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Er brachte ein Kleid und drückte es ihr in die Hände. Es war federleicht, obwohl es lang genug war, um ihr fast bis zu den Knöcheln zu reichen. Und es fühlte sich wunderbar weich an, besser noch als das Fell von Katzenjungen. Ehrfürchtig strich sie über den Stoff. Er war in einem schönen, tiefen Blau gefärbt. An Hals und Ärmeln des Kleides gab es Schmuckborten. Mit dottergelbem Garn waren Falken aufgestickt, die mit angelegten Flügeln aus dem Himmel stürzten. Die Jägerin schnupperte an dem Kleid. Ganz schwach haftete ihm noch ein schwerer, sinnlicher Duft an.

»Dieses Kleid ist wie für dich gemacht. Du solltest es anlegen. Wie eine Königin wirst du darin aussehen.«

Kadlin runzelte die Stirn. Glaubte der Kerl tatsächlich, sie würde sich jetzt vor ihm ausziehen? Als habe er ihre Gedanken gelesen, deutete er auf einen dunklen Winkel, vor den ein schmutzig grauer Vorhang aufgespannt war. »Dort kannst du dich ungestört umkleiden.«

Die Jägerin war sich unsicher. »Wie viel kostet so ein Kleid?«

»Es wird den Sohn unseres Herzogs gewiss nicht zu einem armen Mann machen«, entgegnete der Händler ausweichend.

»Der Stoff wird angeblich tief im Süden hergestellt. Es heißt, Kinder weben ihn aus den Fäden von Spinnen. Ich halte diese Geschichte für Unsinn, aber etwas Besseres bekommt man nicht zu hören, wenn man nach dem Ursprung solcher Kleider fragt. Die Weiber dort scheinen klein und zierlich zu sein. Ich schätze, dir würde das Kleid sehr gut stehen. Du hast die Statur einer Elfe. Die Geliebte des Königs kommt manchmal hierher. Ich weiß, wovon ich rede.« Der Gedanke, sich im Haus eines Fremden zu entkleiden, hatte etwas Erregendes für Kadlin. So etwas hatte sie noch nie zuvor getan. Sie spähte in die dunkle Ecke mit dem grauen Vorhang. Warum nicht? Der Vorhang stank nach altem Schweiß. Er trennte in schrägem Winkel die hinterste Ecke des Ladens ab. Hier war es noch dunkler. Einzig durch ein Astloch an der Rückwand stach eine Lanze aus Licht. Kadlin presste die Wange an die Holzwand. Durch das Loch konnte man auf einen Hinterhof blicken. Sie lächelte. Ob der Händler neben Kleidern wohl auch Blicke auf seine Kundinnen feilbot? Sie zog den schweren Jagddolch aus ihrem Gürtel und drückte die breite Klinge langsam durch das Astloch. Sie stand nicht zum Verkauf! Hastig zog sie sich aus. Dann nahm sie das blaue Kleid. Plötzlich hatte sie Angst, sie könne es schon mit einer einzigen unbedachten Bewegung zerreißen. Ein Kleid, aus Spinnenfäden gewoben ... Luth-Priesterinnen sollten so etwas tragen. Spinnen waren Dienerinnen des Schicksalsgottes. Es wäre passend, wenn die Priesterinnen des Schicksalswebers in solche Gewänder gekleidet wären.

Vorsichtig zog die Jägerin das Kleid über den Kopf. Zart wie Blütenblätter streichelte es ihre Haut. Ein wohliger Schauer überlief sie, als der Stoff an ihr hinabglitt. Er weckte die Sehnsucht nach tastenden Händen, nach heißem Atem und Lippen, die ihre Brüste liebkosten. Was ihr Fischer wohl machte? Dachte er manchmal noch an sie? Sie hatte sich oft der Erinnerung an ihre gemeinsamen Stunden hingegeben.

Kadlin straffte sich. Ihre Hände strichen den Stoff glatt. So leicht war das Kleid, dass sie das Gefühl hatte, noch immer nackt zu sein. Der Händler hatte ein gutes Augenmaß. So weit sie es beurteilen konnte, passte ihr das Kleid. Vielleicht war es ein wenig zu kurz. Sie hatte sich verschätzt, als sie es an ihren Leib gehalten hatte. Es reichte nicht bis zu ihren Knöcheln, sondern nur bis dicht unter das Knie. An den Seiten war es geschlitzt. Man würde bequem darin gehen können.

