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Es war während eines der ersten Frühlingstage, dass Nestheus und Kirta am kiesigen Ufer des Swatja von drei Verfemten gestellt wurden, Kentaurenkriegern, die von ihren Stämmen verstoßen worden waren und nun als Räuber und Söldner lebten. Ohne die Gefahr zu scheuen, griff Nestheus sie an und besiegte sie alle drei, doch erhielt Kirta einen Schwertstich in den Rücken, und Blut füllte ihre Lunge, um sie langsam zu ersticken.

Unfähig, sie zu retten, hielt Nestheus seine Geliebte in den Armen. Ein drittes Mal rief er den Sanhalla um Hilfe an. Doch die Winde sind launisch. Der Sanhalla erschien, aber statt Kirta zu heilen, prophezeite er Nestheus dessen Zukunft. Er sagte ihm, wenn Kirta nun in seinen Armen stürbe, dann werde er nach langer Trauerzeit zu einem weisen Mann reifen, dessen Name man noch in hundert Jahrhunderten überall in Albenmark schätzen würde. Würde er aber dafür sorgen, dass Kirta für immer bei ihm wäre, dann würde er seinen eigenen Vater töten und zum ersten König der Kentauren werden. Doch seine Herrschaft werde von Unruhen bestimmt sein, und er werde niemals Kinder zeugen. Ohne zu zögern antwortete Nestheus, dass er alles erdulden werde, wenn nur Kirta wieder bei ihm sei. So wirkte der Südwind sein drittes Wunder, und Nestheus atmete das Lebenslicht der sterbenden Kentaurin ein. Und fortan wohnte Kirta in seinem Herzen, und er konnte ihre Stimme hören, auch wenn sie außer ihm niemand wahrzunehmen vermochte.

Und es kam, wie der Sanhalla vorhergesagt hatte. Nestheus suchte in seinem Schmerz seinen Vater auf und erschlug Orimedes in dessen Lager. Und niemand aus dem Gefolge des Fürsten hob eine Hand, um Orimedes zu helfen. Dann gelobten sie Nestheus die Treue. Mit den Jahren gelang es dem jungen Krieger, alle Stämme der Steppe zu einen, und zuletzt unterwarfen sich ihm sogar die Uttiker. Doch fand Nestheus niemals eine Stute, mit der er einen Erben zeugen konnte. Nicht, dass es an Bewerberinnen um seine Gunst gefehlt hätte. Doch blieb der Kentaur bis ans Ende seiner Tage der Geliebten treu, die in seinem Herzen wohnte. Und so verlosch das Königsgeschlecht, das er begründet hatte, am Tag seines Todes. Die Sage von Nestheus und Kirta aber blieb unsterblich, auch wenn ihre Liebesgeschichte nur einen Winter gedauert hatte. Und es heißt, wenn im Frühling der Sanhalla warm von Süden weht und das Eis des Swatja bricht, dann könne man manchmal zwei weiße Kentauren am kiesigen Ufer sehen, und wem sie begegneten, der werde noch vor Ende des Sommers seine Hochzeit feiern.«

Zitiert nach:
Sagen und Märchen des Windlands,
gesammelt und niedergeschrieben von Meister Etain,
3. Band der Märchen Albenmarks, s. 117 FF.

Letzte Ehre

Trotz des Schneegestöbers waren hunderte Gäste zur Totenfeier gekommen. Manche von ihnen lagerten schon seit Tagen bei dem Grabhügel und warteten.

Melvyn hatte die Nachricht vom Tod des Kentaurenfürsten in Alvemer erreicht. Mehr als drei Monde hatte er vergebens nach Shandral gesucht. Es schien, als habe sich die Erde aufgetan, um den Elfen und sein Koboldgefolge zu verschlingen. Niemand wusste, wohin er geflohen war. Es gab dutzende Gerüchte, und Melvyn war jedem einzelnen nachgegangen, ohne Shandral finden zu können. Die Schar seiner Männer war zusammengeschmolzen; es waren nur mehr so viele geblieben, wie die großen Adler tragen konnten. Elodrin hatte ihm die meisten Maurawan abgeworben: Kriegerinnen und Krieger, mit denen er schon seit Jahren zusammen gekämpft hatte. Mit jeder neuen Schreckensnachricht vom Vormarsch der Trolle wurde der Widerstand, noch länger nach Leylin zu suchen, stärker. Seine Gefährten wollten sich dem Heer der Königin anschließen, das sich im Herzland sammelte, oder den Rebellen, die unter der Führung von Gräfin Caileen verzweifelt versuchten, den Vormarsch der Trolle zu verzögern. Ihr Widerstand war in Melvyns Augen so sinnlos wie der Versuch, mit ausgebreiteten Armen eine Lawine aus Schnee und Eis aufhalten zu wollen, die den Hang eines Berges herunterdonnerte.

