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»Ganze Heerscharen haben sich bemüht, die Nachschubkarawanen der Trolle aufzuspüren«, brach Melvyn das Schweigen.

»Nun wissen wir endlich, wo wir suchen müssen. Endlich können wir anfangen, ihnen Probleme zu bereiten!«

»Wir werden nicht die Gräber unserer Ahnen schänden!«, sagte Nestheus entschieden.

Der Elf hatte mit diesem Einwand gerechnet. »Sie haben die Steppe ohnehin fast überwunden. Aber es muss noch weitere Vorratslager geben. Auf den Ebenen des Windlands gab es nicht viele Verstecke, die sie nutzen konnten. In den Mondbergen und in den weiten Wäldern Arkadiens sieht das anders aus. Es gibt natürliche Höhlen, Burgruinen und die Gewölbekeller verlassener Gutshäuser. Ihre Zauber, den sie auf die Kentaurenfürsten gelegt haben, können sie überall wirken. Diese Verstecke müssen wir ausfindig machen und das Fleisch darin vernichten. Nun, da sie schon so weit vorgestoßen sind, werden wir sie wohl nicht mehr daran hindern können, das Herzland zu erreichen, aber wir können versuchen, ihnen den Weg dorthin so schwer wie möglich zu machen.«

Caileen sah ihn fest an. Ihr Gesicht war zu einer ausdruckslosen Maske erstarrt. »Wir werden sie ziehen lassen.«

»Was?« Melvyn richtete sich ruckartig auf seinem Lager auf und zuckte vor Schmerz zusammen. »Was gibt es da zu überlegen? Endlich sind wir ihnen einen Schritt voraus. Wenn wir die geheimen Vorratslager entdecken, dann wissen wir, wohin sie gehen werden. Wir können ihnen Hinterhalte legen, und wir können ...«

»Nein«, sagte Caileen entschieden. »Deine Nachricht kommt zu spät. Meister Alvias war im Auftrag der Königin auf dem Leichenschmaus für Orimedes. Während du bewusstlos warst, haben wir mit ihm verhandelt. Wir können nur dann hoffen, die Trolle zu besiegen, wenn sich alle Kämpfer Albenmarks einem Befehl unterwerfen. Emerelle hat mir meine Rebellion vergeben. Die Bedingung war, dass ich von nun an ihren Befehlen gehorche. Ich bin mit meinen Reitern nur deshalb noch hier, weil wir den Flüchtlingen helfen. Die Königin hat uns befohlen, den Trollen keinen Widerstand mehr zu leisten. Wir werden uns bis zur Shalyn Falah zurückziehen. Dort hat sie die Trolle schon einmal besiegt. Auch diesmal soll die Entscheidung bei der weißen Brücke fallen.«

Melvyn konnte es nicht fassen. »Aber wir haben die Gelegenheit, die Trolle zu schwächen! Wenn wir ihnen die Vorräte nehmen, dann wird es leichter werden, sie zu besiegen. Und mit jedem Tag, um den wir ihren Vormarsch verlangsamen, wird Emerelles Heer weiter wachsen. Es wäre töricht, unseren Vorteil nicht zu nutzen.«

»Die Befehle der Königin sind eindeutig«, beharrte Caileen.

»Sie tut es, um das Land zu schonen. Wenn wir den Trollen ihre Vorräte nehmen, dann werden sie plündern müssen. Sie werden langsamer vorrücken, und ihr Heer wird sich auf eine größere Fläche verteilen. Alles, was ihnen fehlt, werden sie aus dem Land nehmen. Dörfer und Städte, die ansonsten ungeschoren geblieben wären, werden dann von ihnen heimgesucht. Wir werden auch Talsin kampflos aufgeben, obwohl es leichter zu verteidigen ist als Feylanviek.« Sie machte eine kurze Pause.

»Und wir werden die Lagerhäuser den Trollen überlassen.«

Melvyn konnte nicht fassen, was er da hörte. Sogar Artaxas legte keinen Widerspruch ein. »Und was meint Elodrin?«

»Die Königin hat ihn und alle, die mit ihm sind, für vogelfrei erklärt. Er hat mit einigen Schiffen Reilimee verlassen. Niemand weiß, wohin er gesegelt ist. Emerelle hat einen neuen Fürsten für Alvemer berufen.«

Der Wolfelf lächelte zynisch. »Kaum übernimmt sie das Kommando, setzt sich ihr bester verbliebener Feldherr ab. Vielleicht wäre es besser für mich gewesen, noch weiter ohnmächtig zu sein. Dann wäre es mir zumindest erspart geblieben, all diesen Unsinn mitzuerleben. Hat sie auch Befehle für mich?«

Caileens Gesicht blieb unbewegt. »Keine Befehle ... Offenbar hat Obilee der Königin von Shandrals Verbrechen berichtet. Auch er ist für vogelfrei erklärt worden, und Emerelle hat dir ein Geschenk schicken lassen.« Sie winkte einem der Krieger, der sie begleitet hatte, und dieser stellte die kleine Truhe, die er mitgebracht hatte, auf Melvyns Bettstatt.

