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... dachte er traurig. Zuletzt hatte er nur noch in ihre Augen gesehen. Sonst hätte er nicht ertragen können, was die Trolle ihr angetan hatten. Er wusste, sie wartete auf ihn.

»Weißt du um meinen Tod, Herrin?«

»Ich weiß um viele deiner möglichen Lebenswege«, entgegnete die Königin ausweichend.

»Und mein Tod?«, beharrte er.

»Willst du das wirklich wissen? Deine Frage ist nicht weise. Dein Tod hängt von dem Weg ab, den du wählst. Ich habe dich oft sterben gesehen.«

»Und wie kann ich mich schützen?«, setzte er nach und meinte doch das Gegenteil.

Sie lächelte traurig. »Gar nicht, Schwertmeister. Zu leben ist auf jeden Fall tödlich. Meide das Feuer, Ollowain. Du wirst in den Flammen sterben, so war es schon immer.«

Endlich gelang es ihm, ihren Blick einzufangen. »Du kennst den Weg meiner Seele? Meine vergangenen Leben? Wer war ich?«

»Sich nicht zu erinnern, ist ein Geschenk, Ollowain. Rühre nicht an dieser Gunst, die dir das Schicksal gewährt. Jede Wiedergeburt hat deine Seele geläutert. Du bist ohne Fehl. Vollkommen. Ich ...« Sie schüttelte sanft den Kopf. »Lassen wir die Vergangenheit ruhen. Warum Wunden, die verheilt sind, wieder aufreißen? Vertraue mir. Zu vergessen ist ein Geschenk. Nur so wird man wirklich in ein neues Leben geboren, wenn man wiederkehrt. Jenen, die geblieben sind, steht es nicht zu, selbstsüchtig an dieser Gnade zu rühren, mein Schwertmeister.« Sie schenkte ihm ein schmerzliches Lächeln. »Nun lass mich bitte allein. Es ist meine Pflicht, von neuem mit der Suche nach unserer Zukunft zu beginnen. Wir ...« Sie hielt inne und senkte den Blick.

»Ja?«

»Ich habe dir nie dafür gedankt, wie du mich aus dem brennenden Vahan Calyd gerettet hast. Du warst mein Schwert und mein Schild, als ich mich nicht zu schützen vermochte. Männer wie du sind selten, Ollowain. Danke, dass du an meiner Seite stehst. Du bist das Licht in meinen dunkelsten Stunden.«

Ihre Worte machten ihn verlegen. Er verbeugte sich knapp und zog sich zurück. Doch noch bevor er die hohe Flügeltür zum Thronsaal erreichte, schlichen sich Zweifel in seine Gedanken. Seit seiner Kindheit hatte er sich kaum mehr Gedanken darüber gemacht, wer er einst gewesen sein mochte. Hatte die Königin all dies nur gesagt, um ihn davon abzulenken, was sie getan hatte?

Am Tor blickte er zurück. Der Thronsaal war nun lichtdurchflutet. Emerelle stand ganz in sich gekehrt vor der Silberschale. Den Schatten haftete nichts Bedrohliches mehr an. Nur die beiden toten Nachtigallen auf der Armlehne des Throns erinnerten daran, dass etwas nach Albenmark gekommen war, das selbst die Königin fürchtete.

Der Fluch

Skanga riss den Stab hoch über den Kopf. Kälte griff nach ihren Gliedern. Das Ende war nahe. Wie ein Wollfaden wand sich zitternd das Licht aus ihrer Brust. Branbart starrte sie mit schreckensweiten Augen an. Ihm entwich das Lebenslicht durch seine großen Nasenlöcher.

Die Trollschamanin drehte den Stab langsam. Ihre zitternden Lippen formten die Worte, die sie einst von Matha Naht gelernt hatte. Dünn wie eine Eierschale umschloss sie ein Kokon aus stählernem Licht.

Skanga zerrte Branbart dicht an sich heran. Der König krümmte sich wimmernd wie ein Neugeborenes. Seine Hände krallten sich schmerzhaft in ihre Schultern. Metschwerer Atem schlug der Schamanin ins Gesicht.

Noch immer stürzten sie. Das Geschrei war erstorben. Tränen rannen über Skangas Gesicht. Die Seelen tausender junger Krieger waren vergangen. Die Schamanin spürte den Jubel der Yingiz. Ein solches Festessen hatte es noch nie gegeben. Ein ganzes Heer war dahin. Binnen Augenblicken.

»Ich verfluche dich, Emerelle!«, stieß sie stockend hervor.

