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»Wir haben den Weg hinauf zur Burg erreicht«, flüsterte Birga.

Skanga verzichtete darauf, die jüngere Schamanin zurechtzuweisen. Sie brauchte all ihre Kraft, um den magischen Kokon aufrechtzuerhalten. Er schützte die kleine Gruppe: Emerelle, Alathaia, das Menschenkind, den Elfenritter mit seinem neuen Kopf und die geschwätzige Birga.

Was wohl geschehen würde, wenn einer der Tentakel auf den Kokon traf? Nein, besser erst gar nicht an so etwas denken! Im Nichts hatte der Zauber sie und Branbart gut geschützt. Allerdings hatten die Yingiz im Nichts ihre Kräfte auch nicht vereint, so wie sie es jetzt taten.

Alathaia hatte vorhin von einem zerbrochenen Albenstein gesprochen. Ein dritter Stein, den könnten sie jetzt gut gebrauchen! Wenn das alles hier vorüber war, dann würde sie sich diese Elfenschlampe vornehmen.

Skangas Blick verweilte auf der Aura der Hexenfürstin. Nein, vielleicht war es klüger, freundlich zu ihr zu sein. In ihr schlummerte eine eigentümliche Finsternis. Es wäre besser, sie nicht zu reizen. Auch ohne einen Albenstein hatte sie große Macht.

Jetzt waren die Yingiz überall. In Scharen kauerten die Schatten um sie herum. Kalt war es in Emerelles Schloss. Und der magische Glanz war wie alter Putz von den Mauern gefallen. Egal! Solchen Schnickschnack brauchten sie nicht. Wahrscheinlich würde sich Gilmarak ohnehin einen anderen Ort als Herrschersitz aussuchen. Sie würde ihm dringend dazu raten. Zum Glück tat der Junge meistens, was sie ihm empfahl. Emerelles Heerscharen schienen sich dem Ausgang des Duells zu fügen. Das war das einzig Gute an der Ankunft der Yingiz. Sie hatten allen solche Angst eingejagt, dass niemand mehr daran dachte, sich zu beschweren, dass es keinen Kampf gegeben hatte. Emerelle hatte ihre Krone zuletzt einfach verschenkt. Dass sie es wegen diesem Elfenkrieger getan hatte, mochte Skanga einfach nicht glauben. Da steckte bestimmt noch mehr dahinter!

Etwas tastete nach dem Kokon. Fest umklammerte Skanga ihren Albenstein. Die fremde Macht zog sich wieder zurück. Die Tentakel, die Skanga gesehen hatte, griffen weit aus der Burg hinaus. Eigentlich sollten sie hier sicherer sein als draußen. Das Land versprach den Yingiz viel fettere Beute. Was waren eine Hand voll Weiber und ein Mann schon verglichen zur Lebenskraft, die ein Wald in sich trug!

»Wir gehen an einem Brunnen mit einem Drachen vorbei auf ein hohes Tor zu«, raunte Birga ihr ins Ohr. »Ich glaube, wir haben den Thronsaal fast erreicht.«

Ja, ja, dachte Skanga. Sie sah den Albenpfad, der geradewegs durch das Tor zum Thronsaal lief. Jetzt sah sie auch die übrigen Linien. Es waren nur sechs. Man sollte diese machtversessene Elfenschlampe den Yingiz zum Fraß vorwerfen! Wie hatte Emerelle es nur wagen können, einen Teil vom goldenen Netz zu zerreißen! Und was hatte es ihr gebracht? Trotz allem Übel war dies ein stolzer Tag in der Geschichte ihres Volkes. Gilmarak war zum König Albenmarks aufgestiegen. Nie zuvor war ein Troll zu solchen Würden gelangt! Und Emerelle war gedemütigt!

Das magische Tor im Thonsaal flackerte in allen Regenbogenfarben.

»Emerelle hat mir jetzt das großes Stundenglas gegeben«, sagte Birga.

»So war es abgemacht!«, zischte Skanga. Sie wusste, was um sie herum vor sich ging! »Bring uns näher an das Tor heran. Wir müssen es im Schutz deines Zaubers durchqueren!« Ihren herrischen Tonfall hatte die Elfenschlampe noch nicht abgelegt. Skanga wusste genau, dass Emerelle nicht mehr hierher zurückkommen würde, wenn die Sache vorüber war. Sie würde fliehen. Wahrscheinlich nach Carandamon. »Wenn du den Frieden brichst, den du gelobt hast, werde ich dich finden, ganz gleich, wo du dich versteckst, Emerelle.«

Zufrieden sah Skanga das Rot mühsam unterdrückten Zorns in der Aura der Elfe. »Ich drehe jetzt das Stundenglas. Seid in sieben Stunden bereit.« Mit diesen Worten trat Emerelle mit ihrem Krieger durch den Albenstern.

Skanga blickte zu dem Menschenkind. Die Kleine hatte fürchterliche Angst. Wenn sie versagte, dann würden sie alle bis über die Ohren in der Scheiße sitzen. Nur die Elfenschlampe hätte es dann geschafft, sich in Sicherheit zu bringen.

