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Martha war zu verblüfft, um überhaupt etwas zu sagen, als die Schmiede sie ergriffen. Sie rissen ihr den Rock herunter und schleppten sie zum nächsten Amboss. Dann erst begann Martha zu schreien. Sie setzten sie quer auf einen der großen Ambosse und lösten die Sperre, die den Schmiedehammer hielt.

Leylin schrie. Andere Schmiede ergriffen sie und brachten sie bis dicht vor den Amboss. Sie musste den Luftzug im Gesicht gespürt haben, als der Hammer niedersauste und Martha beide Beine zerschmetterte.

Leylin wurde ohnmächtig, als die Schmiede sie auf den blutverschmierten Amboss hoben.

Madrog atmete schwer aus. Er sah den Meisen zu, die nahe der Mauer im Geäst einer Kiefer saßen. Frieden konnte er nicht finden. Eine Laune Shandrals hatte ihm Martha genommen. Seither wurde viel Unsinn darüber erzählt, wie die Eiserne ums Leben gekommen war. Vielleicht würde er eines Tages die Wahrheit sagen dürfen, dachte Madrog traurig. Elija hatte ihm den Namen Kommandant Skorpion gegeben, weil er sich Shandral gegenüber stets als treuer und zuverlässiger Diener ausgeben sollte, bis der Tag kam, an dem man den Elfen die Herrschaft entriss. Dann endlich durfte er dem Irren einen Stachel in den Rücken jagen.

Madrog hatte sich nicht dazu hinreißen lassen, Martha zu rächen. Er hatte dem Elfen weiter als Befehlshaber seiner Koboldleibwache gedient. Er war ja ein harter Bursche, dachte er bitter. Aber jetzt würde er nicht länger warten. Die Fürstenbrut von Arkadien würde aus der Welt geschafft, noch bevor die Kentauren und Elfen am Spätnachmittag das Jagdschloss erreichen konnten.

Und diese Tat würde von Kobolden vollbracht werden! Das war er Martha schuldig! Er ging den Wehrgang entlang und grüßte die Wache, die auf der Treppe stand. »Lasst die Lehnstühle auf den Hof schaffen! Unser Tag ist gekommen!« Der Kobold lächelte breit, dann stürmte er die Treppe hinab.

Madrog ging zu der Wachstube, die ihm als Quartier diente. Er kramte unter seinen Habseligkeiten die rote Mütze hervor. Stolz setzte er sie auf. Nie wieder würde er sie verstecken!

Die Fürstenfamilie war wie Efeu, das einen wunderschönen alten Baum zu ersticken drohte. Madrog würde sich zum Gärtner Arkadiens machen und diese wuchernde Würgepflanze mitsamt den Wurzeln ausreißen! Einzig Leylin hätte vielleicht ein gnädigeres Schicksal verdient gehabt! Der Hauptmann schüttelte nachdenklich den Kopf. Was Shandral ihr angetan hatte! Wie wurde man so? Hatte die Hexe Alathaia ihn zu dem gemacht, was er war? Statt Leylins Beine zu zerschmettern, hatte er sie mit seinem Gürtel grün und blau geschlagen. Nackt hatte sie auf dem Amboss gelegen. Und sie alle hatten zusehen müssen. Mehrfach war die Arme aus ihrer Ohnmacht erwacht. Immer hatte sie den blutigen Hammerkopf über sich schweben sehen.

Endlich hatte Shandral den Befehl gegeben, sie hinauf in ihr Zimmer zu bringen. Er hatte Löcher in ihre Matratze schneiden lassen und ihre Beine hindurchgesteckt. Gefesselt hatte sie im Bett gelegen. Er hatte ihr Opium gegeben und ihr erzählt, dass die Strafe genauso wie bei ihrer Dienerin vollzogen worden sei.

In Wahrheit hatte er ihr die Beine gelassen; stattdessen hatte er nun eine perverse Freude daran, ihren Verstand zu zerstören. Er ließ ihr Zimmer im Halbdunkel und hängte Masken mit Dämonenfratzen an die Wände. Vom Opium berauscht, wusste sie bald nicht mehr, wann sie träumte und wann sie wachte. Im ganzen Haus hörte man ihr Wimmern und ihre ängstlichen Schreie.

Ihm gegenüber hatte Shandral sein Weib einmal mit einem kostbaren Instrument verglichen, auf dem er spielte. Selbst nach ihrer Flucht machte er damit noch weiter. Er war vollkommen irre! Im Lauf des Winters war er dieses Spiels irgendwann überdrüssig geworden. Er hatte Leylin erzählt, er werde einen großen Zauber wirken und ihr die Beine wiedergeben, wenn sie fortan ein fügsames Weib sei.

Sie glaubte ihm alles! Still und gebrochen lebte sie auf dem Jagdschloss. Wie ein zu oft geprügelter Hund fügte sie sich jedem seiner Wünsche. Und er dachte sich täglich etwas Neues aus, um sie zu demütigen. Anfangs hatte sie wieder gehen lernen müssen; zu lange hatte sie mit zusammengebundenen Beinen in ihrem Bett gelegen.

Die Elfen glaubten an Wiedergeburt. Für Leylin wäre es eine Erlösung, dieses Leben hinter sich zu lassen!

