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»Warum tragt ihr euren Krieg mit den Trollen in unsere Welt?«, fragte Ulric. »Warum sollten wir ...«

»Wir leben auch im Krieg mit den Mördern deiner Mutter! Gerade du solltest nicht vergessen, was sie uns angetan haben!«, unterbrach ihn sein Vater zornig. »Bei den Göttern! Hast du vergessen, wie sie gewütet haben? All die niedergebrannten Städte und Dörfer! Nun werden wir ihnen endlich Gleiches mit Gleichem vergelten!«

Ulric sah seinem Vater ins Antlitz. Sein Wunsch nach Rache hatte ihn ausgebrannt. Er war alt geworden in den letzten Monden. Und er hatte sich niemals damit abfinden können, dass der Herzog der Nachtzinne ihm entkommen war.

»Wenn wir gesiegt haben, dann können wir mit den Trollen über einen Frieden zwischen unseren Völkern verhandeln«, erklärte Alfadas nun ruhiger. »Es muss ein Friede sein, der auf Stärke beruht, sonst werden diese Bestien ihn nicht annehmen. Wenn wir aber die Höhle ihres Herzogs ausgeräuchert haben, dann werden sie wissen, dass mit uns zu rechnen ist!«

»Und was ist, wenn der Herzog der Trolle so fühlt, wie du es getan hast, sobald er sein Heim brennen sieht? Wenn er sein Leben ganz dem Gedanken an Rache widmet? Glaubst du wirklich, man kann mit der Faust in ein Wespennest schlagen, ohne gestochen zu werden?«

»Wir reden hier von Trollen! Die verstehen nichts als die Sprache der Gewalt. Wir müssen ein deutliches Zeichen setzen, bevor wir mit denen verhandeln. Dann werden sie sich fügen.«

»So gut kennst du unsere Feinde ... Der Kerl, der Kadlin und Björn in eine Höhle geschleppt und ihre Wunden versorgt hat, kann dann wohl kein Troll gewesen sein. Wenn sie alle so sind, wie du sagst, dann hätte er die beiden wohl fressen müssen.« Er legte die Hand auf das Abbild der Bergketten, die die Nachtzinne umschlossen. »Und wie willst du unsere Männer über diese Berge bringen? Noch dazu, wo der Winter vor der Tür steht? Die Maurawan werden das sicher schaffen, aber unsere Krieger kennen keinen Zauber, um sich vor der Kälte zu schützen und sicheren Schrittes über mannshohe Schneeverwehungen zu marschieren. Wir würden die Hälfte unserer Krieger verlieren, bevor wir überhaupt auf den ersten Troll stoßen. Ist deine Rache das wert, Vater?« Er deutete zur Tür. »Sieh hinaus in die Halle! Blick in die Gesichter der Männer, die bereit sind, dir überall hin zu folgen. Und stell dir vor, wie jeder Zweite von ihnen erfroren im Schnee liegt. Willst du diesen Preis zahlen?«

Alfadas hielt seinem Blick stand. »Natürlich nicht. Vielleicht würdest du uns freundlicherweise zuhören, bis Yilvina ihre Ausführungen beendet hat. Fürst Elodrin ist einer der bedeutendsten Heerführer Albenmarks. Er hat unsere Schwächen bedacht. Sag es ihm, Yilvina.«

Merkwürdigerweise vermied es die Elfe nun, Ulric direkt anzusehen. »Mein Fürst schlägt vor, dass sich alle Truppen dieser Burg nach Firnstayn zurückziehen. Boten, die euch vorauseilen, sollten noch weitere Verstärkungen in die Stadt rufen. Die vereinten Truppen könnten dann hinauf zum Hartungskliff marschieren, um durch das Tor im Steinkreis zu schreiten.« Sie deutete zur Karte und wies auf ein kleines Tal, das nahe der Nachtzinne lag. »Hier gibt es ein weiteres Tor. Ihr müsstet nur einen einzigen Pass überqueren.« Ihr Finger verharrte auf einem weißen Fleck. »Hier gibt es ein weites ebenes Feld, das auf zwei Seiten von steilen Felsen eingefasst ist. Es wäre ein ideales Schlachtfeld. Eure Flanken sind geschützt, wenn ihr hier kämpft. Ihr müsst nur die Schlachtlinie halten, bis wir den Trollen in den Rücken fallen. Unsere besten Pfadfinder werden euch begleiten, um euch beizustehen. Wir werden siegen!«

Ulric strich sich über das Kinn. Der Plan hörte sich sehr einfach an. »Wie stark ist die Flotte, die uns unterstützt?«

Yilvina sah ihn zweifelnd an. »Stark genug!«, entgegnete sie kühl. »Elodrin wird sechshundert der besten Schwertkämpfer und Bogenschützen bringen, die Albenmark zu bieten hat. Hast du Angst, dich den Trollen zur entscheidenden Schlacht zu stellen, die deinem Land Jahrzehnte des Friedens bringen kann?«

»Meine einzige Sorge ist, dass das Fjordland noch einmal zu einem Spielstein im Kampf um Albenmark wird und sich das Grauen des Elfenwinters wiederholt. Wir haben beide unser Blut vergossen, um einander das Leben zu retten. Schwöre mir bei diesem Blutsband, dass dieser Krieg nicht noch einmal unsere Städte verbrennen wird.«

Yilvina legte feierlich die Rechte auf ihr Herz. »Ich schwöre es.« Ulric sah ihr fest in die Augen. Sie glaubte, was sie sagte. Und dennoch war er sich sicher, dass es anders kommen würde. Er und Halgard würden den Winter nicht überleben, und er wusste, dass es dieser Feldzug war, den sein Vater so sehr wollte, der sie beide töten würde.

