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Nicht weit entfernt war ein großer, weißer Hund aus dem Wald getreten. Eine seltsame, durchscheinende Gestalt. Ein Mann mit Bocksbeinen lag vor ihm. Der Hund ... er zerrte etwas Leuchtendes aus der Brust des Gestürzten.

Gundaher drehte sich zu ihr um. »Lauf fort, Mädchen. Das sind die Hunde von Jules! Sie haben mich gefunden! Lauf!«

Kadlin schwang sich vom Wagen. Doch sie dachte nicht daran wegzulaufen. Sie war aus ihrer Welt geflohen, weil sie dort alles verloren hatte, was ihr etwas bedeutete. Hier hatte sie sich sofort wieder in einen Flüchtlingszug eingereiht. Es war genug! Sie würde kämpfen. Und wenn es Luth so gefiel, dann würde sie eben sterben! Aber weglaufen würde sie nicht mehr!

Sie zog ihr Schwert und küsste die Klinge. In ihrer Zeit bei den Jägern des Königs hatte sie eine Geschichte über einen Geisterhund gehört, der in das Langhaus des Alfadas gekommen war. Ein Luthpriester hatte das Ungeheuer getötet, indem er den Namen seines Gottes aussprach und es umarmte.

Einige Krieger hatten den Geisterhund umringt, ein Pferdemann, zwei Kobolde und ein Geschöpf, das wie ein aufrecht gehender Stier aussah. Sie stachen mit Speeren nach dem Geisterhund, vermochten die Bestie jedoch nicht zu verletzen. Dann grub sich die Schnauze des Hundes in die Brust des Stiers. Der Gehörnte stieß gurgelnde, abgehackte Schreie aus. Die übrigen Kämpfer gaben auf. Sie ließen die Waffen fallen und liefen davon.

»Luth steh mir bei!«, murmelte Kadlin. Gundaher rief ihr nach, sie solle umkehren.

»Lass mich stark sein, Luth. Lass uns diese unheilige Kreatur aus diesem Land voller Schönheit tilgen.« Der Geisterhund sah sie an. Alle Kraft schien aus ihren Beinen zu fliehen. Sein Blick allein genügte, sie zum Halten zu bringen.

Kadlin blickte auf das Schwert in ihrer Hand. Die Waffen der anderen hatten gegen den Hund nicht geholfen. Aber umarmen würde sie ihn gewiss nicht!

»Gib mir Kraft, Luth! So viele deiner Kinder sind gestorben. Vereine mich mit ihnen, oder lass meine Flucht ein Ende haben und mich den Feind besiegen. Ich lege mein Leben in deine Hand, Schicksalsweber.«

Der Hund ließ von dem Stiergeschöpf ab. Die mächtige Gestalt war in sich zusammengesunken. Sie schien nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen.

Ganz gemächlich kam die Geistererscheinung zu ihr hinüber. Kadlin hörte hinter sich Stimmen rufen.

»Keine Flucht mehr!«, sagte sie leise zu sich und hob das Schwert.

Der Hund schien ihre Waffe spöttisch anzublicken.

Heiße Wut wallte in ihr auf. Als Tochter des Fjordlands galt sie ihm wohl weniger als das niederste Albenkind! Sie machte einen Ausfallschritt. Ihr Schwert schnellte vor, ein Schwert, geweiht durch ihren Glauben an Luth. Eine Waffe, wie es keine zweite in Albenmark gab. Ohne Widerstand glitt sie durch die Geistgestalt. Sprühendes, blaues Licht umspielte die Klinge. Eiseskälte griff nach Kadlins Fingern und kroch ihren Arm hinauf. Auf dem Gras rings herum bildete sich Raureif. Ein seltsamer Geruch wie nach einem Gewitter hing in der Luft.

Der Geisterhund war so groß wie ein einjähriges Fohlen. Sein Maul war weit aufgerissen. Die spitzen Zähne wurden blasser. Der Geist schien blaues Licht zu schwitzen. Der Übermut war aus seinem Blick gewichen. Er sah Kadlin in fassungslosem Entsetzen an.

»Töte ihn, Luth!«, sagte die Jägerin, und die Kreatur verschwand.

Kadlin stand wie versteinert. Nur langsam wich die Kälte aus ihren Gliedern. Eine immer größer werdende Schar von Albenkindern umringte sie. Pferdemänner, Kobolde und Elfen starrten sie an, als sei sie irgendein Wundertier. Dabei war sie doch weit und breit die Einzige, die normal aussah.

