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Vor der Tür angelangt, knickste sie artig. »Na also, mein Herr. War das so schwer?«

»Ich habe das Gefühl, als sei ich nicht mehr ich selbst«, sagte der Kobold in eigentümlichem Tonfall. Er verbeugte sich steif. Dann richtete er sich auf, und in seinen Augen funkelte der Schalk. »Meine Allerverehrteste, schieb dir deinen Zauberstab doch in den Allerwertesten, alte Jungfer.« Noch bevor sie etwas sagen konnte, nahm er die Beine in die Hand und war auf und davon.

Ganda schmunzelte. So ein übler Kerl war er eigentlich gar nicht. Sie öffnete die schwere Tür zu ihrer Kammer und legte dann von innen den hölzernen Sperrriegel vor. Nur für den Fall, dass es Qualbam für eine gute Idee hielt, sie später in der Nacht noch einmal zu besuchen.

Müde trat sie an den niedrigen Tisch und drehte den Docht ihrer Öllampe höher, bis der kleine Raum von goldenem Licht erfüllt war. Alle Möbel in ihrem Zimmer waren auf die Größe von Kobolden zugeschnitten. Die Gastzimmer Iskendrias waren großzügig eingerichtet. Die Möbel waren schön geschnitzt. Auf einem Ständer neben der Tür stand eine Schale mit frischem Wasser. Auf dem Tisch standen jeden Abend eine Platte mit frischem Obst und eine Kristallkaraffe mit Apfelwein.

Mit einem erschöpften Seufzer ließ sie sich gegen die Tür sinken. Sie sollte zu Ollowain gehen und mit ihm über Galawayn von Valemas reden. Oder die Leiche in der Sanddüne und über das, was sie in Melianders Buch gelesen hatte. Aber sie war wütend auf den Elfen. Und sie war enttäuscht von ihm. Wo hatte er den ganzen Tag gesteckt? Mit ihm an ihrer Seite hätte sie nicht fliehen müssen. Emerelle hatte ihn doch mitgeschickt, damit er sie beschützte! Und wo war er, wenn sie ihn brauchte?

Es war unvernünftig, nicht zu ihm zu gehen. Ganda trat an den Tisch und schenkte sich ein Glas Apfelwein ein. Der Elf hatte sie bestimmt kommen hören, falls er denn in seiner Kammer war. Warum schaute er nicht kurz herein, um zu fragen, wie es ihr ging? Sie kannte die Antwort: Einem Ehrenmann stand es nicht gut zu Gesicht, eine Dame mitten in der Nacht in ihrem Schlafgemach zu besuchen. Verdammte Ehrenmänner! Ganda leerte ihr Glas in einem Zug und füllte es erneut. Die Hüter des Wissens mussten unterrichtet werden, dass Galawayn ein Mörder war. War das der Bücherwahn, von dem Qualbam gesprochen hatte? Sie würde sicherlich wahnsinnig werden, wenn sie ihr ganzes Leben lang in diese Bibliothek eingeschlossen wäre. Schon jetzt nach so wenigen Tagen vermisste sie es schmerzlich, den Wind im Gesicht zu spüren und einen echten Himmel über sich zu sehen.

Ganda leerte das zweite Glas. Sie würde sich für einen Augenblick auf das Bett legen und die Glieder strecken. Das würde ihr gut tun. Es blieb noch genug Zeit, nach dem verdammten Elfen zu sehen, und wenn er nicht da war, dann würde sie ... Nein, dass würde sie nicht! Allein würde sie nicht mehr hinaus in die Bibliothek gehen. Sie würde ihre Tür verrammeln und warten, bis Ollowain kam, wo immer er auch stecken mochte.

Ganda legte den Zauberstab neben die Karaffe. Es war dumm gewesen, gleich zwei Gläser Apfelwein zu trinken. Sie war ein wenig beschwipst. Ob sie Qualbam wohl für immer vertrieben hatte? Oder würde er es morgen noch einmal versuchen?

Der Beleuchter hatte schon Recht. Das Bett war prächtig. Wunderbar weich und groß genug, um auch zu zweit noch reichlich Platz darin zu haben. Hübsche Augen hatte er. Je nach Licht schienen sie die Farbe zu wechseln. Heute Morgen waren sie noch hellgrau gewesen. Wie entschieden er versucht hatte, sie davon abzuhalten, in den Bücherschlag im Brauturm zu steigen! Er hatte sich wirklich Sorgen um sie gemacht.

»Quatsch, der wollte auch heute Morgen schon zu dir ins Bett, altes Mädchen«, murmelte sie. Ihre Stimme lallte ein wenig. Sie fühlte sich leicht. Verwundert blickte sie zur Karaffe. Der Apfelwein war stärker, als sie erwartet hätte. Gestern hatte er sie nicht so umgehauen ... Vielleicht hätte sie nicht zwei Gläser auf nüchternen Magen trinken sollen? Eine kleine Rast. Nur kurz hinlegen. Sie griff sich in den Nacken und öffnete die Haken ihres Kleides. Sich angezogen hinzulegen, war das Letzte ... Man kam dann erst gar nicht zur Ruhe. Sie würde zählen, dann schlief sie auch nicht ein. Bei tausend würde sie wieder aufstehen.

