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Behutsam schob der Hauptmann die Tür auf. Leylin saß auf einen Stuhl und sah die weiß getünchte Wand ihr gegenüber an. Die Hände hatte sie in den Schoß gefaltet. Sie trug ein schlichtes, weißes Leinenkleid. Ihr schwarzes Haar war zu einem schweren Zopf geflochten. Sie blickte ihn kurz an und schlug dann die Augen nieder.

»Würdest du mir auf den Hof folgen, Herrin?« Leylin erhob sich schweigend. Sie hielt den Kopf leicht eingezogen, als fürchte sie, sich zu stoßen.

Der Weg die Stiege hinab kam Madrog viel kürzer vor als der Weg hinauf. Hätte dieser verdammte Wolfself sie doch nur mitgenommen!

Sie war die Fürstin von Arkadien. Er konnte sie nicht schonen.

Auf dem Hof waren alle übrigen Mitglieder des Fürstenhauses bereits zu den Stühlen geschafft worden. Die Arme auf die Lehnen gefesselt, saßen sie dort. Ihre Münder waren geknebelt.

Shandrals Mutter, zwei Tanten und seine beiden jüngeren Brüder. Sie wirkten gefasst oder verärgert. Sie schienen nicht begriffen zu haben, was sie erwartete. Shandrals jüngster Bruder gab sich sogar größte Mühe, ihn besonders gelangweilt anzublicken.

Sie waren so ignorant, dass ihnen nicht einmal der Zustand des Fürsten zu denken gab. Ein Aufstand der Kobolde lag offensichtlich weit jenseits ihrer Vorstellungskraft.

Madrog geleitete Leylin zu dem Stuhl, der neben Shandral noch frei war.

»Soll ich sie fesseln?«, fragte einer der Schützen.

»Nein. Sie wird nichts sagen und auch nicht wieder aufstehen, bevor man es ihr nicht befiehlt.« Auf den Wehrgängen, auf den Türmen, im Hof, überall standen Kobolde mit roten Mützen.

Der Augenblick, von dem er so lange geträumt hatte. Sie alle waren bewaffnet, obwohl es keinen Kampf mehr geben würde.

Madrog genoss den Augenblick. Dann begann er die Rede zu halten, die er seit so vielen Monden in seinem Herzen trug. Er prangerte die Tyrannei der Elfen an. Ihre Ignoranz und ihre Herrschsucht, die den Krieg mit den Trollen entfesselt hatte. Schließlich ging er auf die Verbrechen der Fürstenfamilie Arkadiens ein. Es war eine lange Liste. Lediglich zu Leylin war ihm nicht mehr eingefallen, als ihr vorzuwerfen, dass sie die Verbrechen ihrer Verwandten still geduldet hatte. Er stockte kurz.

Dann kam er zum besten Teil der Rede. »Nie haben sich die Elfen die Finger schmutzig gemacht! Selbst wenn es um den Tod ging, hatten sie ihre Diener. Henker und ihre Knechte mit Stricken und Richtschwertern. Wir, das Volk, richten auf andere Art. Wir schrecken nicht davor zurück, Blut an unseren Händen zu haben, wenn ein Urteil gerecht ist. Befreit Arkadien von dieser Schlangenbrut! Legt an!«

Fünfhundert Armbrustkolben wurden gegen Schultern gestützt. Das Klacken der Abzüge klang wie Hagelschlag auf einer Rüstung.

Ein Tontiegel zerschellte neben Madrog auf dem Pflaster des Hofes. Dicker, schwarzer Rauch quoll dem Hauptmann entgegen.

Ohne Gnade

»Es sind nicht einmal mehr fünfzig«, sagte Brud. »Lass uns die Jagd beenden. Selbst von den Überlebenden werden noch einige verrecken, wenn ihre erfrorenen Glieder brandig werden. Wir werden nicht viel davon haben, wenn wir sie weiter jagen und schlachten.«

Brodgrimm sah ihn verärgert an. »Hast du Angst zu kämpfen?«

»Während der Schlacht im engen Tal haben ich und meine Männer ihre Bogenschützen erledigt«, entgegnete der Späher gereizt. »Wo warst du an diesem Tag? Dir in einer geplünderten Stadt den Wanst voll schlagen?«

»Wo warst du, als wir den größten Feldherrn der Elfen am Mordstein besiegt haben?«

Der Späher hob die Hände. Ihm war nicht daran gelegen, sich mit dem Günstling Orgrims zu streiten. Nachdem sie die Elfen unter dem Befehl des Mörders Elodrin endlich besiegt hatten, hatte Orgrim nur dreihundert Krieger nach Süden geschickt, um den Menschen weiter nachzustellen. Doch stand ihm nicht der Sinn danach, die Städte der Menschen zu brandschatzen. Herzog Orgrim wusste, wo der eigentliche Feind saß, den es zu besiegen galt. Er war nach Albenmark zurückgekehrt, um die letzte Streitmacht der Elfen zu zerschlagen und die Tyrannin Emerelle für immer vom Thron zu vertreiben.

