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Erwartungsvoll blickte Ganda zu Ollowain auf. Jedes Mal, wenn sie die Geschichte erzählte, wurde sie besser. Sie schmückte sie aus, gab weitere Einzelheiten hinzu. Doch was hielt der Elf davon?

Ein spöttisches Lächeln spielte um seine Lippen. Glomm in seinen Augen kurz der Funke herzhaften Lachens? Wenn dieser Mistkerl etwas offenherziger wäre und nicht all seine Gefühle hinter seiner Arroganz versteckte, dann wäre es leichter, mit ihm auszukommen!

Aber so waren sie, die Elfen. Vor allem jene aus dem eisigen Norden, die zum Volk der Normirga gehörten. Äußerlich waren sie Eisklötze, doch in ihrem Innersten glomm ein gefährliches Feuer.

»Soeben habe ich beschlossen, auf jeden Fall anwesend zu sein, wenn du unserer Herrin Emerelle vom Ausgang unserer Reise berichtest. Du bist wahrhaft eine begnadete Lügnerin, Ganda. Geschichten zu erfinden, scheint dir große Freude zu bereiten. Vielleicht ähnelst du den Beratern deines Fürsten Karim. Bist du wie der Sand und der Wind, die so lange an der Wahrheit nagen, bis niemand mehr ihr wahres Gesicht zu erkennen vermag?«

»Für dich werde ich immer nur sein, was du in meinem Volk siehst, Ollowain. Zumindest, was die Lutin angeht, hast du vor der Wahrheit schon lange die Augen verschlossen. Ich bin es leid, dich eines Besseren zu belehren oder dich wenigstens dazu zu bringen, in mir zuerst Ganda zu sehen, die immerhin das Vertrauen Emerelles genießt, und dann erst eine Lutin.« Und ich habe soeben beschlossen, dass du niemals erfahren wirst, was es mit dieser Geschichte wirklich auf sich hat, dachte Ganda. Sollte er ihr doch den Buckel runterrutschen! Verdammter Elf! Niemals würde er ihr glauben, dass sie ihm in der ersten Nacht auf der Galeere das Leben gerettet hatte. Wenn Ollowain wüsste, wofür man ihn gehalten hatte ... Sei‘s drum. Ihr Märchen um den tragischen Arban ben Chalasch war nützlich gewesen. Es war schon erstaunlich, dass Männer Geschichten um Verrat, Gemetzel und Blutrache viel lieber hörten als romantische Liebesgeschichten, die ein glückliches Ende nahmen. Eine Prise Liebe durfte schon dabei sein und auch ein Hauch Erotik, obwohl sie solche Erzählungen aus dem Munde eines jungen Mädchens gewiss nur verlegen gemacht hätten. Ganda lächelte still in sich hinein. Wie leicht es doch war, sie an der Nase herumzuführen. Selbst Ollowain war so berechenbar, wenn man ihn erst einmal ein bisschen kannte.

Mit weiten Schritten eilte sie voraus. Sie waren mehr als eine Meile gegangen, während sie ihre Geschichte erzählt hatte. Es dämmerte bereits. Doch im gleichen Maße, wie die Tageshitze wich und ein frischer Abendwind vom Meer her Einzug in Iskendria hielt, füllten sich die Straßen mit Menschen. Einige wollten offensichtlich noch letzte Einkäufe erledigen, andere vielleicht nur einen Spaziergang machen, bevor sie sich zur Ruhe legten.

Hohe Säulen säumten nun die Straße. Jede dritte trug in fünf Schritt Höhe einen Sims, auf dem eine überlebensgroße Statue aufgestellt war. Gewandet in grellbunt bemalte Gewänder, blickten sie würdevoll auf das Gewimmel zu ihren Füßen hinab. Auch die abendlichen Passanten teilten die Vorliebe für schreiende Farben. Es gab Männer, die rote Hosen mit goldgelbem Blütenmuster trugen, Kaufleute, die sich wie Fürsten in goldgesäumten Purpur hüllten und trotz der Hitze scheckige Pelzmützchen aufhatten. Frauen in Gewändern, so durchsichtig wie Gandas Schleier, kamen in Sänften die Straße entlang; jeder Schaulustige konnte die bunten Bilder und Muster begaffen, die sie sich auf die Haut hatten malen lassen. Manche bestäubten ihre Wangen mit Goldpulver und klebten sich winzige Edelsteine auf die Augenlider, eine Idee, an der Ganda Gefallen fand. Sie wünschte mehr Zeit zu haben, um diese aufregende Stadt zu erkunden. Und sie musste sich eingestehen, dass sie den Menschen Unrecht getan hatte. Nur selten war sie bei ihren Reisen über die Albenpfade in die Menschenwelt gekommen, und alle Orte, die sie bisher gesehen hatte, hatten in ihr nicht das Bedürfnis erweckt, sich länger dort aufzuhalten. Doch Iskendria war anders. Schon die Art, wie der Galeerenkapitän von der Stadt gesprochen hatte, hatte Ganda neugierig gemacht. Mal nannte er Iskendria eine offene Pestbeule, die jeder mit Verstand meiden musste, dann wieder sprach er von der Perle, dem kostbarsten Kleinod aller Meeresküsten. Er war der Stadt in inniger Hassliebe verfallen. Nirgendwo sonst, so sagte er, lagen Schönheit und Schrecken so dicht beisammen. Ausschweifend erzählte er von der Schönheit der Bauwerke und der Statuen, vom ehrgeizigen Streit der Dichter und Steinmetzen, das vollkommenste Kunstwerk zu erschaffen, von verrückten Fürsten, die stets nur ihre eigenen Geschwister heirateten, um das Blut der Familie rein zu erhalten. Von Kaufleuten, die in wenigen Jahren märchenhafte Schätze zusammentrugen und Feste feierten, die Königen würdig waren, so wie etwa die geheimnisvolle Sem-la, die eine ganze Flotte von Handelsschiffen ihr Eigen nannte, die in Geschäften stets eine glückliche Hand bewies und doch keinen Mann zu finden vermochte, mit dem sie länger als eine Nacht das Lager teilen wollte. Und er hatte von Balbar erzählt und der grausamen Priesterschaft des Gottes, die in Iskendria regierte.