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Was für wunderbare Augen, dachte die Lutin. Sie nickte sacht.

»Ich halte es in dieser düsteren Bibliothek nur schwer aus. Manchmal verlasse ich meine Halle für Wochen nicht. Die übrigen Hüter des Wissens halten mich für sonderbar.« Wieder erklang sein ansteckendes Lachen. »Darin unterscheiden wir uns nicht. Ich halte sie auch für sonderbar. Man könnte die Bibliothek viel schöner gestalten, doch davon wollen sie nichts hören. Komm jetzt, Ollowain wartet auf uns.«

Tatsächlich hatte sich der Elf schon im Zelt niedergelassen. Er kam Ganda seltsam angespannt vor, als sie sich neben ihm auf ein perlenbesticktes Kissen setzte.

Galawayn schenkte ihnen Limonentee in schönen Kristallgläsern ein. Sein Zelt war mit schweren Teppichen ausgelegt. Es gab eine kleine, von Steinen eingefasste Feuergrube, in der Holzkohlestücke glommen. Auf einem Tisch, so niedrig, dass er selbst Ganda nur bis zu den Knien reichte, lag ein verschlossenes Buch. Die Lederhüllen von sieben Schriftrollen lagen ordentlich aufgereiht in einem Ständer. Ansonsten erinnerte nichts daran, dass auch der Saal des Lichts Teil der großen Bibliothek war. Ein Teil des Zeltes war mit durchscheinenden Schleiern abgetrennt. Ganda konnte dort die Umrisse eines großen, mit hellen Intarsien verzierten Tisches erkennen. An den schmalen Seiten standen zwei ledergepolsterte Lehnstühle, die in dem Zelt fehl am Platz wirkten.

Ihr Gastgeber setzte sein Glas ab. »Ich werde mich kurz zurückziehen und einige Zutaten für ein bescheidenes Mahl zusammenstellen. So habt ihr Gelegenheit, ein wenig zu plaudern, ohne meine langen Ohren fürchten zu müssen.« Mit diesen Worten entfernte er sich.

Ganda wartete, bis ihr Gastgeber hinter einer Düne verschwunden und außer Sichtweite war, bevor sie sich an Ollowain wandte. »Was ist mit dir los?«

»Er ist ein Freier von Valemas«, entgegnete der Schwertmeister düster. »Sie hassen Emerelle, denn die Königin hat sie ins Exil getrieben. Er wird Ärger machen.«

»Ich finde, bis jetzt verhält er sich sehr freundlich.«

»Das gebietet die Gastfreundschaft. Die Elfen von Valemas hatten diesbezüglich schon immer einen strengen Ehrenkodex, doch verlasse dich darauf, er wird uns innerhalb seiner Möglichkeiten den Aufenthalt in der Halle des Lichts so unangenehm wie möglich gestalten.«

Ganda mochte das nicht glauben. »Ich habe den Eindruck, dass er froh ist, Gäste zu haben.«

Ollowain lächelte dünn. »Warte nur ab, du wirst sehen, dass ich Recht habe. Da Emerelle uns schickt, wird er unsere Suche nach Kräften behindern. Lass uns nicht hier darüber reden. Ich bin mir sicher, dass er uns hier belauschen kann.« Nach diesen Worten verfiel der Elf in düsteres Schweigen.

Ganda ging zu dem niederen Tisch und betrachtete den prächtigen Folianten, der dort lag. Der schwere Ledereinband war von hunderten feiner Risse zerfurcht. Zwei breite Bronzebänder umgaben den Einband. Die Lutin suchte ein Schloss, doch gab es nichts, das darauf hinwies, wie dieses gefesselte Buch sich öffnen ließ. Feine Steinsplitter waren in die Bronzebänder eingearbeitet. Es waren keine Schmucksteine. Grau und mit rauen Kanten, erinnerten sie an Geröll. Dafür waren die Fassungen der Steine umso sorgsamer gearbeitet. Ein erfahrener Goldschmied hatte einst all seine Kunstfertigkeit aufgeboten, die Steine sicher im Metall zu verankern. Beim näheren Hinsehen erkannte Ganda, dass die Bronzebänder mit dünnen Spirallinien geschmückt waren. Zum Teil war das Muster unter Grünspan verborgen.

Ganda wagte es nicht, das Buch zu berühren. Eine Aura der Macht umgab es. Etwas Vergleichbares hatte die Lutin noch nie gespürt.

Neben dem Buch lag ein Paar altersdunkler Handschuhe auf dem Tisch, deren Innenseiten wohl erst vor kurzem durch helleres Leder zusätzlich verstärkt worden waren. Jedenfalls wies eine Walbeinnadel darauf hin, die Ganda neben dem Tisch im Teppich stecken sah. Auch ein kleines Garnknäuel lag dort.

