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Auch die Ruder der zweiten Galeere verharrten. Die Lotsen schwiegen. Alle an Bord der drei Schiffe lauschten. Leises Kratzen erklang. Eis, das an der Bordwand entlangschrammte. Dann war in der Ferne wieder ein Rumpeln zu hören. Etwas stürzte ins Wasser.

Fenryl hielt den Atem an. Zu leise, dachte er. Das ist keine Gefahr.

Er wollte den Ruderern schon befehlen, sich wieder in die Riemen zu legen, als er eine lang gezogene Stimme hörte. Dunkel, fremd und zugleich auch vertraut. Die Stimme eines Trolls. Fenryl kannte die Sprache seiner Feinde gut genug, um zu wissen, dass dort jemand zehn Faden gerufen hatte.

Die Gedanken des Grafen überschlugen sich. Mindestens ein feindliches Schiff kam ihnen entgegen. Die Elfengaleeren waren schnell und wendig, aber mit der Meerwanderer im Schlepp bestand keine Hoffnung, den Trollen zu entkommen.

Das rothaarige Menschenmädchen, das ein Stück entfernt an der Reling kauerte, sah ihn mit leerem Blick an. Sie war seltsam. Seit dem Massaker in der Hafenbucht hatte sie kein Wort gesprochen. Wer mochte ihr das verübeln? Ihr Gefährte, der Baumeister, saß still, den Kopf nach vorn gebeugt. Seine Lippen bewegten sich unablässig. Er schien zu beten. Dies war die Welt der Menschen. Vielleicht half es, ihre Götter anzuflehen.

»Zwölf Faden!«, rief der Trolllotse.

Wenn sie etwas Glück hatten, würden die Trolle an ihnen vorbeirudern. Sie hielten sich eindeutig mehr in der Mitte des Fjords, wo das Fahrwasser tiefer war.

Es war kaum sechzehn Jahre her, dass die Trolle die Welt der Menschen verlassen hatten. Vorher waren die Berge und die Fjorde im äußersten Norden der Anderen Welt ihre Heimat gewesen. Sie kannten sich hier besser aus.

»Wir warten«, rief er leise zur zweiten Galeere hinüber.

»Gut!«, kam einige bange Herzschläge später die Antwort.

Ohne Hilfe war die Meerwanderer dazu verdammt, auf der Stelle zu liegen. Mit ihnen musste man sich nicht absprechen. Die schweren Schleppseile erschlafften, als der große Segler näher glitt und dabei immer mehr an Fahrt verlor.

»Elf Faden!«, hörte man den Troll. Und gleich darauf erklang leiser: »Zwölf Faden!« Fenryl fluchte stumm. Noch ein zweites Schiff! Der Graf spürte ein feines Prickeln auf der Haut. Jemand wirkte Magie. Sein Mund wurde trocken. Sein bestes Pferd würde er dafür geben, wenn er wüsste, was jetzt auf den beiden schwarzen Galeassen geschah, die der Nebel vor ihren Blicken verbarg.

Es kam Bewegung in das Weiß. Spiralwirbel glitten wie Schlangendrachen durch den Nebel. Fenryl spürte einen leichten Luftzug auf dem Gesicht. Drei Herzschläge später war daraus eine frische Brise geworden. Er hörte die nassen Segel der Meerwanderer hinter sich im Wind schlagen.

Jetzt hörte Fenryl schon drei Lotsen rufen.

Ein tiefer Laut, der sich in den Bauch grub, hallte über das Wasser. Dann gab es ein Splittern und Tosen, als wolle die Welt zerbrechen. Die Galeeren hoben und senkten sich unter immer höheren Wellen.

Gundaher, der Baumeister, betete nun nicht mehr leise. Mit schreckensweiten Augen bat er seinen Gott Tjured um Hilfe. Bei dem Lärm musste Fenryl ihn nicht zur Ordnung rufen. Womöglich hatten die Menschengötter ihnen sogar tatsächlich geholfen? Hätten sie nicht angehalten, wären sie wohl gefährlich nahe am Gletscher gewesen.

Der Nebel zerriss. Deutlich sah der Elfengraf einen großen, schwarzen Schatten über das Wasser gleiten. Das Deck der Galeasse stand dicht gedrängt voller Trollkrieger.

Immer deutlicher schälten sich die Umrisse des schwarzen Schiffes aus dem Nebel. Er erkannte eine Gestalt, die ganz vorne am Bug stand und wie ein Schwimmer in langsamen Bewegungen die Arme ausbreitete. Eine Schamanin, die den Nebel vertrieb. So also blieben die feindlichen Schiffe in der Mitte der Fahrrinne.

Das Schaukeln der Galeere ließ nach.

Fenryl sah einige der Trolle wild gestikulieren und in Richtung der Galeere deuten. Wer sehen konnte, konnte auch gesehen werden.

»Rudert!«, befahl er, obwohl ihm klar war, dass mit der schweren Meerwanderer im Schlepp nicht die geringste Aussicht bestand, den Trollen zu entkommen.

