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Skanga verschränkte die steifen Finger ineinander und ließ die Gelenke knacken. Die trockenen Laute, die an brechende Äste erinnerten, waren neben dem Knistern des Feuers das einzige Geräusch in der Höhle. Der verfluchte Lutin starrte sie unverwandt an. Sie empfand seinen Blick fast wie eine Berührung. Ihm musste doch wohl klar sein, was er da verlangte.

»Ich glaube, ich werde meine Ziehtochter bitten, dir aus deiner Haut zu helfen, Fuchsschnauze. Aber ich werde mich hüten, von deinem Hirn zu essen, das von einem eigentümlichen Wahn befallen zu sein scheint.«

»Da, wo ich herkomme, gibt es auch noch eine Gürtelschnalle aus Jade, die einen sich windenden Drachen zeigt. Und eine mächtige Kriegskeule, die sicherlich die meisten Veteranen deines Volkes wiedererkennen würden. Außerdem haben wir noch einen riesigen Trollschädel, den wir gekocht haben, bis das letzte Fleisch von ihm abgefallen ist. Dem wulstigen Stirnknochen kann man deutlich ansehen, dass er einmal einen schweren Keulenhieb abbekommen hat. Wenn mir etwas geschieht, kann ich nicht mehr verhindern, dass diese Besitztümer des Königs den Herzögen deines Volkes vorgelegt werden. Dabei glauben sie doch, Branbart sei ins Nichts gestürzt.«

Skanga ließ ihre Fingergelenke ein weiteres Mal knacken. Sie zweifelte nicht daran, dass der Kobold sich wirklich abgesichert hatte. Das erklärte sein tolldreistes Auftreten. »Ich kann das nicht verlangen. Die Herzöge würden nicht auf mich hören.«

Elija winkte ab. »Also bitte, Allermächtigste. Wenn es jemanden gibt, den alle Trolle gleichermaßen respektieren und fürchten, dann bist du es.«

»Mein Volk hat schon immer Koboldsklaven gehabt. Niemand wird einsehen, warum man plötzlich auf sie verzichten sollte. Wir brauchen sie.«

»Ihr werdet euch schnell daran gewöhnen, ohne uns auszukommen. Hatte ich schon erwähnt, dass es einen Zeugen für deinen Mord am König gibt?«

Skanga schloss die Augen und dachte an Branbarts Tod. Sie war sich ganz sicher gewesen, dass sie niemand beobachtet hatte. Wie hatte sie einen Kobold übersehen können? Wenn diese Fuchsschnauze verbreiten ließ, wie Branbart wirklich gestorben war, und dass sie ihr ganzes Volk belogen und betrogen hatte, dann wären ihre Tage gezählt. Und nach ihrem Tod würden die Herzöge beginnen, sich untereinander zu bekämpfen. Betrüger würden irgendwelche Welpen zu wiedergeborenen Königen erklären. Und solange Orgrim sich nicht einmischte, würde sich ihr Volk selbst zerfleischen.

»Nur damit wir uns nicht missverstehen«, beendete Elija ihr Schweigen. »Mir ist nicht an einem Bürgerkrieg unter euch Trollen gelegen. Ich würde es zutiefst bedauern, wenn es dazu käme. Und ich habe auch keine moralischen Einwände gegen einen Königsmord. Im Gegenteil, meiner Meinung nach erfordert die Dialektik der Gerechtigkeit hin und wieder ein königliches Opfer.«

»Was?« Skanga vermochte dem wirren Geschwafel des Lutin nicht zu folgen.

»Ich meine, Branbart starb doch sicherlich für das Wohl des Volkes.« Genauso war es gewesen. Doch in der Art, wie diese miese, kleine Fuchsschnauze das sagte, klang es irgendwie niederträchtig. Nie zuvor hatte sich Skanga derart in die Enge getrieben gefühlt. Sie wusste keinen Ausweg. Es bedurfte nur eines Wortes der Macht, und sie könnte diesem jämmerlichen Wicht den Schädel platzen lassen. Aber er hatte die Besitztümer des Königs zu genau beschrieben. Er machte ihr nichts vor, das spürte die Schamanin. Wenn sie Elija tötete, dann würden dessen Gefährten ihr Volk in einen mörderischen Bruderkrieg stürzen. Doch seine Forderung, alle Koboldsklaven ziehen zu lassen, war unmöglich zu erfüllen.

»Du sagtest doch, du willst mich nicht erpressen. Habe ich da etwas falsch verstanden?«

»Ganz und gar nicht!« In der Stimme des Kobolds schwang mehr als nur ein Anflug überheblichen Humors. »Ich freue mich, dass wir nun von gleich zu gleich weiterverhandeln werden. So wie es sich für einen vernünftigen Handel gehört, habe ich dir natürlich ein Angebot zu machen, und es wäre mir lieb, wenn uns die leidige Geschichte um Branbarts Tod künftig nicht mehr im Wege stünde. Was ich dir zu bieten habe, ist nicht weniger als Emerelles Kopf und als Dreingabe auch noch die Häupter aller anderen Elfenfürsten.« Er sagte das mit solcher Überzeugung, als warteten seine Henker schon hinter den Thronen der Elfen.

