auf, wenn sie an das hässliche Monstrum dachte. Kaum anschauen konnte man 'Lambi ohne Nase', wie ihn viele Männer heimlich nannten.

Kadlin eilte die Treppenstufen zum Wehrgang hinauf. Der verharschte Schnee knirschte unter ihren Stiefeln. Jeden Abend kam der Frost, dabei hatte der Herbst gerade erst begonnen. Nicht mehr lange, und die halb fertige Burg wäre von den Tälern abgeschnitten. Wenn der Winter einmal Einzug hielt, dann wären die Wege unter Schneebergen begraben. Dann würde es sehr einsam hier oben werden.

Der König hatte die meisten Arbeiter zurück nach Hause geschickt, als der Frost kam. Nur ein paar Steinmetze waren geblieben. Sie behauten unter Gundahers Aufsicht die Steine, die im nächsten Frühjahr gebraucht wurden. Er hatte verboten, weitere Mauern zu errichten, sobald der Frost begonnen hatte. Kadlin hielt das für irgendeinen dummen Aberglauben. Was machte es Mauern und dem grauen Matsch, den er anrühren ließ, um ihn zwischen die Steine zu schmieren, schon aus, ob es heiß war oder schneidend kalt? Aber der König hörte auf Gundaher. Dabei war Alfadas sonst kein sonderlich abergläubischer Mann ...

Kadlin lachte. Was wusste sie schon von Alfadas! Sie war eine einfache Jägerin. Den König bekam sie nur von Ferne zu sehen. Aber sie mochte ihn. Wenn er nur nicht so oft so traurig aussehen würde! Offensichtlich überstieg es Silwynas Kräfte, ihn glücklich zu machen. Die Elfe mied sie, seit sie ihr Tal verlassen hatte. Kadlin konnte sich das nicht erklären. Während ihrer Kindheit im einsamen Tal waren Silwynas Besuche immer die Höhepunkte des Jahres gewesen. Die Elfe hatte sie mit auf die Jagd genommen, und sie war viel weniger streng als Kalf gewesen. Sie hatte Kadlin und ihre Schwester, die kleine Silwyna, gelehrt, auf den Baumwipfeln zu laufen und sich so geschickt im Schnee zu bewegen, dass sie fast keine Spuren hinterließen. Sie hatte ihnen die Heilkräfte der Kräuter, Rinden und Blätter erklärt und die Eigenarten der Tiere. Und sie konnte wunderbar Geschichten erzählen. Alfadas musste schon ein sehr eigenartiger Mann sein, wenn er unglücklich war, obwohl Silwyna an seiner Seite lebte. Kadlin jedenfalls war immer glücklich gewesen, wenn Silwyna an ihrer Seite gewesen war, und dass die Elfe nun so tat, als kennten sie einander nicht, machte ihr sehr zu schaffen. Sie wünschte sich einen anderen Namen oder zumindest eine andere Haarfarbe. Silwyna hatte ihr von der toten Tochter des Königs erzählt und wie sehr Kadlin ihr ähnelte. Es musste wohl sehr schwer für den König sein, sie dauernd in der halb fertigen Burg zu sehen. Auch sie hatte angefangen, ihn zu meiden, wo immer das möglich war.

Ihr Vater fühlte sich ebenfalls nicht wohl hier. Kalf ließ keine Gelegenheit aus, auf die Jagd zu gehen und die Burg zu verlassen. Kadlin konnte nicht begreifen, warum alle sich so seltsam verhielten. Wahrscheinlich war sie zu dumm, die Gesetze eines Königshofs zu begreifen. Sie lächelte in sich hinein. All das war ihr egal, so lange sie sich jede Nacht in Björns Kammer schleichen konnte. Es war angenehm, nicht als einzige Frau in der Unterkunft der Jäger übernachten zu müssen. Anfangs hatten die anderen Männer gemeint, sie müssten ihr mit dummen Sprüchen kommen, aber nach einigen Raufereien hüteten sie zumindest in ihrer Nähe ihre Zungen.

Kadlin eilte den Wehrgang entlang bis zum südlichen Eckturm. Die Jägerin war stolz auf die großartige Arbeit, die sie alle in diesem Frühjahr und im Sommer geleistet hatten. Mehr als hundert Schritt war die vordere Burgmauer lang, die fast die Hälfte des Passes blockierte. Sie hatte zwei mächtige Ecktürme und einen Torturm, der mehr als zwanzig Schritt hoch war. Niemals hätte sie es für möglich gehalten, dass man so hoch bauen konnte. Gundaher konnte wahrlich Wunder wirken. Wahrscheinlich gab es nirgends sonst auf der Welt einen so hohen Turm. Bestimmt waren auch die Trolle sehr beeindruckt und würden den Pass künftig meiden.

Kadlin dachte an den Troll, der sie und Björn gerettet hatte. Es war ein großes Unrecht, dass er als Lohn für seine Taten einen Pfeil in die Brust bekommen hatte. Sie wünschte, sie würde ihm noch einmal begegnen und ihm sagen können, wie sie darüber dachte. Vielleicht konnte man sogar mit den Trollen in Frieden leben, wenn die anderen auch so waren wie Brud. Seit der Begegnung mit Brud quälte sie immer wieder ein Albtraum. Sie war gefangen in einer großen Höhle mit vielen Trollen. Und vom Eingang her hörte sie das Heulen eines entsetzlichen Sturms. Ihr war kalt, obwohl eines der grauhäutigen Ungeheuer sie in den Armen wiegte. Ein Troll mit Schmucknarben auf der Brust. An einem Feuer in der Höhle saßen Asla und Kalf. Sie hatten solche Angst, dass sie kein Wort sprachen und nicht einmal wagten aufzublicken,

Gundaher verließ die halbfertige Burganlage durch das Tor und ging die Mauer entlang nach Süden. Der Baumeister hatte sich einen schweren blauen Umhang um die Schultern geschlungen. Er blickte kurz zu den Zinnen empor. Vorgestern hatte er sie auf der Mauer entdeckt, aber kein Wort gesagt. Er wusste, dass sie ihn beobachtete.

Im Osten zeigte sich ein schmaler Silberstreifen zwischen den Bergen. Mit ihm kam ein eisiger Wind. Staunend sah Kadlin, wie der Sturmwind eine breite Fahne aus feinem Schnee von dem Berggipfel blies, der den Pass im Süden überragte. Es sah aus, als wolle der Wind dem schroffen Felsgestein seinen weißen Schleier entreißen.