Ganda zog ihr Kleid hoch. Sie kam aus dem Gleichgewicht und kicherte. Was war das für ein Apfelwein? Der war ja stark wie Schnaps.

Etwas bewegte sich unter dem Bettlaken. Da war eine Beule. Sie fluchte. Mäuse! Verdammte Bibliothek. Hier war es auch nicht besser als anderswo. »Verzieh dich aus meinem Bett, oder ich mach dich fertig, du ...« Ganda biss sich auf die Lippen. Sie war ein wenig laut geworden. Verdammt! Hoffentlich war Ollowain nicht nebenan. Was würde er jetzt von ihr denken? Obendrein steckte sie noch in ihrem Kleid fest. Eins nach dem anderen. Erst die Maus. »Du verschwindest da. Sofort!«

Ganda beugte sich vor und griff nach einem Zipfel des Bettlakens. Mit einem entschlossenen Ruck zog sie es zurück und geriet aus dem Gleichgewicht. Das Betttuch wirbelte durch die Luft. Klirrend fiel die Karaffe vom Tisch. Die Lutin taumelte gegen einen Stuhl und ging mit ihm zu Boden.

Benommen blinzelte Ganda zum Bett. Halb in das Betttuch und halb in ihr Kleid gewickelt, lag sie am Boden. Ein kleiner weißer Kopf mit roten Augen lugte über die Bettkante. Galawayns Knochenviper!

Die Schlange glitt auf das Laken hinab. Auf dem glatten Tuch kam sie nur langsam voran. Ganda hielt den Atem an. Durch den Stoff hindurch spürte sie, wie die Viper sich an ihrem Bein entlangschlängelte.

Nicht bewegen! Dann beißt sie vielleicht nicht zu! Eine Schlange beißt nichts, was sie für tot hält, sagte sich Ganda. Die bösartigen roten Augen hielten sie gefangen. Sie weiß, dass ich lebe!

»Ganda? Ist alles in Ordnung?« Es klopfte an ihrer Tür. Ollowain! Er rüttelte. Der Riegel! Die Schlange wand sich auf ihrem Schoß. Und Ganda starrte sie mit vorgestreckten Armen an, gefangen in ihrem Kleid. Welch eine miese Art zu sterben! Züngelnd hob sich ihr der Kopf entgegen.

»Ganda?« Wieder rüttelte es an der Tür. »Antworte!« Die Schlange wiegte sich vor und zurück.

Noch immer hielt Ganda den Atem an. Der Rausch war wie verflogen. Ihr gingen Galawayns Worte durch den Kopf. Wie war das? Das Schlangengift lähmte einen. Man konnte nicht einmal mehr schreien. Und es hinterließ keine Spuren. Man sah aus, als wäre man einfach eingeschlafen.

Warum tat er das? Warum musste sie sterben? Wegen des Buches? Wenigstens würden reichlich Spuren bleiben. Ollowain würde ihn fertig machen.

Eine silberne Klinge drang durch das Holz des Türrahmens und hebelte den Sperrriegel hoch. Im nächsten Augenblick flog die Tür auf. Die Schlange erstarrte.

Ollowain verharrte mitten in der Bewegung. »Du darfst dich nicht rühren«, flüsterte er.

Ganda stiegen Tränen in die Augen. Für diesen dämlichen Spruch hätte sie ihm am liebsten einen Knoten in die Zunge gehext. Ollowain zog seinen Dolch und hob den Arm.

Etwas zwickte Ganda in den Bauch. Sie wollte aufschreien, doch kein Laut kam über ihre Lippen. Undeutlich sah Ganda die Knochenviper zur Seite segeln. Der Dolch des Elfen hatte sie aufgespießt und nagelte die Schlange gegen ein Tischbein.

Ganda wollte blinzeln. Ihr standen immer noch Tränen in den Augen. Aber ihre Lider waren wie versteinert. Sie sackte zur Seite. Etwas drückte ihr die Brust zusammen. Sie bekam keine Luft mehr.

Der Schwertmeister war plötzlich über ihr. Er hatte wieder seinen Dolch in der Hand. Sie spürte seine Finger auf ihrem Bauch. Eiskalt.

Seine Lippen bewegten sich, doch sie konnte nichts mehr hören. Er beugte sich hinab und küsste sie auf den Bauch.

Ganda hätte gern gelächelt. Ein Kuss von einem Elfen! Ihre Lungen brannten. Ihr wurde schwindelig. Dann spürte sie, wie ihr Herz aussetzte zu schlagen. Schade, dass sie niemandem mehr von diesem Kuss erzählen konnte.

Gute Freunde

Übellaunig klopfte Skanga den Schnee von ihrem Umhang. Von der Welt der Menschen zurück in die Snaiwamark hatte sie nur zehn Schritte gebraucht. Aber um vom Albenstern zu den Höhlen der Wolfsgrube zu gelangen, hatte sie mehr als einen halben Tag auf einem Schlitten gesessen. Die eisige Kälte war ihr tief in die Knochen gekrochen. Früher einmal hatte ihr der Winter nichts ausgemacht. Es hatte Zeiten gegeben, da war sie barfuß durch den Schnee gelaufen.