Skanga stierte nachdenklich auf ihren Schoß. Sie wusste einfach nicht, was sie von diesem Lutin halten sollte. War er vollkommen irre? Sie fand eine Laus auf ihrem Flickenkleid und schnippte sie ins Feuer. »Bring mir Emerelles Kopf, und du bekommst alle Kobolde. Ich lasse dir sogar die holen, die in die Menschenwelt verschleppt wurden.«

»Nein, nein.« Der Lutin sprang auf und lief wütend gestikulierend auf und ab. »So einfach geht das nicht! Willst du mich beleidigen? Hast du eine Ahnung, was für Strapazen ich auf mich genommen habe, um hierher zu kommen? Meine Pfadfinderin ist gerade nicht verfügbar, und ich musste mich zweitklassigem Ersatz anvertrauen, als ich die Pfade des Lichts beschritten habe. Verhöhne mich nicht! Ich bin nicht irgendein Wald- und Wiesenkobold!«

»Du hast mir doch die Köpfe der Elfen angeboten.«

Elija fuhr wütend herum. »Zweifelst du etwa an meinen Worten? Ich sage dir, den Elfenfürsten sitzen schon die Messer an den Kehlen, auch wenn sie davon keine Ahnung haben. Aber uns fehlt die Kraft, ihnen die Köpfe abzuschneiden. Die Kraft der Trolle! Als Verbündete werden wir unbesiegbar sein. Wenn die Elfen erst einmal vertrieben sind, werden wir einen Rat aus Trollkriegern und Kobolden gründen, um gemeinsam über Albenmark zu herrschen. Alle Völker werden dann gleich sein. Und Fürsten wird es keine mehr geben. Wir werden ein goldenes Zeitalter ...«

»Erklär mir doch bitte noch einmal die Sache mit den Messern an den Kehlen der Elfenfürsten«, unterbrach ihn Skanga.

Der Lutin wirkte einen Augenblick lang verwirrt. Zu sehr hatte er sich in den Träumen zukünftiger Herrschaft verfangen. Er atmete ein paarmal tief ein. Dann begann er erneut zu reden. In allen Einzelheiten schilderte er seinen Plan.

Als er endete, war Skanga begeistert. Elija hatte nicht zu viel versprochen. Den Elfen saßen tatsächlich die Messer an den Kehlen, und sie hatten in ihrer Überheblichkeit nicht die geringste Ahnung von dem Verhängnis, das über ihnen schwebte.

Erwachen

Ollowain strich sanft über das Stirnfell der Lutin. Es war struppig und ohne Glanz. Ihm fiel es schwer, in den Zügen der füchsköpfigen Koboldin zu lesen. War sie außer Gefahr? Seit zwei Tagen hatte ihr Herz nicht mehr ausgesetzt zu schlagen, doch noch immer wagte er nicht, seine Rechte von ihrer Brust zu nehmen.

Er wachte über den schwachen Schlag ihres Herzens, der flatternd und unregelmäßig zu fühlen war. Noch immer erschien es ihm so, als sei ihr müdes Herz jeden Augenblick bereit, stillzustehen. Selbst wenn es wieder zu Kräften kam, fürchtete Ollowain den Augenblick, in dem Ganda die Lider aufschlug. Niemand wusste zu sagen, welchen Schaden ihr Verstand genommen hatte. Anfangs hatte auch ihr Atem ausgesetzt. Sie war dem Tod so nahe gewesen!

Der Schwertmeister machte sich schwere Vorwürfe. Sie war zu ihm gekommen und hatte ihn in seinem Wahn wachgerüttelt. Und wie hatte er es ihr gedankt? Er hatte sie im Stich gelassen. Hatte nicht darauf gehört, was sie von ihm wollte. Dabei schien sie die Wahrheit entdeckt zu haben. Anders war nicht zu erklären, was geschehen war. Ihr verborgener Feind hatte der Lutin eine perfide Falle gestellt. Ollowain hatte gehört, dass Ganda in Begleitung zu ihrer Kammer gekommen war. Eigentlich hatte er sich noch einmal bei ihr bedanken wollen, aber dann hatte er entschieden zu warten und die Lutin nicht zu stören. Ihr Begleiter schien Ganda so sehr bedrängt zu haben, dass sie den Riegel vor ihre Tür gelegt hatte. Auch das war Teil des bösartigen Plans gewesen. Dem Apfelwein in ihrer Karaffe war starker Branntwein beigemischt worden. Die Lutin hatte sich betrunken in ihr Bett legen sollen. Zu benommen, um zu bemerken, dass dort der Tod auf sie lauerte. Und falls sie doch noch dazu gekommen wäre, um Hilfe zu rufen, hatte die versperrte Tür garantieren sollen, dass jede Rettung zu spät kam.