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Klaves sah sich um. Vielleicht sollte er Elija raten, mit der Herde nur noch bei Nacht zu wandern? Dann käme man auch schneller voran, und man müsste nicht durch die Tore gehen.

Ganda kauerte sich neben ihm auf das Fell. Sie hatte einen dampfenden, in Lumpen eingeschlagenen Topf mitgebracht.

Dankbar wärmte sich Klaves die Hände an dem Topf. Dann trank er vorsichtig in kleinen Schlucken. Es schmeckte köstlich. Und die Wärme kroch jetzt auch tief in sein Inneres. Es schneite nur wenig in dieser Nacht, dafür strich ein eisiger Wind von Norden her über die Ebenen. Trotz der warmen Kleider hatte die Kälte seine Glieder ganz taub werden lassen.

Ganda sprach kein Wort. Sie saß einfach nur neben ihm und sah ihn an. So verhielt sie sich fast immer. Und sie sah traurig aus dabei. Manchmal schnitt er Grimassen, damit sie lachte. Bei den Kindern half das immer. Klaves konnte nicht recht verstehen, was er falsch gemacht hatte, dass Ganda bei ihm immer so traurig schaute. Bestimmt hatte er etwas falsch gemacht! Er war ja dumm!

Eine Bewegung im Schnee lenkte ihn ab. Er presste die Lippen zusammen und duckte sich tiefer in sein Versteck. Elija hatte wieder einmal vorhergesehen, was geschehen würde. Er war eben klug. Obwohl sich der Schleicher wie ein Hund auf allen vieren bewegte, erkannte Klaves ihn sofort wieder. Eigenartiger Kerl. Heute Nachmittag war er ganz anders gegangen. Da war Klaves froh gewesen, ein mal jemanden zu sehen, der so war wie er. Es tat gut zu wissen, dass inmitten all der Lutin, Trolltrottel, Hörnerträger und Pferdemänner noch ein zweites Geschöpf herumlief, das so war wie er.

Als er die auseinander brechenden Pferdemänner gesehen hatte, hatte er kurz geglaubt, dass es viele wie ihn gab. Aber dann war ihm aufgegangen, dass er sich irrte. Die konnten zaubern! Und die konnten Pferdebeine für sich laufen lassen, damit sie nicht müde wurden. Sie waren ganz anders als er. Auch wenn sie ihm äußerlich ein wenig ähnlich sahen. Und auch der Schleicher war anders. Er mochte vielleicht dumm sein, dachte Klaves. Aber wie ein Hund war er noch nie gelaufen!

Böiger Wind fegte über das tief verschneite Land und trieb weiße Schneeschleier vor sich her. Es gab da noch eine Sache, die er den Pelzköpfen voraushatte, dachte Klaves stolz. Er konnte auf dem verharschten Schnee gehen, ohne einzusinken. Er vermochte sich fast lautlos zu bewegen. Es war an der Zeit, den Schleicher zu stellen, bevor er es noch ins Lager schaffte.

»Pass auf dich auf«, sagte Ganda leise.

Klaves lächelte. Dann wurde ihm klar, dass sein Gesicht ja hinter der weißen Maske verborgen war. Sie konnte es nicht sehen. Er zog sein langes Messer und lief geduckt los.

Plötzlich blieb der Schleicher stehen.

Klaves ließ sich zu Boden gleiten und drückte sich in den Schnee wie ein Kaninchen, das hoffte, sich vor dem Falken hoch am Himmel zu verbergen.

Der Schleicher hob den Kopf. So bewegte sich ein Hund, der Witterung aufnahm. Klaves war erstaunt. Der Fremde im Schnee sah ihm ähnlicher als jedes andere Geschöpf, das ihm bislang begegnet war. Wenn er sich nur nicht wie ein Hund verhalten würde! Bestimmt war er auch ein Diener, ging es Klaves durch den Kopf. Aber wer mochten seine Herren sein?

Schade, dass er ihn töten musste. Viel lieber hätte er mit ihm geredet. Vielleicht würde er nie wieder einem Geschöpf begegnen, das ihm so sehr ähnelte? Vielleicht war er der Einzige, der noch so war wie er?

Der Schleicher ließ lange Krallen aus seinen Armen gleiten. Klaves hielt erschrocken die Luft an. Was für ein Zauber war das denn nun?

Auf eine Antwort brauchte er nicht lange warten. Der Schleicher hatte ihn entdeckt. Vorsichtig, halb geduckt kam er näher.