»Mögen die Kinder in deinem Leib von Würmern gefressen werden, wenn du jemals empfangen solltest. Mögen die Werke deines Volkes Asche werden. Mögen deine Freunde dich verraten und deine Feinde ohne Zahl sein. Mögest du alles verlieren, was deinem Herzen Freude schenkt, und mögest du ewig leben, damit deine Qualen niemals enden!«

»Schick uns, Skanga«, flüsterte ein Chor von Stimmen in ihrem Kopf. »Du hast uns schon einmal gerufen. Wir erfüllen dir deine Wünsche gern. Bring uns ins Herzland, und wir lehren Emerelle das Fürchten

Skanga versuchte sich gegen die Stimmen zu verschließen. Sie hielt Branbart eng umklammert. Ja, sie gab sich sogar ihrer Angst hin. Sie war sich bewusst, dass ihr Sturz nur ein Trug war, wie fast alles in der Welt der Schatten. Dennoch fürchtete sie jeden Augenblick, auf felsigem Grund zerschmettert zu werden. Branbart stieß kurze, schrille Schreie aus. Wahn spiegelte sich in seinen Augen.

»Ich kann euch keinen Leib geben«, schrie die Schamanin. »Es ist nicht wie in Vahan Calyd. Ich kann euch hier nicht helfen.«

»Öffne uns ein Tor ins Herzland, Skanga. Das ist alles, was wir wollen. Wir brauchen keinen Leib. Furcht allein kann töten, Schamanin. Und wir sind die Meister der Furcht

»Eure Lügen täuschen mich nicht. Furcht allein wird nicht genügen, um Emerelle zu bezwingen. Ich lasse euch nicht nach Albenmark, wenn ich nicht über euch gebieten kann. Haltet ihr mich für so dumm? Welchen Nutzen hätte ich davon? Eines Tages würdet ihr in die Snaiwamark vordringen, um dort mein Volk zu quälen. Ich verhandle nicht mit euch zu euren Bedingungen.«

Lachen hallte in ihrem Kopf wider. Laut, gehässig, schmerzend. Skanga ließ den Stab sinken und presste sich die Hände auf die pochenden Schläfen. »Wir verhandeln nicht, Skanga. Wir machen dir einen großmütigen Vorschlag. Du bist in unserer Hand. Wir schenken dir dein Leben, wenn du uns ein Tor ins Herzland öffnest. Und wir schenken dir die Gewissheit, dass Emerelle leiden wird. Ist es nicht dein größter Wunsch, die Königin der Elfen zu zerbrechen? Öffne uns das Tor, und dein Wunsch wird sich erfüllen

Schatten perlten von der dünnen Haut des Zaubers, mit dem sich Skanga umgab. Sie war in Sicherheit! Die Yingiz konnten nicht bis zu ihr vordringen! Die Sinne der Schamanin tasteten sich in die Dunkelheit. Sie musste einen der goldenen Albenpfade finden. Dann wären sie und Branbart gerettet.

»Glaubst du wirklich, du könntest dich vor uns schützen?« Gelächter erklang. »Skanga, bist du dir sicher, dass deine Zauber so machtvoll wie die der Alben sind? Wollen wir es herausfinden?« Sie durfte nicht auf die Stimmen hören. Zu reden, das war alles, was sie konnten. Ihr Zauber schützte sie beide vor ihnen ...

Branbart seufzte. Das gelbe Licht eines Lächelns floss durch seine Aura. »Ja, das werde ich tun«, sagte er. »Ja.« Seine Hände schlossen sich um Skangas Kehle.

»Du Narr! Du bringst uns beide um!«

Der König lächelte noch immer. »Sie lassen mich gehen. Und sie vertreiben die Stimmen in meinem Kopf.« Seine Hände drückten fester zu. »Die Schreie ... Sie hören nicht auf, die Schreie meiner Krieger.«

Skanga bäumte sich auf. Ihre langen Nägel krallten sich in die Handgelenke des Königs, doch gegen seine Kraft vermochte sie nichts auszurichten. Ihre Lungen brannten, als habe man flüssiges Feuer hineingegossen. Vergeblich japste sie nach Luft.

»Wenn ich sterbe, vergeht mein Zauber«, stieß sie hervor. »Du tötest uns beide.« Noch immer war das Gelb des Lächelns im Lichtkörper des Königs zu sehen. Doch seine Aura verblasste langsam. Etwas Dunkles breitete sich in ihm aus. Die Farben vergingen. Plötzlich war sein Kopf verschwunden. »Sie haben es versprochen«, sagte er mit fremder, kehliger Stimme.

Skanga griff ihm ins Gemächt und drückte mit aller Kraft zu.

Branbarts Griff um ihre Kehle wurde nur fester. Die Schamanin spürte, wie sich knirschend einer ihrer Nackenwirbel bewegte. Sie musste an erstickenden, schwarzen Schlamm denken. Panik griff nach ihrer Seele. Es war wie damals in der Schreckensnacht ...