Im Laden hörte sie gedämpfte Stimmen. Sie war neugierig zu sehen, wie sie in dem Kleid auf Männer wirkte. Kadlin strich ihr Haar glatt, dann zog sie den Vorhang zurück. Björn stand im Eingang und sprach mit dem Händler. Bei ihrem Erscheinen verstummte er abrupt und starrte sie an. Sein Mund stand offen. Er glotzte wie ein junges Kalb. Auch der Händler sah sie an. Er blickte nicht in ihr Gesicht, sondern ein wenig tiefer.

Kadlin sah an sich herab. Deutlich zeichneten sich durch den dünnen Stoff die Knospen ihrer Brüste ab. Das Blut schoss ihr in den Kopf. Ihre Wangen glühten, und ihr Mund war mit einem Mal staubtrocken. Eigentlich hatte sie Björn mit einem frechen Spruch empfangen wollen, doch alle Worte verdorrten in ihrer Kehle, bevor sie über ihre Lippen gelangen konnten.

»Wunderbar!«, beendete der Händler die Stille. »Vollkommen! Kein anderes Weib sollte dieses Kleid auch nur berühren dürfen. Ein solches Wunder lassen mich die Götter vielleicht einmal in sieben Jahren schauen. Es ist, als hätten die Himmlischen selbst das Kleid für dich geschaffen. Und nur für dich! Was denkst du, Björn? Als ich dein Weib zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich an eine Wildkatze. Aber jetzt! Sieh sie dir nur an! Ich glaube, dass nicht einmal die Königin der Elfen so schön ist.«

Der Herzogssohn strich sich über das verschorfte Kinn. »Ja, eine Wildkatze. Du sagst es ...« Kadlin verschränkte ein wenig steif die Arme vor der Brust, sodass man ihre Erregung nicht mehr sehen konnte. In ihr bekämpften einander widerstreitende Gefühle. Das Kleid zu tragen, gab ihr ein prickelndes, sinnliches Gefühl. Es war ein wenig wie jenes Gefühl, das sie den letzten Sommer über beherrscht hatte, wenn sie mit ihrem Fischer in die Klippen oder eine dunkle Bootshütte geschlichen war, um dort ihre Leiber ineinander versinken zu lassen. Eine aufstachelnde Vorfreude, fast so schön wie der Tanz der Leiber. Doch zugleich fühlte Kadlin sich nackt in dem Kleid. Anders als ihre Lederkleider übte es Verrat an ihr, denn es ließ jeden, der sie ansah, ihre Erregung erblicken. Es verhüllte ihre Gefühle nicht, nein, es gab sie preis, lautstark wie ein Marktschreier, der eine Zuchtkuh anpries.

»Bei den Göttern«, murmelte Björn mit krächzender Stimme.

»Das ist ...« Er hob hilflos die Arme. »Als sei ein Schmetterling aus seinem Kokon geschlüpft.«

»Bring mir einen Streifen feines Leinen«, sagte Kadlin, wandte sich halb ab und wurde sich im gleichen Augenblick bewusst, dass man bei der Bewegung durch den seitlichen Schlitz im Kleid ihre Schenkel sehen konnte.

»Gewiss, meine Schöne. Sofort.« Der Händler erwachte aus seiner lauernden Starre und wühlte in einer Kiste.

Kadlin zog sich in die schützende Ecke hinter dem grauen Vorhang zurück. Sie wollte dieses Kleid, aber sie musste es bändigen!

»Ist das hier das Richtige?« Der Händler warf einen langen Schal über den Vorhang. Er war von gelblichem, fein gewobenem Leinen. Vielleicht würde es gehen?

Die Jägerin streifte das Kleid ab und schlüpfte in ihre enge Hirschlederhose. Dann zog sie die wadenlangen, abgetragenen Stiefel an. Sie waren bequem, aber verglichen mit dem wunderbaren Kleid kamen ihr nun all ihre anderen Besitztümer schäbig vor.