Jetzt bereitete Alathaia die Menschentochter auf ihre Reise zu Luth vor. Dass dieses Mädchen und das Buch eines verrückten Elfen die letzte Hoffnung Albenmarks sein sollten, empfand Skanga als schlechten Scherz. Lieber hätte sie den alten Kerl geschickt. Aber der hatte wohl einen ihrer machtlosen Götter angebetet und durfte ebenso wenig wie ein Albenkind darauf hoffen, zu den Goldenen Hallen zu gelangen.

Falls der verwirrte Meliander mit seinen Vermutungen nicht danebenlag, vermochten die toten Helden aus den Hallen der Menschengötter die Yingiz tatsächlich zu vertreiben. Doch um zu diesen Hallen zu gelangen und die Helden zu rufen, musste das Mädchen dem Tod entgegengehen. Nachdenklich betrachtete Skanga ihre Aura.

Ihre Verbindung zu den Toten schien stärker zu sein als zu den Lebenden. Das waren schlechte Voraussetzungen, um von der Reise, die ihr bevorstand, lebend zurückzukehren.

Zwischen Leben und Tod

Kadlin hielt den goldenen Becher mit beiden Händen umklammert. Der Trunk, den ihr die unheimliche Elfe eingeschüttet hatte, war schwarz wie der Tod. Aber zumindest roch er angenehm. Ein wenig erinnerte er sie an den Lebertran, den sie als Kind hatte trinken müssen, wenn sie krank wurde.

Die schwarzhaarige Elfe lächelte sie an. »Selbstverständlich! Aber nicht in dieser Nacht.« Kadlin blickte zu den beiden Trollweibern. Beide waren sie schrecklich. Sowohl die Blinde als auch die mit der Maske. Und dann all die Schatten hier ringsherum. Wo war das blühende Albenmark? Sie hatten ihr eingeredet, es liege allein an ihr, diese Welt zu retten. Sie müsse Mut haben, und sie müsse überzeugend sein. Nur ein Recke aus den Goldenen Hallen könne die Schatten vertreiben. Aber kein Albenkind vermochte dorthin zu finden. Das war nur Menschen möglich. Helden! Kadlin nahm all ihren Mut zusammen und trank. Ganz gleich, was mit ihr geschah, überall anders wäre sie besser aufgehoben als hier! Wie flüssiges Eis war der Trunk. Kadlin fühlte sich taub.

»Vorsichtig. Du solltest dich hinlegen«. Die Stimme klang seltsam fern. Hände ergriffen sie. Sie sank nach hinten, doch sie kam nicht auf dem Boden zu liegen. Stattdessen glitt sie davon in die Dunkelheit.

Er war, als versinke sie in Wasser. Nur dass sie atmen konnte. Sie fühlte sich angenehm schläfrig. Langsam glitt sie tiefer. Die Dunkelheit rings herum war vollkommen.

Lange Zeit ließ sie sich treiben. Manchmal streifte sie etwas Klebriges. Aber sie war zu müde, um die Augen zu öffnen. Dann blieb sie hängen. Sie blinzelte und blickte in acht bernsteinfarbene Augen. Kadlin wollte schreien, doch kein Ton kam über ihre Lippen. Ein Zangenpaar nahm sie auf. Dann trug die riesige Spinne sie davon.

Spinnen waren die heiligen Tiere Luths, das wusste Kadlin, aber in den Liedern der Skalden hatte sie noch nie von pferdegroßen Spinnen mit Beinen, so lang wie Schiffsmasten gehört.

Die Spinne eilte über silberne Fäden. Langsam wurde es heller. Kadlin sah einen Himmel voller silberner Fäden über sich. Manchmal zerriss einer von ihnen, und ein Leib glitt daran hinab. Noch andere Spinnen waren unterwegs. Die Jägerin konnte beobachten, wie eine strampelnde Gestalt in Fäden eingewoben wurde. Als der Mann endlich ganz still lag, kamen kleinere Spinnen und krochen zwischen den Fäden hindurch.

Kadlin wandte den Blick ab. In der Ferne sah sie ein goldenes Licht. Es wurde größer. Bald erkannte sie eine weit geöffnete Tür, sie gehörte zu einer Halle, deren weites Dach sich im Zwielicht verlor. Das Langhaus war über und über mit silbernen Fäden bedeckt.

Behutsam legte die Spinne Kadlin an der Tür ab. Ein derbes Zechlied kam der Jägerin vertraut vor. Es handelte von Mandred, der ein Hurenhaus besuchte. Der süße Duft von Met stieg Kadlin in die Nase.

Sie richtete sich auf. Ihre Glieder waren schwer wie Blei. Hinter dem Tor lag ein goldener Saal. Hunderte Krieger zechten und sangen dort. »Björn Lambison?« Wie Donnerschlag hallte der Name in dem weiten Saal. Das Lied verstummte. Alle blickten zur Tür. Und dann stand er vor ihr! Er sah gut aus. Ein wenig betrunken. »Was tust du hier?« Statt zu antworten, wollte sie ihn einfach nur in die Arme schließen.