Hufschlag ließ sie aufblicken. Graf Fenryl und einige Krieger kamen eilig den Flüchtlingszug entlanggeprescht. Die Menge rief etwas. Dutzende Hände deuteten in ihre Richtung. Fenryl sah sie ungläubig an. »Du hast den Shi-Handan getötet?« Er betrachte ihr Schwert. Auf der Klinge waren Rußschlieren. »Mit diesem Schwert?«

»Ich habe einen Geisterhund getötet. Luth hat dabei meine Hand geführt!« Der Graf hob die Brauen. »Die Königin sollte dich kennen lernen, Kadlin aus dem Fjordland!« Eine Koboldfrau kam auf sie zu und küsste ihr die Hand. Jetzt wagten sich auch die anderen näher. Fingerspitzen berührten sie. Einer der Stiermänner strich ihr sanft über das Haar.

Fenryl lächelte. »Sie halten dich für eine machtvolle Magierin. Sie glauben, etwas von deiner Kraft überträgt sich auf sie, wenn sie dich berühren.« Er wurde ernster. »Willst du lieber allein sein?«

Kadlin wusste es nicht.

Der Aufstand beginnt

Das hatte er kommen sehen! Ärgerlich zerknüllte Madrog den schmalen Pergamentstreifen. Er streute der Taube, die ihm die schlechte Nachricht gebracht hatte, ein paar Körner hin. Eine Abteilung Kentauren und Elfenritter war von der großen Heerstraße abgebogen, um hinauf in die Berge zu gelangen. Es gab nur einen Ort, zu dem sie auf diesem Weg gelangen würden. Das Jagdschloss der Gräfin Caileen.

Der Hauptmann der Spinnenmänner strich sich nachdenklich über die Stirn. Er hatte seinem Fürsten Shandral die Nachricht verheimlicht, dass er vogelfrei sei. Es war besser gewesen, dass sich der Irre immer noch für den Fürsten von Arkadien hielt. So machte er weniger Ärger.

Madrog blickte zu den Türmen und Wehrgängen. Überall patrouillierten Wachen. Das kleine Jagdschloss war fest in der Hand seiner Krieger. Entlang des Waldweges standen gut versteckt ebenfalls Wachen. Es war unmöglich, sich dem Schloss zu nähern, ohne dass er es schon Stunden vorher erfuhr. Die Wächter entlang des Weges hatten ihm die Brieftaube geschickt.

Der Unglücksvogel pickte zufrieden gurrend nach den Krümeln auf dem Mauerkranz.

Madrog blickte zum strahlend blauen Himmel. Immer wieder hatte er Elija geschrieben und ihn gewarnt. Doch der Kommandant hatte sich einfach nicht entschließen können, den Befehl zu geben. Worauf wartete Elija nur? Auf den Sieg der Trolle? Wollte er dann erst mit den Unterdrückern abrechnen? Dann würde es immer heißen, sie seien lediglich die Henkersknechte der Trolle gewesen. Von den Handlangern der Elfen wären sie zu Handlangern der Trolle geworden. So durfte es nicht enden!

Shandral hatte seine ganze Familie hier zusammengeholt. Die Idee, sich im Jagdschloss Caileens zu verstecken, war brillant gewesen, so lange die Gräfin vogelfrei gewesen war. Ihre Diener hatten damals ihre Besitzungen verlassen, um nicht in Verdacht zu geraten, einer Geächteten zu helfen. Und das große Jagdschloss in den Bergen wurde im Winter ohnehin nur von einigen Kobolden gehütet. Kobolden, die sich der großen Sache angeschlossen hatten! Niemand hatte Shandral und die Seinen hier gesucht. Doch nun war ihr Geheimnis offenbar ruchbar geworden.

Madrog betrachtete den Burghof. Er war hier schon einmal gewesen, während der Jagdzeit im Frühjahr. Die Elfen hatten das tote Wild entlang der Mauer niedergelegt und abends bei Fackellicht ihr Garn gesponnen.

Ein anderes Bild drängte sich in Madrogs Erinnerung. Die Schmiede in Feylanviek und wie Shandral sein Weib dort hinunterbringen ließ. Es war heiß. Rauch waberte in der Luft. Der Lärm war ohrenbetäubend. Fünfzig seiner Armbrustschützen waren dabei. Die meisten gehörten schon damals zu den Rotmützen. Leylin wurde von drei Kobolddienerinnen begleitet.

Die Kobolde in der Schmiede gehörten zu Shandrals Männern. Madrog hatte sie nicht gekannt. Harte Burschen mit schwieligen Händen und kalten Augen. Weiß der Henker, wo Shandral die herhatte! Vielleicht aus Langollion? Jedenfalls zögerten sie keinen Herzschlag lang, als Shandral auf eine von Leylins Dienerinnen zeigte und befahl, sie zu ergreifen.

Bis heute wusste Madrog nicht, ob Shandral Martha gezielt oder nur zufällig auswählte. Er deutete auf die Eiserne, die Kommandantin, die das Kommando über die Rotmützen in der Stadt innehatte. Wahrscheinlich hatte er keine Ahnung. Shandrals Worte klangen Madrog immer noch im Ohr. »Zeigt meiner Frau, wie man in meiner Sippe eine Ehebrecherin bestraft, eine Hure, die für andere Männer die Beine breit macht.«