Es gab nichts, das Brud an Brodgrimm schätzte. Der Rudelführer war überheblich und aufbrausend. Er kannte das Land nicht, nahm aber dennoch keinen Rat an. Brud war unbegreiflich, was Orgrim an dem Kerl fand, auch wenn man ihn in Albenmark als den Helden der Schlacht am Mordstein feierte.

»Glaubst du, Orgrim würde den Menschen nicht selbst nachstellen, wenn sie ihm so wichtig wären?«

»Er hat mir den Befehl gegeben, ihnen nachzustellen.«

»Von töten war also nicht die Rede.«

»Ich weiß, wie er es gemeint hat. Dreh mir nicht das Wort im Mund rum, Brud. Und versuche nicht noch einmal, die Führung des Rudels an dich zu bringen, oder ich töte dich, alter Wolf.«

Der Späher hielt dem Blick des Rudelführers stand. »Alte Wölfe zeichnen sich dadurch aus, schon viele junge Wölfe überlebt zu haben.«

»Und dadurch, dass ihr Blut so dünn wie Wasser geworden ist. Führe mich zu den Menschen! Oder willst du dich weigern, meinen Befehlen zu folgen?« Er machte nicht den Versuch, bei seinen letzten Worten den Tonfall freudiger Erwartung zu unterdrücken.

Der Späher spuckte aus. »Dann folgt mir! Die Menschen sind auf einem Pass bei einem zugefrorenen See. Sie sind so erschöpft, dass sie heute Morgen ihr Nachtlager nicht abgebrochen haben. Einen Schneehasen zu erlegen, ist eine größere Herausforderung, als dieses jämmerliche Häuflein niederzumachen.«

Brud wählte absichtlich einen beschwerlichen Weg zum Pass hinauf. Bald hörte er die Krieger hinter sich schnaufen. Sie mochten gute Kämpfer sein, geschickte Waldläufer waren sie nicht. Und ihr Rudelführer hatte nur seinen Ruhm im Kopf.

Der Späher dachte daran zurück, wie er sich mit seinen Männern, die die Klippe erstürmt hatten, in unwegsames Gelände zurückgezogen hatte, als die Elfen überraschend auf dem Schlachtfeld im engen Tal aufgetaucht waren. Er hatte es immer schon vorgezogen zu überleben, um seine Kämpfe zu einem späteren Zeitpunkt fortzuführen, wenn der Gegner nicht alle Vorteile auf seiner Seite hatte. Nur Trottel verschanzten sich hinter den Worten Mut und Ehre.

Als Orgrim zurückgekehrt war, hatte sich Brud seinem Herzog sofort angeschlossen, noch bevor der Emporkömmling Brodgrimm mit dem eroberten Segler und den Verstärkungen im Hafen der Nachtzinne eingetroffen war. Mit seinem Rudel hatte Brud an den Kämpfen gegen die Elfen teilgenommen. Es hatte eine ganze Reihe blutiger Gefechte gegeben, bis sie endgültig überwunden waren. Orgrims Befehl, so viele Elfen wie möglich lebend zu fangen, hatte die Sache nicht einfacher gemacht.

In Bruds Augen war viel zu viel Blut vergossen worden. Auch nur einen einzigen Krieger zu verlieren, weil man dieses jämmerliche Häuflein Überlebender auch noch niedermetzeln wollte, war Verschwendung. Bei dem, was jetzt kam, war der Unterschied zwischen ihnen und dem Elfenfürsten, der die Schiffe mit den Gefangenen in Brand gesetzt hatte, nicht mehr groß. Im Übrigen war es klüger, die Menschen in ihre Rudel zurückkehren zu lassen. Sollten sie nur erzählen, welche Schrecken ihnen widerfahren waren. Das würde für einen langen Frieden sorgen!

Sie erreichten den Pass. Vor ihnen lag ein weiter See. Vorsichtig trat Brud auf das Eis. Es war fest.

»Wo sind sie?«, fragte Brodgrimm atemlos schnaufend.

»Siehst du den Felsen hinten am anderen Ufer? Dort lagern sie.«

Der Rudelführer strich mit der Hand über den schweren Kriegshammer an seinem Gürtel. »Du bleibst mit deinen Kämpfern hier, Brud. Ich will kein Rudel an meiner Seite, das schon einmal aus einer Schlacht davongelaufen ist.«