Auf der anderen Seite des Tisches stand ein Gefäß, das mit einem Seidentuch verhüllt war. Neugierig lüpfte Ganda einen Zipfel des bunten Schals und fuhr erschrocken zurück. Zwei blutrote Augen blickten sie böse an.

Das Tuch glitt zu Boden und enthüllte einen Glaszylinder, der mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt war. Darin schwamm eine weiße Schlange mit roten Augen.

Vorsichtig tippte Ganda gegen das Glas. Die Schlange reagierte nicht. Offenbar war sie tot.

»Eine Knochenviper. Es ist ein altes Erinnerungsstück an Valemas«, erklang plötzlich Galawayns Stimme hinter ihr. Der feine Sand hatte das Geräusch seiner Schritte geschluckt. Er trug ein großes, silbernes Tablett, auf dem allerlei rote Tonschalen mit den unterschiedlichsten Speisen standen. Unter den Arm hatte er drei Brotfladen geklemmt.

»Sie sieht noch ganz lebendig aus«, sagte Ganda beklommen.

»Keine Sorge. Sie ist seit Jahrhunderten in diesem Glas und etwa so lebendig wie ein Stein. Knochenvipern sind berühmt für ihr Gift. Es lähmt ihre Opfer. Alle Muskeln erschlaffen, die Lungen versagen den Dienst, und selbst das Herz hört auf zu schlagen. Man kommt nicht einmal dazu, einen Schrei auszustoßen. Die Toten sehen aus, als seien sie einfach eingeschlafen. Das Gift hinterlässt keinerlei Spuren. Keine Rötung auf der Haut, nichts. Nur die beiden nadelfeinen Einstiche der Giftzähne. Und sie sind schwer zu entdecken, wenn man nicht weiß, wonach man suchen muss.«

Ganda schüttelte sich. »Warum stellt man sich so etwas in sein Zelt? Findest du diese Viper etwa schön?«

»Derjenige, den du hier vor dir siehst, wäre wegen dieser Schlange vor langer Zeit beinahe gestorben. Das alte Valemas war berüchtigt für seine Intrigen. Die Viper erinnert daran, dass Leben und Tod davon abhängen können, wie man sich auf einem Stapel Kissen niederlässt. Durch einen glücklichen Zufall wurde sie zwischen den Kissen erstickt. Eine verrückte Geschichte, nicht wahr? Die Schlange erinnert daran, wie nah uns der Tod in jedem Augenblick ist. Doch genug von solchen Schauergeschichten. Komm, setz dich.« Er deutete mit dem Kinn in Richtung des Kissenstapels neben der Feuerstelle.

Ganda leckte sich nervös mit der Zunge über die Schnauze.

Galawayn lächelte. »Du musst dir keine Sorgen machen. Im Saal des Lichts gibt es keine Schlangen, kleine Freundin. Jedenfalls keine lebendigen.« Er ging hinüber zu den Sitzplätzen, stellte das Silbertablett vor Ollowain ab und rückte die Schalen darauf noch einmal zurecht. »Leider ist das nichts Besonderes. Nur etwas Gemüse, ein paar Saucen, marinierte Taubenbrust und kalte Ziegenleber.« Ihr Gastgeber brach ein Stück von einem der Brotfladen ab und reichte es Ganda. Dasselbe tat er für Ollowain.

Die Lutin begann mit großem Appetit zu essen, Galawayn hingegen rührte die Speisen kaum an. Auch Ollowain hielt sich auffällig zurück. Die beiden Elfen maßen einander mit Blicken. Schließlich war es ihr Gastgeber, der das immer bedrückender werdende Schweigen brach.

»Meister Gengalos hat mich darüber unterrichtet, dass ihr euch für die Geheimnisse der Albenpfade interessiert. Ein weites Feld. Es gibt viele hundert Schriften darüber.«

Der Schwertmeister blickte zu dem kümmerlichen Häuflein an Schriftrollen. »Und wo verwahrst du die Bücher, die du hütest?«

Galawayn zwinkerte ihnen verschwörerisch zu. »Ich habe ein ganz eigenes Ablagesystem für die Schriften unter meiner Obhut. Doch davon später mehr. Sprechen wir lieber von der Schuld, die du gegen die Bibliothek abzutragen hast. Ich habe schon ein wenig vom Kampf um Phylangan gehört. Ist es richtig, dass es eine Reihe von rätselhaften Morden gab, die vor den eigentlichen Gefechten stattfanden? Und stimmt es, dass man den Mörder nie gefasst hat?«

»Es sind hunderte gestorben in diesen Wochen. Die meisten Mörder wurden für ihre Taten nie zu Verantwortung gezogen«, entgegnete der Schwertmeister gereizt, »auch ich nicht. Dabei habe ich von den Trollen, so wie es sich für einen wahrhaft üblen Mörder gehört, eine ganze Reihe netter Beinamen bekommen, etwa 'die tanzende Klinge' oder 'Fleischreißer'. Angeblich hatten sie sogar einen Kopfpreis auf mich ausgesetzt.«