Der Wolfself hob hilflos seine bandagierten Hände. Wenn Emerelle glaubte, sie könne ihn einfach kaufen, dann hatte sie sich geirrt. Mochten die anderen nur nach ihrer Pfeife tanzen! Er war sein eigener Herr!

»Darf ich die Truhe für dich öffnen?«, fragte Caileen. Melvyn zögerte kurz. Nein, es sollten ruhig alle sehen, wie er das Geschenk zurückwies!

»Nur zu.«

Die Gräfin zerbrach die beiden Siegel und klappte den Truhendeckel zurück. Auf einem Samtkissen lagen zwei wulstige Armschienen. Adler mit ausgebreiteten Schwingen waren als Schmuck in das Leder geprägt. Melvyn traute seinen Augen kaum. Woher wusste sie, dass er seine Waffen verloren hatte? War das Geschenk eine Aufforderung, Shandral zu richten?

»Die Königin lässt dir auch mitteilen, dass sie sich sehr freuen würde, dich an ihrem Hof zu empfangen, sobald du deine Angelegenheiten gerichtet hast.«

Melvyn horchte auf. »Waren das ihre Worte? Meine Angelegenheiten gerichtet?«

Die Andeutung eines Lächelns spielte um Caileens Lippen.

»Es waren die Worte ihrer Botin Obilee. Doch ich glaube, die fahrende Ritterin wiederholte wörtlich die Botschaft der Königin. Mir scheint, dass Obilee von dir sehr angetan war. Offenbar wusste sie der Königin nur Gutes über dich zu berichten.«

Melvyn betrachtete nachdenklich sein Geschenk. Er hatte Gerüchte gehört, dass Emerelle in die Zukunft sehen konnte. Vielleicht ergaben ihre eigenwilligen Befehle ja doch einen Sinn?

Ein Ort, nicht für Menschen geschaffen

Lambi stand auf, als er sie kommen sah. Kadlin versteifte sich und ballte die Fäuste. Sie würde sich von ihm nichts sagen lassen! Mit diesem hässlichen alten Kerl würde sie fertig, dachte sie und wusste es besser, konnte sie sich doch vor Schwäche kaum auf den Beinen halten.

Sie wollte es mit eigenen Augen gesehen haben. Gegen jede Vernunft hoffte sie, das alles sei nur ein böser Traum. Sie betete zu den Göttern, dass sie gleich in Björns kleiner Kammer auf der Burg aufwachen würde. Sie würde spüren, dass die Nacht fast vorüber war, sich lautlos ankleiden und aus dem Zimmer schleichen, um auf der Burgmauer auf das erste silberne Tageslicht zu warten.

»Geh nicht zu ihm«, sagte Lambi mit rauer Stimme. Der alte Krieger sah zum Erbarmen aus. Ein blutiger Verband saß schief auf seiner Stirn. Seine Augen waren rot, und das grässliche Loch, das seine Nase ersetzte, war mit Schleim verklebt. Sein Haar hing ihm in Strähnen auf die Schultern herab. Das Kettenhemd war mit eingetrocknetem Blut bedeckt. Er stank nach Schweiß, Rauch und Tod.

»Du wirst mir nicht ...«

Lambi packte ihre Arme und presste sie ihr an den Leib. Der Herzog war noch erstaunlich stark für sein Alter. Seine Augen starrten. Das Weiß war von blutigen Adern durchzogen. »Geh nicht zu ihm! Es ist besser, Mädchen. Behalte ihn in ...« Er stockte. Tränen rannen ihm über die Wangen. »Behalte ihn in Erinnerung wie ...« Wieder brach er ab. Er drückte sein Gesicht gegen ihre Brust. Seine Schultern bebten. Er schluchzte leise. »Ich wünschte, mich hätte jemand zurückgehalten. Ich ...« Er ließ sie los und sah ihr gerade ins Gesicht. Sein Kinn bebte. Er rang um Worte. »Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich bin froh, dass er dich gehabt hat. Er hätte sonst niemals ... Du hast ihn die Liebe erfahren lassen. Man sollte nicht zu den Göttern gehen, ohne geliebt zu haben.«

Kadlin hatte keine Tränen mehr. Sie sah den alten Herzog nur an. Seine Worte berührten sie, aber sie war unfähig, ihre Gefühle noch zu zeigen.

»Ich habe ihn nie so glücklich erlebt wie in den letzten Monden. Es tut mir leid, dass ich ... Manche Männer werden auch im Alter nicht weise.«

Kadlin blickte die lange Reihe der mit Decken und Fellen zugedeckten Körper entlang. Es waren so viele ... Und es gab noch zwei andere Tunnel voller Leichen, die man vor dem Sturm vom Schlachtfeld geholt hatte. Kalf hatte sie schon gefunden.