Выбрать главу

Hufschlag erklang hinter ihnen. Eine kleine Reiterschar preschte auf dem schlammigen Weg der Stadt entgegen. Ihr Anführer war ganz in Weiß gekleidet und ritt auf einem wunderbaren Schimmel. Das musste der Königssohn sein, von dem man nur hinter vorgehaltener Hand sprach. Ulric! Er war ein stattlicher Mann.

Kadlin und Kalf wichen ganz an den Rand des Weges aus. Die Jägerin war sich bewusst, dass sie den Königssohn in unziemlicher Weise anstarrte. Er war wirklich ein schöner Mann. Auch wenn er ein Wiedergänger war. Sein langes blondes Haar trug er offen. Ein kurzer Reiterumhang wehte um seine Schultern. Und er schenkte Kadlin ein freundliches Lächeln!

»Seid ihr so arm, dass du die alten Hosen deines Vaters auftragen musst, Mädchen?«, rief ihr ein Reiter aus dem Gefolge zu. Es war ein dunkelhaariger Kerl, dem gerade der erste zarte Flaum spross.

»Und du bist wohl ein krummbeiniger Kobold, der auf ein Pferd steigen muss, um auf ein Mädchen herabzublicken.« Kadlin konnte sehen, wie Kalf den Atem anhielt.

Der junge Reiter zügelte sein Pferd. »Du vergreifst dich im Ton, kleiner Rotfuchs. Ich bin Björn Lambison, der Sohn des Herzogs. Und hätte ich nicht so ein weites Herz, dann würde ich absteigen und dir den Hosenboden stramm ziehen, wie man es mit unartigen Mädchen macht.«

Kadlin deutete eine Verbeugung an. »Und ich bin Kadlin, die schon groß genug ist, um sich nicht hinter dem bedeutenden Namen eines Vaters zu verstecken.«

Björn lief rot an, während seine Gefährten lachten. »Wenn du kein Mädchen wärst ...«, stammelte er unbeholfen.

»Jetzt versteckst du deine Feigheit hinter der Ausrede, dass ich ein Mädchen bin. Ich mache dir einen Vorschlag. Da ich Hosen trage, tun wir doch einfach so, als hättest du es nicht bemerkt. Komm her und schlag dich mit mir! Sonst besuche ich deinen Vater und schenke ihm einen Rock für dich, denn mir scheint, dieses Beinkleid wäre angemessener für dich. Ich könnte auch ...«

»Kadlin!«, unterbrach sie Kalf scharf. »Es ist genug!« Er verbeugte sich unterwürfig vor Björn. »Bitte verzeiht meiner Tochter. Sie ist in der Wildnis aufgewachsen.«

Björn schwang sich aus dem Sattel. »Ich werde ihr jetzt die Tracht Prügel verabreichen, die du ihr besser beizeiten gegeben hättest.« Er löste seinen Schwertgurt und hängte ihn über den Sattelknauf.

Kadlin warf ihrem Vater den Bogen zu und legte ihren Köcher ab. Jetzt war ihr doch ein wenig mulmig. Nicht, weil sie Angst hatte, mit diesem Jüngling nicht fertig zu werden. Es war einfach dumm, sich mit dem Sohn eines Herzogs anzulegen. Aber es war bereits zu spät, um noch einen Rückzieher zu machen.

»Aus einem Kampf mit einem Weib erwächst keine Ehre«, sagte Ulric streng. »Lass das Mädchen in Ruhe.«

Björn war doch nicht so klein, wie er auf seinem riesigen Rotfuchs gewirkt hatte. Er war sogar eine halbe Handbreit größer als sie. Und er hatte die breiten Schultern eines Kriegers, obwohl er noch ein Jüngling war. »Ich werde der Kleinen nur ein wenig den Staub aus den Kleidern klopfen. Einen Kampf würde ich das nicht nennen. Lass mir den Spaß. Ich werde ihr schon nicht wirklich wehtun.«

»Willst du kämpfen oder endlos schwatzen wie ein Waschweib?« Kadlin wollte nicht einfach klein beigeben. Gewiss, das wäre klüger gewesen. Aber sie konnte dem Reiz nicht widerstehen, diesem arroganten Herzogssohn eine Lektion zu verpassen. Kalf hatte sich oft beklagt, dass in ihren Adern zu viel vom Blut ihres Großvaters floss. Ihr Großvater musste wohl ein arger Halunke gewesen sein, denn weder Mutter noch Kalf wollten ihr viel über ihn erzählen. Nicht einmal seinen Namen kannte Kadlin.

Björn schnellte vor und versuchte nach ihren Haaren zu greifen. Verdammter Mistkerl. Kadlin wich aus und rammte ihm den Ellenbogen vors Ohr. Der Jüngling keuchte vor Schmerz.

»Sieh dich vor! Die wilde Biene sticht, wie es scheint«, spottete ein älterer Krieger mit einer Brandnarbe im Gesicht. Dem Mal der Diebe.

Björn hatte nun beide Fäuste erhoben, um weitere Angriffe besser abblocken zu können.