Trotz der Angriffe durch Krähen war er zweimal über die Marschkolonnen der Trolle hinweggeflogen. Nie zuvor hatte er ein so riesiges Heer gesehen. Wie ein endloser schwarzer Wurm wand sich das Heer des jungen Königs durch die verschneite Steppe. Und nichts schien es aufhalten zu können. Ihr Marschweg war seltsam unberechenbar. Die Hauptrichtung führte sie zwar nach Süden, aber immer wieder schwenkten sie nach Osten oder Westen ab, ohne dass zu erkennen war, welches Ziel sie dabei verfolgten. Caileen hatte tausende Kentauren um sich geschart, um die Nachschubkolonnen zu überfallen, die das Heer versorgen mussten. Doch es kam kein Nachschub. Es war vollkommen unerklärlich, wovon sich die Trolle ernährten. Nur eines war sicher. Ihre Krieger waren gut bei Kräften, und ihr Vormarsch war schneller, als man sich erklären konnte. Sie zersplitterten ihre Truppen auch nicht, um den Herden der Kentauren nachzusetzen oder die Städte Alvemers zu bestürmen. Nach der Eroberung von Feylanviek hatten sie all ihre Krieger zusammengezogen und ihren unaufhaltsamen Marsch auf das Herzland begonnen.

Sie waren nun weniger als zwei Wochen von Talsin entfernt. Melvyn war tags zuvor in der Stadt gewesen und hatte die Panik erlebt. Wer konnte, packte seine Sachen. Doch die tief verschneiten Pässe der Mondberge würden wohl nicht weniger Opfer fordern als die Besetzung der Stadt durch die Trolle. Die ganze Welt schien in Auflösung begriffen. Es gab keine Hoffnung. Niemand begriff, warum Emerelle nicht ihre Burg verließ. Sie hätte in Talsin sein sollen oder Gräfin Caileen besuchen, um sie an den Gehorsam zu erinnern, den sie ihr schuldete. Oder zumindest hätte sie das neue Heer aufsuchen müssen, das sich bei der Shalyn Falah sammelte, um den Kriegern Mut zu machen. Stattdessen hatte sie lediglich eine Reihe der bedeutendsten Elfenfamilien Albenmarks samt ihren Kindern zu sich an den Hof befohlen. Ein Hof, der ein Hort der Schatten und der Angst geworden war, seit Alathaia dort Einzug gehalten hatte.

In der Ferne hörte man den klagenden Ruf der Luren. Als Kentauren in das Lager beim Grabhügel geprescht waren, um die nahe Ankunft des Fürsten zu verkünden, waren alle Gäste aufgebrochen. In einer Doppelreihe vermummter Gestalten standen sie Spalier entlang des Weges, der zum Eingang der Fürstengruft führte. Der Schnee blieb auf ihren Umhängen und Mänteln haften und verwischte die Unterschiede zwischen Arm und Reich, je länger sie warteten.

Melvyn war erstaunt, wie viele gekommen waren, um von Orimedes Abschied zu nehmen, obwohl der Fürst der Kentauren sich in den letzten Monden in einen grausamen Tyrannen verwandelt hatte, den angeblich sogar seine ältesten Kampfgefährten gefürchtet hatten.

Auch Meister Alvias war unter den Gästen. Er verhandelte mit Caileen, die ebenfalls mit ihren Rebellen gekommen war. Ajax, der Minotaurenfürst aus den Mondbergen, hatte sich selbst von den zugeschneiten Pässen nicht aufhalten lassen und war mit großem Gefolge erschienen, um von Orimedes Abschied zu nehmen. Von den Heerführern, die im vergangenen Sommer in Feylanviek versammelt gewesen waren, fehlten nur Shandral und Elodrin. Selbst Katander von Uttika war mit einer Ehrengarde in Bronze gewappneter Krieger erschienen.

Neben Melvyn stand Senthor, der Kentaurenveteran aus Phylangan, der am Mordstein die Nachricht von Ollowains Tod überbracht hatte. Der alte Krieger trug eine schäbige Pelzweste. Seine Arme waren nackt und blau vor Kälte. Senthor rannen die Tränen über die Wangen. Er schien sich seiner Trauer nicht zu schämen. In der Rechten hielt er einen Dolch. Fast alle Kentauren unter den Gästen hielten eine blanke Waffe in der Hand.