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»Führen sie dort nicht einen großen Krieg?«

»Kriegen kann man davonlaufen, Kadlin. Glaube mir, ich bin ganz gut im Davonlaufen. Ich will nicht zu den Kriegern, ich will zu den Künstlern und Gelehrten. Ich will sehen, ob sie wirklich Paläste aus Licht bauen. Und vom Winter habe ich genug. Meine alten Knochen sehnen sich nach einer Frühlingssonne, die wärmer scheint als die im Fjordland.« Er klopfte auf das Buch. »Auch hoffe ich, jemanden zu finden, der das hier lesen kann. Ich habe es in einer Kammer ganz oben im Turm gefunden. Ich glaube, es ist das einzige Buch hier. Dass diese Menschenfresser Bücher schreiben ... Ich wüsste zu gern, was darin steht. Was sie wohl zu sagen haben?« Kadlin schloss die Augen und dachte an den Frühling in den Bergen. Der Schmerz überwältigte sie. Wohin auch immer sie gehen würde, jeder Wald, jeder Hang, jeder Gipfel würde sie an die Jagdausflüge mit ihrem Vater erinnern.

Kalf und Björn waren ihr Leben gewesen, der Mittelpunkt all ihrer Gedanken. Sie waren mit allem verknüpft, was der Erinnerung wert war. Ohne sie würde es nur noch Traurigkeit in ihrem Leben geben. Vielleicht vermochte die wundersame Welt der Elfen diesen Schmerz zu lindern. Aus den Tagen mit Silwyna kannte sie viele Geschichten über Albenmark. Sie verstand sogar ein wenig von deren Sprache.

»Graf Fenryl würde dich wirklich mitnehmen?«

»Er scheint sich auch für das Trollbuch zu interessieren. Ich glaube, er ist nicht nur ein Krieger, sondern auch ein gelehrter Mann. Wir Gelehrten finden überall zusammen.«

»Aber ich bin keine Gelehrte«, wandte Kadlin ein.

Gundaher lächelte. »Das müssen wir ihm ja nicht verraten.«

Totenfeuer

Als die schweren Masten sich neigten und die Rahen durch die lichterloh brennenden Decks schlugen, begann das große Schiff zu sinken. Fauchend brach Wasser in die Stauräume ein. Weißer Dampf, gesprenkelt von glühenden Funken, stieg dem Nachthimmel entgegen. Das sterbende Schiff stieß tiefe, grollende Laute aus, als das Wasser immer weitere Decks überflutete. Die verlöschenden Flammen fauchten.

Elodrin stand mit verschränkten Armen auf der steinernen Mole, die sich unterhalb der Nachtzinne in die Bucht erstreckte. Seine Getreuen waren in langem Spalier angetreten, um von den Toten feierlich Abschied zu nehmen. Das größte der Trollschiffe war ausgewählt worden, um den Gefallenen der Menschen und Elfen als Scheiterhaufen zu dienen.

Feuerbecken standen am Rand der Mole. Sie wurden flankiert von den drei Dutzend Eingeweihten. Die meisten von ihnen waren Maurawan. Auf ihren unverbrüchlichen Hass gegen die Trolle konnte man sich verlassen. Sie würden keinen Befehl verweigern!

Als die brennende Galeasse schon tief im Wasser lag, kam der König der Menschen und verabschiedete sich. Elodrin kannte Alfadas noch aus der Zeit, in der er am Hof der Elfenkönigin geweilt hatte. Es war erschütternd zu sehen, welche Verwüstungen so wenige Jahre bei einem Menschen anstellen konnten. Vielleicht ein Vierteljahrhundert war vergangen, seit er den jungen, selbstbewussten Alfadas das letzte Mal gesehen hatte. Nun stand ein verhärmter alter Mann vor ihm.

Alfadas fand nur wenige, kühle Abschiedsworte. Der Seefürst konnte ihn verstehen. Zu teuer hatten die Menschen für den Sieg über die Trolle bezahlt. Kaum mehr als fünfhundert von ihnen würden zurückkehren. Dreihundert waren so schwer verletzt, dass sie den Weg zum Albenstern nicht mehr aus eigener Kraft schaffen konnten. Sie würden an Bord der Meerwanderer in ihre Heimat gelangen. Der Dreimaster war mit Verwundeten überfüllt.

Es war Elodrin leicht gefallen, Alfadas diese Hilfe anzubieten. Der Seefürst hatte es nicht eilig, nach Albenmark zu gelangen. Er wusste, dass Emerelle ihm nicht verzeihen würde. Er blickte zu den vier schwarzen Galeassen, die noch an der Mole lagen. Er selbst würde sich nicht verzeihen können. Doch Kriege folgten ihren eigenen Gesetzen, und wer kein Blut sehen konnte, der sollte nicht nach dem Schwert greifen, sondern sich lieber gleich unterwerfen.

