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Ulric drängte sich durch die Reihen der Männer, bis er Lambi endlich sehen konnte. Er stand auf einem Tisch und schwenkte während seines Vortrags sein Methorn, als sei es ein Schwert, mit dem es galt, Trolle aufzuspießen.

Der Herzog winkte ihm gut gelaunt zu. »Wie ich sehe, ist die Runde der Helden nun vollständig. Willkommen in unserer Mitte, Ulric Alfadasson!«

Ulric räusperte sich. »Was für ein Fest habe ich verpasst?«

»Oh, nicht Bedeutenderes als den Ausbruch des Krieges, Junge.« Die Männer rings um ihn brachen in schallendes Gelächter aus. Einige klopften ihm auf die Schultern. Mag war einer von ihnen. Selbst jetzt, von Met und schönen Worten berauscht, hielten die meisten Abstand zu ihm, dem Wiedergänger.

Ulric blickte erschrocken zu seinem Vater. Sein Thron stand auf einem kleinen Holzpodest, sodass ihn die zechenden Männer gut sehen konnten. Doch zu viele Arme wurden hin und her geschwenkt. Einige Krieger hatten zu tanzen begonnen und neckten sich gegenseitig damit, wer höher springen könnte.

Lambi war vom Tisch heruntergestiegen und drängte sich zu ihm durch. »Komm, dein Vater will dich sehen. Ich denke, wir können unsere Raufbolde ein wenig sich selbst überlassen.« Der Herzog tauschte einen kurzen Blick mit Mag. Der gebrandmarkte Recke nickte ihm zu. Er würde dafür sorgen, dass die Stimmung in der Königshalle nicht zu ausgelassen wurde.

»Halgard wird mit uns kommen«, entschied Ulric. Lambi hob die Brauen. Ein Schnauben drang durch den Krater seiner Nase.

»Du glaubst doch nicht, dass ich sie inmitten einer Horde besoffener Krieger zurücklasse?«

»Sie könnte vielleicht draußen ...«

»Bin ich ein Fohlen auf dem Jahrmarkt?«, mischte sich Halgard verärgert ein. »Ich kann auf mich aufpassen! Geht schon und besprecht euren Krieg. Ich erwarte dich in unserer Kammer.« Ihr Blick wurde wärmer. »Danke«, flüsterte sie.

»Was immer auch geschehen mag, die Erinnerung an den Wolkenspiegel wird mich den ganzen Winter über wärmen.«

Sie zog den langen grünen Umhang straffer um ihre Schultern und ging stolz erhobenen Hauptes durch die Reihen der Männer. Und wie das Wasser vor dem Bug eines großen Schiffes, das den Fjord hinaufeilt, so wichen sie vor ihr zurück.

»Sie wird eine gute Königin werden«, sagte Lambi anerkennend. »Wenn ich noch eine Nase hätte, würde ich ihr den Hof machen.«

Ulric sah den bärtigen Krieger ungläubig an. »Hast du denn keine Angst vor Wiedergängern?«, fragte er kühl.

»Nicht wenn sie so hübsch sind wie dein Mädchen. Aber jetzt ist keine Zeit für Weibergeschichten. Komm mit!« Der Herzog führte ihn hinter den Thron und von dort in den kleinen Raum, in dem Alfadas manchmal mit einigen seiner Vertrauten aß und die Berichte der Späher besprach. Ulric wusste, dass sein Vater die Festhallen des Fjordlands mit ihren offenen Feuergruben und den munter pöbelnden Zechern nicht mochte. Wenn sie beide allein waren, erzählte sein Vater gern von den Palästen der Elfen und ihren Festen. Von der Magie, von wunderbaren Kleidern, Frauen, schön und kalt wie das Feenlicht, das in den Winternächten am Himmel des Fjordlands tanzte.

Als die Tür zum Zimmer hinter dem Thron aufschwang, erblickte er als Erstes Silwyna. Sie stand dicht bei der Tür und etwas abseits von dem Tisch, über den sich die übrigen Anwesenden beugten. Ihre Wolfsaugen zeigten keine Gefühle, obwohl um ihre Lippen die Andeutung eines Lächelns spielte. Als Kind hatte Ulric sie immer bewundert. Die Elfe Silwyna war für ihn eine lebendig gewordene Märchengestalt gewesen. Doch seine verlorene Mutter hatte sie nicht ersetzen können und wollen. Später hatte er begriffen, wie naiv es gewesen war, von einem Weib, das sein eigenes Kind bei Wölfen zurückgelassen hatte, um mit seinem Vater zusammen zu sein, die Zuneigung einer Mutter zu erwarten. Und seit Halgard ihm die Augen geöffnet hatte, wer Kadlin wirklich war, argwöhnte Ulric, dass Silwyna etwas mit dem Verschwinden seiner Mutter zu tun haben könnte. Er erinnerte sich, dass auch sie in die Berge gegangen war, um nach Asla und Kadlin zu suchen.