Kadlin versuchte seine Deckung mit einem rechten Haken zu durchbrechen, doch der Jüngling wich geschickt zurück. Wieder griff sie an. Sie ließ einen wahren Hagel von Schlägen auf ihn los, landete jedoch nur einen Nierentreffer, dem es an Kraft gefehlt hatte.

Mittlerweile lachte niemand mehr. Gebannt verfolgten die Reiter den Zweikampf. Ihr Vater sah sie flehend an. Wollte er etwa, dass sie sich besiegen ließ?

Björn nutzte den Augenblick ihrer Unachtsamkeit. Er ging zum Angriff über, und gleich sein erster Schlag durchbrach ihre Abwehr. Er hatte eigentlich auf ihr Kinn gezielt, aber im letzten Augenblick änderte er die Schlagrichtung, sodass er sie hart auf der Brust traf.

Kadlin taumelte zurück. Statt nachzusetzen, blieb Björn stehen und wartete, bis sie sich wieder gefangen hatte. »Genügt dir das, Weib?« Hätte er einen anderen Tonfall angeschlagen, hätte sie vielleicht aufgegeben. Stattdessen winkte sie ihm mit der Linken. »Ich kenne Säuglinge, die ihrer Mutter kräftiger in die Brust kneifen, als du zuschlagen kannst.«

Diesmal lief Björn nicht mehr rot an. Sein Erfolg hatte ihn selbstsicherer gemacht. »Dann scheinst du wohl unter Trollen aufgewachsen zu sein. Das erklärt einiges«, entgegnete er lächelnd.

Kadlin schluckte ihren Zorn hinunter. Sie mit einem Troll zu vergleichen! Das würde er büßen. Die Jägerin wusste, dass es zu den Ritualen eines Zweikampfs gehörte, seinen Gegner zu beleidigen und ihn so wütend zu machen, dass er zu unbedachten Angriffen verleitet wurde. So leicht würde sie es ihm nicht machen.

Sie schnellte vor. Er wich mit dem Oberkörper leicht aus, sodass ihr Schlag ins Leere ging. Kadlin tat so, als gleite sie im Schlamm aus, um Björn zu einem leichtfertigen Angriff zu verleiten. Aber der Mistkerl trat zurück und wartete, bis sie wieder aufstand. So kämpfte man nicht!

»Bist du erschöpft, Mädchen?« Er sagte das nicht einmal spöttisch, was sie umso mehr ärgerte.

»Es geht schon«, stieß sie zornig hervor. »Können wir weitermachen?« Björn ging wieder in seine Abwehrstellung und wartete auf ihren Angriff.

Kadlin war ein wenig ratlos. Einen solchen Kampf hatte sie noch nie bestritten. Sie hatte überhaupt noch nicht viele Kämpfe gehabt. Ihre Schwester Silwyna war jünger und schwächer gewesen. Sich mit ihr zu prügeln lohnte sich nicht. Die Elfe hatte ihr beigebracht, wie man sich in einem Kampf verhielt. Sie hatte sie auch im Bogenschießen unterrichtet, obwohl Kalf ihr schon fast alles Wissenswerte beigebracht hatte. Kadlin musste sich eingestehen, dass sie in der Stimmung gewesen war, ihr Können zu erproben. Und das schien nun gründlich schief zu gehen. Im Grunde konnte sie von Glück sagen, dass der Kerl sie nicht einfach verprügelte. Wenn sie ihm wenigstens noch einen Treffer verpassen könnte ...

Sie tänzelte mit leichtem Schritt um ihn herum, täuschte Schläge an, um eine Lücke in seiner Deckung zu finden, und zog sich jedes Mal wieder zurück. Obwohl Björn ihr überlegen war, feuerten seine Kameraden sie an.

Kadlin versuchte sich an die üblen Tricks zu erinnern, die Silwyna ihr beigebracht hatte. Wenn sie Björn dazu bringen könnte, zu spät sein Standbein zu wechseln ... Die Jägerin schnellte vor. Mit einer raschen Folge von Finten zwang sie den Krieger, sich um seine eigene Achse zu drehen. Dann war der Augenblick gekommen: Sein rechtes Bein stand zu weit vor. Mit aller Kraft ließ sie den Absatz auf seine Zehen krachen. Björn prustete vor Schmerz. Im selben Augenblick durchbrach eine linke Gerade seine Deckung. Wie ein Blitzschlag schmetterte ihre Faust gegen sein Kinn. Kadlin hörte die Knochen ihrer Hand knirschen. Der Schmerz trieb ihr Tränen in die Augen.

Björn kippte nach hinten. Er fing den Sturz mit den Armen auf, saß auf dem Hintern und schüttelte benommen den Kopf, während seine Kameraden verstummt waren.

»Das war nicht sehr ritterlich!«, sagte der Königssohn trocken. Das freundliche Lächeln war aus seinem Antlitz verschwunden. Plötzlich wünschte sich Kadlin, sie hätte auf diesen schimpflichen Sieg verzichtet. Sie streckte Björn die Hand entgegen, um ihm aufzuhelfen.