»Was willst du hier?«

»Elija sagt, ich soll dich totmachen wie den Trolltrottel.«

Die Worte ließen den Schleicher ganz ungerührt. »Und, wirst du es versuchen?« Klaves war unschlüssig. Sollte er wirklich das einzige Geschöpf totmachen, das ein bisschen so war wie er? Der Schleicher hatte sogar sonnenfarbenes Kopffell, so wie er selbst es hatte. »Geh weg! Komm nicht zur Herde!«

»Warum?«

»Elija will das nicht.«

Der Schleicher legte den Kopf schief. Schneeflocken hatten sich in seinem schönen Kopffell verfangen. »Und du glaubst wirklich, du kannst mich ... totmachen, du eselsohriger Trottel?«

»Das sind Pferdeohren«, berichtigte ihn Klaves.

Ohne Vorwarnung griff der Schleicher an. Er war viel schneller als der Trolltrottel, den Klaves aufgeschnitten hatte. Die langen Krallen wollten ihm das Herz herausreißen.

Klaves ließ sich nach hinten fallen. Dennoch glitt Stahl über seine Rippen. Er fühlte keinen Schmerz. Nur warmes Blut, das in seine schönen neuen Kleider sickerte.

Er landete auf dem Rücken im Schnee, rollte sich seitlich ab und war sofort wieder auf den Beinen. Sein langes Messer fing eine Krallenhand ab.

Der Schleicher versuchte, ihm das Messer aus der Hand zu drehen, indem er es zwischen den Krallen verkantete. Gleichzeitig holte er mit der anderen Hand zu einem Hieb aus, der auf Klaves‘ Bauch zielte.

Der Diener erinnerte sich an das Gesicht des Trolltrottels, als ihm die bläulichen Schlangen aus dem Leib gefallen waren. So würde er nicht sterben. Statt zurückzuweichen, machte er einen Schritt vor und blockierte den Angriff mit seinem Arm. Dann beugte er sich zur Seite und legte all seine Kraft in die Bewegung.

Ein trockenes Knacken erklang. Der Schleicher stieß einen erstickten Schrei aus.

Der Schleicher war ein guter Totmacher. Er sprang zurück. Sein linker Arm, dessen Krallen eben noch das lange Messer gefangen gehalten hatten, hing schlaff herab. Trotzdem wollte er wohl nicht versuchen davonzulaufen.

Das Blut, das seine schönen Kleider durchtränkt hatte, war inzwischen kalt wie Eis. Klaves fühlte sich ein wenig schwindelig. Es würde schwer werden, den Schleicher noch bis in das Lager der Hörnermänner zu tragen, wie Elija befohlen hatte.

Klaves drückte die Linke auf seine Brust. Blut quoll ihm durch die Finger. Seine Kleider knisterten, wo sich dünne, rote Eiskrusten gebildet hatten. Er musste jetzt schnell machen.

Der verdammte Schleicher dachte nicht daran davonzulaufen! Hätte er das getan, dann wäre er ihm nicht gefolgt, auch wenn Elija dann böse geworden wäre.

Der Schleicher griff erneut an. Er holte weit aus und wollte ihm den Bauch aufreißen. Klaves trat ein wenig zur Seite. Mit tödlicher Geschwindigkeit wechselte der Schleicher die Schlagrichtung, und seine Krallen schnellten hoch, um ihm die Kehle zu zerfetzen.

Stahl prallte auf Stahl. Klaves hatte dem Hieb nicht alle Wucht nehmen können. Die Krallen kratzen über sein Kinn.

Einen Moment lang sahen sie einander in die Augen. Klaves sah die Wut im Gesicht seines Gegners. »Wer bist du?«

»Klaves, der Totmacher.« Er versetzte dem Schleicher einen Fausthieb auf den gebrochenen Arm. Der Kerl stöhnte. Seine rechte Krallenhand ruckte vor, aber Klaves hielt mit seinem langen Messer dagegen. In stummer Wut maßen sie ihre Kräfte.

Dann plötzlich zog sich der Schleicher zurück. Ein wenig zu langsam.

Das lange Messer beschrieb einen blitzenden Bogen. Der Schleicher versuchte noch, den Angriff abzuwehren. Wieder schrammte Stahl auf Stahl. Das lange Messer drehte sich ein wenig. Fast wäre es Klaves aus der Hand gerissen worden. Dann traf es den Kopf des Schleichers.

Der Kerl wurde zur Seite gerissen und stürzte in den Schnee.

Klaves war übel. Er mochte den Schleicher nicht ansehen. Er hatte auch nicht die Kraft, ihn zu den Hörnermännern zu schleppen. Er beugte sich vor und schnitt zum Beweis für seinen Sieg die Krallenhände ab.

Ein haufen Steine

Der Nebel verbarg den großen Segler und die beiden Galeeren, die fast lautlos durch das schwarze Wasser des Fjords glitten. Ein weißer Falke landete auf der Reling des Dreimasters Meerwanderer. Elodrin spürte, wie ihn die bernsteinfarbenen Augen des Tiers mit zu viel Verstand taxierten. Der Falke blinzelte.