Die Männer strengten sich verzweifelt an. Die dicken Taue, die sie mit dem Segler verbanden, spannten sich wieder. Doch es war, als seien sie an einen Felsen geschmiedet. Unendlich langsam setzten sie sich in Bewegung, während das vorderste Schiff der Trolle auf sie einschwenkte. Inzwischen konnte Fenryl drei schwarze Galeassen erkennen, die in einer Linie hintereinander fuhren. Auch die Trollschiffe verfügten über eine Reihe Ruderer. Aufgrund ihrer massigen Bauart manövrierten die Galeassen normalerweise viel schwerfälliger als Galeeren.

Eine Fontäne spritzte zwanzig Schritt vor ihnen aus dem Wasser. Einer der Trolle hatte einen faustgroßen Stein geworfen.

»Bogenschützen und Schildträger auf das Vordeck!«, befahl der Graf. Zumindest würden sie nicht kampflos untergehen.

»Fenryl!« Die Stimme ging im Lärm der trampelnden Füße auf Deck fast unter. »Fenryl!« Der Elf drehte sich um. Nun, da sich der Nebel gelichtet hatte, war der große Dreimaster deutlich zu erkennen. Ein Trupp Krieger bemannte gerade das schwenkbare Torsionsgeschütz auf dem Vordeck. Ganz vorne am Rumpf der Meerwanderer stand Nardinel. Sie trug ein weißes Kleid, ihr Haar bewegte sich sanft in der Brise. Sie war so schön, dass es schmerzte, sie anzusehen. Zwei Elfen mit schweren Äxten flankierten sie.

Nardinel wirkte gefasst. »Lebe wohl, Graf.«

»Nein!«, rief Fenryl.

Die Heilerin gab ihrer Eskorte ein Zeichen. Die Äxte sausten nieder.

»Nein! Du könntest mit uns kommen!« Dumpfe Schläge hallten über das Wasser. Polternd schlug ein Stein an Deck. Er richtete zwar keinen Schaden an, aber die Trolle feierten den Treffer mit wildem Gebrüll.

»Ich kann die Verwundeten nicht im Stich lassen.« Sie lächelte traurig. »Uns bleibt die Hoffnung auf Wiedergeburt. Den Menschen nur die Hoffnung auf unsere Treue. Trage unsere Geschichte nach Albenmark. Und bringe den Menschen Schutz, wenn sie für unsere Verbrechen büßen müssen.«

Die Galeere machte einen regelrechten Satz nach vorn, als das dicke Schleppseil durchtrennt war. Einen Moment lang gerieten die Ruderer aus dem Takt. Steine prasselten gegen die Bordwand des Schiffes. Einer der Schildträger wurde von einem Geschoss zu Boden gerissen, rappelte sich aber fluchend wieder auf. Dem Schiff konnten die Steine kaum Schaden zufügen, doch wenn die Trolle noch näher kamen, dann wurden ihre primitiven Wurfgeschosse für die Besatzung gefährlich.

Die zweite Galeere, die dichter bei den Galeassen lag, hatte schon die ersten Ausfälle. Auch sie war nun von der Fessel, die sie an die Meerwanderer gebunden hatte, befreit und versuchte sich dichter an die Steilklippe zu schieben.

Fenryl korrigierte seinen Kurs, damit ihre beiden Schiffe nicht kollidierten. Eine vierte und fünfte Galeasse schälten sich aus dem Nebel. Laute Rufe hallten zwischen den Trollschiffen. Sie alle änderten den Kurs und drehten die Rümpfe in Richtung der Steilwand. Sie würden versuchen, ihnen den Weg abzuschneiden.

»Pullt, Männer! Pullt!«, feuerte Fenryl seine Ruderer an. Auch er brachte die Galeere dichter an die Küste. »Lotse!«

»Sieben Faden!«, erklang es vom Rumpf. Diesmal ganz ohne den üblichen Singsang.

Ein Schildträger eilte an Fenryls Seite. Keinen Augenblick zu früh! Wieder prasselten Steine an Bord. Die Bogenschützen am Bug revanchierten sich mit tödlicheren Geschossen.

Im Nebel voraus zeichnete sich ein weiterer Schemen ab. Er war riesig! Ein Schiffstyp, von dem er noch nicht gehört hatte? Niemand wusste genau, was die Trolle in den letzten Jahren in der Walbucht getrieben hatten. Aber sie hatten sehr viel Holz gebraucht.

»Sechs Faden!«, rief der Lotse.

Fenryl musterte die Klippen. Sie waren weniger als fünfzig Schritt entfernt. Nur wenige grauschwarze Felsen ragten aus dem Wasser. Wie dicht konnte er herangehen?

Ein Stein traf den Schild des Kriegers, der ihn beschützte.

Fenryl hallten die Ohren von dem Treffer. Aus dem Nebel schob sich ein Eisberg. Er war über fünfzig Schritt lang und ragte mehr als zehn Schritt in die Höhe. Ein Gletscherfragment! Kleinere Eisberge umgaben ihn wie eine Herde von Schafen ihren Schäfer.