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»Ich werde deinen Mann bei seinem Namen rufen und ihm sagen, dass ich dich liebe und er dich ziehen lassen soll.«

Ihre Augen weiteten sich vor Schrecken, und ihre Hände zitterten, als sie ihm antwortete. »Dann sind wir beide tot. Das ist kein Spaß, Räuberhauptmann.«

»Ohne dich ist mein Leben ebenso verwirkt.«

»Das sind nur leere Worte.«

»Ich sage sie deinem Mann ins Angesicht, auch wenn das mein Tod ist. Ich werde alles tun, um deine Zweifel an mir zu zerstreuen.« Er trat zwischen den Safranschleiern hervor ins Zimmer. »Ich hauche ihm das Geständnis meiner Liebe zu dir ins Ohr.«

Leylin setzte sich mit einem Ruck auf. »Nein!«, sagte sie laut und erschrak, weil es diesmal nicht ihre Finger waren, die gesprochen hatten.

Shandral wälzte sich auf die andere Seite und blinzelte. »Was hast du?«

»Ein schlechter Traum«, stammelte sie.

Melvyn stand wie versteinert. Der Fürst sah Leylin an. Noch hatte Shandral ihn nicht bemerkt. Doch die leichteste Bewegung mochte seine Aufmerksamkeit erwecken.

Die langen, schlanken Finger des Fürsten spielten mit Leylins Haar. Dann zog er mit einem plötzlichen Ruck ihren Kopf zu sich hinab und raubte ihr einen Kuss. »Du fürchtest mich«, flüsterte er, als sich ihre Lippen wieder trennten.

»Ja, Herr.«

»Deine Furcht stachelt mich an.« Er räkelte sich. Seine Stimme war noch schwer vom Schlaf. »Ich habe mich in dir erschöpft. Heb ein wenig von deiner Furcht bis Sonnenaufgang auf. Denk an die Schmiede!« Er zog das Seidenlaken hoch, schloss die Augen und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. »Man kann deine Angst riechen.«

»Die stickige Luft raubt mir den Atem, Herr. Ich werde ein wenig hinaus auf den Balkon gehen.« Er stieß einen Laut wie Lachen aus. »Glaubst du wirklich, es ist die schwüle Hitze, die dir die Luft abschnürt?« Leylin entwand ihm ihr langes Haar. Der Fürst lächelte. Dann schlief er wieder ein.

Melvyn starrte ihn voller Hass an. Er hatte schon viel gesehen in seinem Leben ... Aber das hier. Dieser parfümierte Kerl sollte an seinem eigenen Blut ersticken! Lautlos glitten die langen, stählernen Krallen aus seinen Armschienen. Shandral würde aussehen, als habe ein Schneelöwe mit ihm gespielt, wenn er fertig mit ihm war.

»Lass ihn!«, befahlen Leylins Hände. Sie ging so dicht an ihm vorbei, dass ihn ihr langes Haar berührte.

Melvyn blickte noch einmal zu Shandral. Der Fürst regte sich nicht. Lautlos folgte der Halbelf Leylin.

Sie legte einen Finger auf ihre schmalen Lippen. »Kein Wort!«, befahlen ihre Hände. »Unsere Stimmen würden ihn wecken.«

Sie drehte sich um und deutete auf die beiden seltsamen Gestelle, die auf der Brüstung standen. »Was ist das?«

Melvyn lächelte. »Ich werde es dir bald zeigen. Es ist ein Geschenk, auch wenn es etwas unansehnlich aussieht. Ich bin kein guter Zimmermann. Die Himmelssteige sind sehr stabil, aber ich weiß, sie sind nicht gerade hübsch geraten.« Melvyn musterte die beiden Gestelle versonnen. An den schlanken, senkrechten Stangen war jeweils ein breiter Ledergürtel befestigt.

Leylin betrachtete die beiden Gestelle neugierig und strich mit der Hand über das glatte Holz. Sie war nackt. Ihr langes schwarzes Haar umgab sie wie ein Schleier.

Der Anblick der Fürstin erregte Melvyn, und zugleich schämte er sich. Scham war ein Gefühl, das ihn nur sehr selten behelligte. Aber sie zu erpressen, hier herauszukommen, war falsch. Sie wäre ihm ausgeliefert, wie sie ihrem Mann ausgeliefert war. Eigentlich hatte Melvyn nur ein Abenteuer gesucht. Er sollte sich nicht von solchen Gefühlen wie Scham leiten lassen. Alles war so gekommen, wie er es sich gewünscht hatte. Nur dass Leylin so schutzlos war ...