Madrog nahm seine Armbrust und spannte die Waffe.

Auf dem Hof erwarteten ihn dreißig Kobolde. Sie alle trugen rote Mützen. »Es ist der Tag gekommen, an dem wir den Mord an unserer Kameradin rächen. Was immer heute geschieht, wir tun es für die Eiserne, die Kommandantin der Rotmützen von Feylanviek, unsere Gefährtin.«

Es gab keinen Jubel. Nur Gesichter, in denen stumme Entschlossenheit geschrieben stand.

Die breiten marmornen Treppen dröhnten unter dem Tritt ihrer Stiefel, als Madrog seine Männer hinauf zum Trophäensaal führte. Der Hauptmann stieß die breite Doppeltür zum Kabinett ausgestopfter Jagderinnerungen auf. An der Doppeltür auf der gegenüberliegenden Seite standen zwei Krieger in schwarzsilberner Rüstung. Leibwächter, die Alathaia ihrem Schüler vor einigen Wochen geschickt hatte.

Der linke Krieger trat vor und hob den Arm. »Halt!« Seine Stimme klang blechern hinter dem Visier des Maskenhelms. Sein wahres Gesicht verbarg er unter einem metallenen Eberkopf. Madrog hatte keinen der beiden Krieger je ohne Helm gesehen.

»Was wollt ihr?«, fragte der Elf scharf.

»Ärger.« Der Kobold legte die Armbrust an und schoss. Hinter ihm ertönte das Klacken der Abzugshebel von zwanzig weiteren Armbrüsten. Zuckend gingen die beiden Elfen zu Boden. Der Rechte hatte es sogar noch geschafft, sein Schwert zu ziehen.

Madrog setzte seine Armbrust auf den Boden und spannte ihren stählernen Bogen mit den seitlich angebrachten Zugwinden. Dann legte er einen neuen Bolzen auf. »Ich will Shandral lebend!«, ermahnte er seine Kampfgefährten. Dann stieß er die Tür zum Studierzimmer des Fürsten auf.

Shandral blickte verblüfft von seinen Büchern auf. Ärgerlich wedelte er mit der Hand. »Du darfst gehen, Madrog. Ich brauche dich jetzt nicht.«

»Packt ihn!«, befahl der Hauptmann.

Der Fürst sah sie sprachlos an.

»Drückt ihn mit der rechten Wange auf die Tischplatte.« So viele Monde hatte sich Madrog ausgemalt, was er nun tun würde. Shandral war eine Gefahr. Er war ein sadistischer Weichling, der einen ganzen Morgen lang über einen Mückenstich jammern konnte. Aber er war auch ein Zauberer. Seine Worte vermochten unabsehbare Kräfte zu entfesseln. Das galt es um jeden Preis zu verhindern!

»Ich lasse euch die Haut abziehen!«, fluchte der Fürst. Und dann stieß er einen tiefen, grollenden Ton aus. Madrog hatte das Gefühl, dass es schlagartig kälter wurde.

Der Hauptmann eilte zum Schreibtisch. Seine Männer stießen dem Fürsten die Kolben ihrer Armbrüste in die Kniekehlen, sodass er niederbrach wie ein gefällter Ochse. Hart schlug Shandrals Kopf gegen die Tischkante. Jemand griff in das lange, goldblonde Haar des Fürsten.

Madrog stieg auf den Stuhl und dann auf den Tisch. Sein früherer Herr blickte benommen zu ihm auf. »Erinnerst du dich an Martha?«

Shandral sah ihn an. »Sollte ich?« Madrog wusste, dass er sich erinnerte! »Sie war eine von Leylins Zofen. Sie hatte die Ehre, dich in die Schmiede zu begleiten.«

»Ach, dieses Flittchen?« Er lächelte. »Ich ahne, sie bedeutete dir etwas. Bereitete es dir auch Freude, ihr dabei zuzusehen, wie sie es mit Hunden trieb?«

»Das war die letzte Lüge, die man aus deinem Mund gehört hat.« Madrog hob die Armbrust. Er hämmerte den Kolben der Waffe dicht neben das Ohr des Fürsten. Seine Knochen splittern zu hören, war Balsam auf seine wunde Seele. Blut quoll Shandral aus Mund und Nase. Sein Kinn hing grotesk verrutscht herunter. Der Mund stand ihm weit offen. Er stieß unverständliche Laute aus. Sein Kiefergelenk war zertrümmert.

»Bringt ihn auf den Hof!«

Madrog nahm ein Spitzentüchlein vom Schreibtisch und wischte das Blut vom Kolben der Armbrust. Er wünschte, Martha könnte Shandral nun sehen.

Während die Krieger den Fürsten abführten, ging er zu der verborgenen Tür, die hinauf zu Leylins Gefängnis führte. Er entspannte seine Armbrust. Die Waffe würde er nicht mehr brauchen. Er stieg die steile Wendeltreppe empor und klopfte an die eisenbeschlagene Tür, damit die Fürstin sich nicht erschreckte, wenn er eintrat. Er wartete einen Augenblick. Madrog wusste, dass sie nicht antworten würde. Sie sprach so gut wie gar nicht mehr, seit Shandral ihr die Beine zurückgegeben hatte.