»Gut, dass du endlich zurück bist, Junge!« Sein Vater trat vom Tisch zurück und schloss ihn warmherzig in die Arme. »Sieh nur, wer gekommen ist.« Alle blickten jetzt von den Karten auf. Eirik, Björn und noch ein halbes Dutzend weiterer Hauptleute waren versammelt. Doch Ulric ignorierte sie. Sein Blick war ganz gefangen von der Elfe mit dem kurzen, blonden Haar, über deren Schultern die Griffe von zwei Schwertern aufragten.

Sie lächelte. »Aus dem Knaben ist ein stattlicher Mann geworden, wie ich sehe.« In dem Winter, in dem seine Mutter lieber einen Treck mit Flüchtlingen in Sicherheit gebracht hatte, statt nach ihm zu suchen, und in dem sein Vater sogar in einer anderen Welt gegen eine Übermacht von Trollen gekämpft hatte, war sie es gewesen, die gekommen war, um ihn zu retten. Gegen jede Vernunft war sie allein in das Heerlager der Trolle eingedrungen und hatte ihn und Halgard befreit, bevor sie erfroren oder ihnen noch Schlimmeres widerfuhr. Sie und Blut, der große schwarze Jagdhund seines Vaters.

»Yilvina«, sagte er mit belegter Stimme. »Es tut gut, dich zu sehen.«

»Bevor ihr euch um den Hals fallt und anfangt, uns alle mit alten Heldengeschichten zu langweilen, die ich im Übrigen besser erzählen könnte als du, sollte dein Vater dich vielleicht in unsere Pläne einweihen«, unterbrach Lambi ihr Wiedersehen und schob ihn an den Kartentisch.

Ulric betrachtete die Landkarte, die auf frisches Pergament gezeichnet war. Er brauchte einen Augenblick, um sich zu orientieren. Sie reichte viel weiter nördlich und war auch viel detaillierter als jede Karte, die er bisher gesehen hatte. Mit kupferfarbener Tinte waren die Berge und Fjorde eingezeichnet. Es gab sogar Anmerkungen zu Meeresströmungen und Wassertiefen. Am nördlichsten Fjord, dessen Arm sich tief in unzugängliches Bergland erstreckte, waren etliche Kartenkorrekturen vorgenommen worden. Sie waren in schwarzer Tinte ausgeführt.

»Wer hat das gezeichnet?«, fragte Ulric verblüfft. »Warum habe ich diese Karte noch nie gesehen?«

»Yilvina hat sie mitgebracht. Sie wurde von unseren Elfenfreunden gezeichnet. Einer ihrer Späher war einen Mond lang hier oben am Fjord und hat die Nachtzinne beobachtet. Wir wissen jetzt alles über die Hauptfestung der Trolle.«

»Fingayn, nehme ich an.«

Yilvina blickte kurz zu ihm auf. »Du bist auch nicht schlecht informiert, Ulric Alfadasson. Es ist allerdings zwei Jahre her, dass er dort war. Er sollte die Möglichkeiten für einen Angriff auf die Nachtzinne ausspähen. Elodrin erwog damals, Orgrim zu töten und den Trollen so ihren besten Heerführer zu nehmen. Aber dass du um Fingayn weißt ... Ich bin beeindruckt.«

Ulric tat das Kompliment ab. Es ärgerte ihn, dass die Elfen bessere Karten vom Fjordland und den nördlichen Bergen besaßen als sein Vater, der immerhin der König dieses Landes war.

»Ich bin im Auftrag des Fürsten Elodrin von Alvemer hier. Er bat deinen Vater um Unterstützung für einen Angriff auf die Nachtzinne. Eure Aufgabe bestünde darin, die Garnison der Nachtzinne von der Felsenfestung fortzulocken und ein paar Stunden lang im Kampf zu binden. In dieser Zeit wird Elodrin mit einer Schar handverlesener Kämpfer die Nachtzinne erstürmen und seine Flotte in der Bucht landen lassen. Wir werden sodann den Trollen in den Rücken fallen, die gegen euch kämpfen.«