»Soll ich dir das Kleid holen, das über dem Stuhl hing?«, fragten seine Hände, als die Elfe sich von den beiden Gestellen abwandte und ihn musterte.

»Was habe ich noch zu verbergen, das du nicht schon gesehen hättest, während ich noch schlief?«

»Deine Seele«, entgegneten seine flinken Finger leichthin.

»Tu das nicht!« Leylin standen Tränen in den Augen. »Ich weiß, dass du mich begehrst. Doch es ist keine Liebe, die du für mich empfindest. Ich habe meine Sehnsucht danach, geliebt zu werden, vor langer Zeit in meinem Herzen begraben. Wecke sie nicht, wenn du sie nicht erfüllen kannst. Mein Glück habe ich nicht gefunden. Lass mir wenigstens meinen Frieden mit mir.«

Melvyn schluckte. Er fühlte sich schmutzig. Vor ihm stand eine wunderschöne Elfe, die er so sehr begehrte, dass er sein Leben riskierte, um eine Nacht mit ihr zu verbringen. Und nun, da die Erfüllung seiner Wünsche zum Greifen nahe war, fühlte er sich nur noch elend. Was war er nur für ein erbärmlicher Wicht! Leylin war ein Opfer. Und so, wie sie sich ihm fügte, hatte sie ihren Stolz schon lange aufgegeben und sich damit abgefunden, gedemütigt zu werden. Das Feuer seines Verlangens war erloschen. Er wollte sie nicht nehmen. Er konnte es nicht mehr. Stattdessen wollte er ihr etwas schenken. Einen glücklichen Augenblick ... Vielleicht auch nur ein Lachen, das von Herzen kam.

»Man erzählt sehr viele Geschichten über mich.« Seine Hände bewegten sich jetzt unsicher. Er schaffte es, in der Zeichensprache zu stammeln wie ein frisch verliebter Jüngling. »Ich bin unter Wölfen aufgewachsen. Meine Mutter war oft fort. Vor allem, seit ich alt genug war, alleine zu jagen. Meinen Vater habe ich nie zu Gesicht bekommen. Er ist ein König in der Welt der Menschen. Das Einzige, was wir gemeinsam haben, ist der Hass auf die Trolle.«

»Du warst sicher oft einsam.«

»Nein, Wölfe sorgen gut für ihre Welpen. Erst als ich so alt war, dass ich mir einen Platz im Rudel erkämpfen musste, wurde es schwer. Meine Zähne taugen nicht dazu, mich mit Wölfen anzulegen. Lange Zeit war ich der Letzte aus unserem Rudel, der fressen durfte, wenn wir ein Wild gestellt hatten. Erst als wir durch Glück ein Riesenfaultier erlegten, änderte sich das. Ich habe ihm seine Krallen aus dem Fleisch gebrochen und zu meinen Krallen gemacht. Und meine Krallen siegten über die Zähne des Rudels. Von da an war ich der Erste, der fraß.«

Diese Geschichte hatte Melvyn noch keiner Frau erzählt, die er begehrte. Die Hofdamen machten sich verrückte, romantische Illusionen darüber, wie es wohl gewesen sein mochte, unter Wölfen aufzuwachsen. Sie konnten sich nicht vorstellen, was es hieß, im Winter auf dem kalten Fels eines Höhlenbodens nackt zwischen Wölfen zu liegen und sich fast zu Tode zu frieren, obwohl das Rudel versuchte, einen zu wärmen. Und sie wussten nicht, wie köstlich das blutige, warme Fleisch eines jungen Rentierkalbs schmeckte, wenn man seit drei Tagen nichts mehr gegessen hatte. Den Hofdamen erzählte er den romantischen Unsinn, den sie hören wollten. Aber Leylin mochte er nicht belügen. Sie stand nackt vor ihm. Ausgeliefert. Und er hatte das Gefühl, dass auch er sich ihr ausliefern sollte, und sei es nur, indem er ihr sagte, was er sonst niemandem über sich verriet.

»Als ich ein kleiner Junge war, habe ich mir im Sommer oft einen warmen Felsen gesucht, mich wie eine Echse darauf gelegt und in den Himmel gestarrt. Ich habe den Wolken zugesehen und den Adlern, die weit über mir ihre einsamen Runden zogen. Und ich habe mir gewünscht, dort oben zu sein, nahe der wärmenden Sonne. Frei über allem dahinzufliegen. Keine Fährte zu hinterlassen, wenn ich flüchte. Ganze Tage habe ich so verbracht.«

Leylin sah ihn unverwandt an. »Ich kenne diese Sehnsucht«, sagten ihre Hände.

»Hast du den Mut, dich deiner Sehnsucht hinzugeben?« Sie runzelte leicht die Stirn.