Es war ein trauriges Häuflein, das sich auf den Rückweg zum Albenstern machte, durch den sie hierher gekommen waren. In zwei Tagen würden sie die Nachricht vom Sieg, der zu blutig gewesen war, um gefeiert zu werden, in ihre Heimat tragen.

Es begann wieder zu schneien. Schnell verschluckten die Nacht und das wirbelnde Weiß die Geschlagenen. Ob ihr König schon ahnte, in welchem Ausmaß sie für ihren Sieg würden zahlen müssen?

Elodrin winkte Fenryl zu. »Bringt die Gefangenen auf die Schiffe!« Selbst die Alten, die Weiber und die Kinder hatten Widerstand geleistet, als er die Nachtzinne erstürmt hatte. Natürlich waren sie der Elite der Fechter Albenmarks nicht gewachsen gewesen, aber es hatte viel Blut vergossen werden müssen, bis sie das eingesehen und sich ergeben hatten. In den langen Tunneln und den Hallen des Felsennests war den Trollen nicht klar geworden, mit wie wenigen Angreifern sie es zu tun gehabt hatten. So hatten seine fünfzig auserwählten Krieger zuletzt mehr als siebenhundert Trolle gefangen gesetzt. Es war wie damals in der Schlacht an der Shalyn Falah gewesen, als sie ein überlegenes Trollheer getäuscht und gesiegt hatten, obwohl ihre Lage im Grunde hoffnungslos gewesen war.

Elodrin verschränkte die Finger ineinander und drückte die Hände durch. Er hatte das, was geschehen sollte, schon sehr lange geplant. Sein Gewissen plagte ihn deshalb nicht. Es war logisch, so zu verfahren. Aber würden seine Befehle ausgeführt werden? Das, was nun geschehen sollte, war der eigentliche Grund dafür, dass er sich bemüht hatte, so viele Maurawan wie möglich zu rekrutieren. Sie waren aufsässig und fügten sich schlecht in die Befehlshierarchien eines Heeres ein. Aber sie galten auch als besonders gnadenlos. Sie hatten ebenso wenig Gewissenbisse, wie er sie hatte. Die Trolle hatten ihre heiligen Haine geschändet und damit begonnen, ihre Wälder abzuholzen.

Elodrin winkte den Ruderern der beiden Galeeren zu. Es war abgesprochen, die beiden Galeassen, die von den Trollen besetzt werden sollten, in die Mitte der Bucht zu schleppen. Trolle fürchteten tiefes Wasser, denn sie versanken darin wie Steine. Keiner von ihnen würde einen Fluchtversuch unternehmen.

Der Seefürst ging zu den Gefangenen hinüber. Sie stanken erbärmlich! Er betrachtete ihre derben Gesichter. Was mochte die Alben veranlasst haben, solche grobschlächtigen Ungeheuer zu erschaffen?

Graf Fenryl kam zu ihm hinüber. Der Elf aus dem Volk der Normirga war nützlich, aber ein wenig affektiert. Stets trug er Weiß, so als wolle er Ollowain nachahmen. Auch seine Vorstellungen von ritterlichen Tugenden waren überaus störend.

»Orgrims Weib ist unter den Gefangenen.« Mit nichts anderem hatte Elodrin gerechnet. Schließlich war die Nachtzinne seine Burg. Der Ort, den er für den sichersten in diesem Krieg gehalten hatte.

»Ich weiß«, entgegnete der Seefürst, ohne sich die Mühe zu machen, Überraschung zu heucheln. »Aber niemand verrät, wer sie ist. Es sind wohl auch einige Konkubinen und etliche Kinder des Feldherrn anwesend.«

»Mit diesen Geiseln können wir ihn sicher zu Verhandlungen zwingen.«

Elodrin hob eine Braue. Unfassbar, wie naiv der Kerl war.

»Und was erreichen wir? Wir haben vielleicht ein paar Jahre Frieden ... In dieser Zeit werden die Trolle noch stärker, und dann fallen sie erneut über die zivilisierten Völker Albenmarks her. Das ist keine Lösung!« Er winkte den Kriegern, die an dem hölzernen Steg standen, der hinauf zum ersten Schiff führte.

»Bring mir diesen großen Kerl da!« Er deutete auf einen besonders massigen Troll, der ihn die ganze Zeit über mit Blicken wie Messerstichen bedacht hatte.

Seine Befehle wurden ohne Zögern ausgeführt. Vier Speerträger eskortierten den Troll. Ihre Waffen hielten sie drohend auf seine Kehle gerichtet.