Die Sage von Nestheus und Kirta

»Keine andere Sage des Windlands wird in so vielen Varianten im Windland erzählt wie jene von Nestheus und Kirta. Ich habe mich entschieden, die Geschichte so niederzuschreiben, wie sie mir in der Steppe südlich von Talsin erzählt wurde, denn es heißt, in einem der Hügel dort ruhe der Leib des Orimedes, und ich hatte das Gefühl, dass Sage und Wirklichkeit in der Nähe seines Grabes näher beieinander liegen als anderswo in den Weiten des Graslands ...

Es begab sich zu jener Zeit, als Fürst Orimedes die Trolle vom Mordstein besiegte, dass sich die Völker der Steppe und die Bronzereiter von Uttika nach Jahrhunderten der Feindschaft wieder näherten. Um diesen Bund zu festigen, beschlossen die Fürsten Orimedes und Katander, ihre beiden Kinder Nestheus und Elena miteinander zu vermählen. Nestheus war ein Recke mit einem Fell weiß wie der erste Herbstschnee; in der Schlacht am Mordstein hatte er allein an die hundert Trolle erschlagen. Sein Blick war wie Blitzschlag, sein Schwert der Tod seiner Feinde, und er war ein so ausdauernder Läufer, dass er den Weg von Feylanviek nach Talsin in drei Tagen zurücklegen konnte, was seither noch niemandem gelang. Elena aber, Katanders Tochter, war eine große und massige Stute. Sie hatte ein hübsches Antlitz und war von friedlichem Wesen. Doch überragte sie den Helden um mehr als Haupteslänge, was Neider zu manch bösem Scherz trieb. Dies hätte einer Hochzeit gewiss nicht im Wege gestanden, hätte Nestheus sein Herz nicht an die bezaubernde Kirta verloren. Manche sagen, sie sei eine Schamanin gewesen und habe den Recken verhext. Andere hingegen sagen, ihre Schönheit allein sei machtvoller als jeder Zauberbann gewesen. Ihr verfiel der Recke Nestheus, und lange vor der Schlacht am Mordstein hatte er ihr schon seine Liebe geschenkt. Immer wieder bat Nestheus seinen Vater, die Hochzeitspläne aufzuheben, doch der Fürst wollte davon nichts hören. In Ketten ließ er seinen Sohn auf den Hügel schaffen, auf dem die Brautfeierlichkeiten abgehalten werden sollten, und die Zeremonie hatte schon begonnen, da trat Kirta unter den Gästen hervor und forderte ihren Liebsten ein. Und als sie auf den Hügel trabte, da sah Elena neben ihr so unscheinbar aus wie eine Motte neben dem herrlichsten Schmetterling. Orimedes aber befahl seinen Wachen, die Hexe zu ergreifen, und schwor, ihr mit seinem Schwerte das Herz aus dem Leibe zu schneiden, um seinen Sohn von ihrem Zauberbann zu befreien.

Da rief Nestheus in seiner Not den Sanhalla, den Südwind, zu Hilfe, der ihm schon in der Schlacht am Mordstein geholfen hatte, seine Feinde zu besiegen. Und der Wind hob die beiden Liebenden in die Höhe und trug sie weit fort in die Steppe, wo sie sicher sein konnten vor dem Zorn des Orimedes.

Der Fürst der Pferdemänner aber ließ verkünden, dass er jenem sein Gewicht in Gold schenken wolle, der ihm die Köpfe von Nestheus und Kirta bringe. Nur wenige aus den Völkern der Steppe erlagen der Verlockung des Reichtums. Es waren vor allem Söldner, die aus den fernsten Ländern herbeieilten, um die beiden Liebenden zu stellen. Zahllos sind die Abenteuer, die Nestheus und Kirta in jenem Herbst und Winter erlebten, die auf ihre Flucht vom Hochzeitshügel folgten. So überlisteten sie den berühmten Bogenschützen Fingayn in den engen Tälern der Rejkas und entgingen der Silbernen Horde, einer berüchtigten Schar von Kopfgeldjägern aus Uttika, indem sie sich während eines Schneesturms, der über drei Tage dauerte, in einer Erdhöhle einschneien ließen. Obwohl Orimedes jeden mit schweren Strafen bedrohte, der den Flüchtlingen half, gab es viele Stämme, die ihnen für eine Nacht oder zwei Zuflucht gewährten oder ihnen zumindest Vorräte zusteckten, wenn sie den beiden begegneten. Nur einen Winter dauerte es, Nestheus und Kirta zu einer Legende unter den freien Stämmen des Windlands werden zu lassen. Denn das Volk der Steppe liebt Geschichten von unbeugsamen Rebellen, die ihre Freiheit nicht opfern wollen.