Leise feilschten der Händler und Björn miteinander. Erst glaubte Kadlin, sie habe nicht recht gehört, doch dann beharrte der Krämer wieder und wieder auf seiner völlig übertriebenen Forderung. Selbst drei Winter würden nicht genügen, um ausreichend Pelze zu erjagen und die Forderung des Händlers zu erfüllen. Ein solches Geschenk konnte sie nicht annehmen!

Der pulsierende Schmerz in ihrer Linken bohrte sich in ihre Gedanken. Es war die Hand, mit der sie den Bogen hielt. Sie würde sich im Wettkampf der Bogenschützen weit unter Wert verkaufen. Und alles nur, weil Björn sie gereizt hatte. Vielleicht würde sie nicht einmal unter die Jäger des Königs aufgenommen werden?

Kadlin fluchte leise. Sie brauchte dieses Kleid! Sie hatte sich fest vorgenommen, bis zum Winter einen Mann zu finden, der zu ihr passte. Sie wurde alt! Das Leben in der Wildnis würde bald schon Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen.

Sie strich über den zarten blauen Stoff des Kleides. Es würde die Männer anlocken, wie ein Topf Honig die Fliegen lockte. Wenn sie es besaß, wäre sie nicht mehr darauf angewiesen, unter den Jägern des Königs aufgenommen zu werden.

Sie nahm den Leinenschal und wickelte ihn sich straff um ihre Brüste. Nun würde niemand mehr die verräterischen Knospen sehen. Vorsichtig streifte sie erneut das Kleid über. Verliebt darin, ihn zu berühren, strich sie den blauen Stoff glatt. Sie nahm ihren braunen Gürtel und schnallte sich ihn um die Taille. Dann zog sie das Jagdmesser aus dem Astloch und schob es zurück in Scheide. Schließlich warf sie sich den Köcher über die Schulter, nahm den Bogen und ihr altes Lederhemd und trat hinter dem Vorhang hervor.

Der Händler sah sie und stöhnte auf, als habe er einen Fausthieb in den Magen bekommen. »So geht das nicht. Man trägt kein Kleid auf einer Hose. Das sieht ja aus wie ...« er breitete die Arme aus. »Das sieht aus wie ... Wie eine Rose auf einem Kuhfladen!«

Björn lachte schallend. »Nein! Sie sieht aus wie eine Wildkatze, die sich in eine Kleidertruhe verirrt hat. So passt das Kleid zu ihr.«

Kadlin ballte die unverletzte Faust. Einen Atemzug lang war sie versucht, dem ungehobelten Kerl einen weiteren Haken zu verpassen. Aber wenn sie noch einmal so zuschlug wie heute Morgen, dann würde sie dem Bogenschützenwettkampf nur noch als Zuschauerin beiwohnen können.

»Wollen wir gehen?«, fragte sie kühl.

»Wohin immer du willst, meine Schöne. Ich würde dir mit Freuden bis ans Ende der Welt folgen.«

»Du hast Glück, vorerst will ich nur bis zum Schützenplatz am anderen Ende der Stadt.«

»So? In diesem Aufzug?« Er schüttelte den Kopf. »Das geht nicht!«

»Warum?« Sie war stehen geblieben und stemmte trotzig die Hände in die Hüften. »Bist du jetzt doch derselben Meinung wie der Krämer?«

»Du wirst sie völlig verrückt machen, die anderen Bogenschützen. Sie werden dich angaffen. Du wirst ihr Blut in Wallung bringen. Sie ..,«

»Ich denke, ich sehe aus wie eine Wildkatze, die durch eine Kleidertruhe getollt ist?«

Björn lächelte verzweifelt. »Ich wollte dich damit nicht beleidigen. Jeder Jäger bewundert die Wildkatzen, ihre Schönheit und die gleitende Anmut ihrer Bewegungen.«

Kadlin hielt ihm ärgerlich die bandagierte Hand entgegen.

»Von der Anmut meiner Bogenkünste hat dein Kinn nicht viel übrig gelassen. Mir ist es nur recht, wenn ich die anderen durcheinander bringe. Das ist Luths gerechter Ausgleich dafür, dass ich mit der gleichen Anmut schießen werde, mit der ein besoffenes Pferd durch einen Apfelhain taumelt.«