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Goldene Augen mit einer geschlitzten Pupille musterten den Schwertmeister. Eine Nase wie eine Rübe saß der Hexe im Gesicht. Zwischen ihren schmalen Lippen steckte eine lange Meerschaumpfeife.

»Ein Elf von edlem Geblüt hat sich noch nie zu mir verirrt.«

Die Hexe erhob sich und strich sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ihre warme, sinnliche Stimme wirkte unpassend. Einen flüchtigen Augenblick lang überlegte Ollowain, ob sich die Hexe diese Stimme wohl gestohlen haben mochte.

»Meine Gefährtin braucht Hilfe. Du musst sie heilen.« Die Hexe schnalzte mit der Zunge. »So schlimm steht es schon, dass ein hoher Elf eine diebische Lutin Gefährtin nennt. Haben alle anderen schon ihr Blut vergossen? Müsst ihr nun Beutelschneider und Kinderdiebe eure Schlachten schlagen lassen?«

Sie machte eine herrische Geste. »Leg sie dort vorne auf das Kleiderbündel.« Ollowain gehorchte und schluckte seinen Ärger über die hochnäsige Art der Hexe.

Das Koboldweib tastete die Lutin ab und schüttelte traurig den Kopf. »War es das wert, dein Fleisch und deine Knochen für ihre Sache zu geben?«, fragte sie Ganda leise. Doch die Lutin konnte sie nicht hören.

»Kannst du sie heilen?«

Die Reptilienaugen der Hexe musterten Ollowain kalt. »Ich kann das Fieber aus ihrem Leib treiben und sie füttern, bis sie wieder zu Kräften kommt. Aber eine Hand kann ich ihr nicht geben. Die ist für immer verloren. Es sei denn ...« Sie kaute nachdenklich auf dem Mundstück ihrer Pfeife.

»Es gibt Hexen, die können aus einem abgeschnittenen Finger eine neue Hand wachsen lassen. Aber das ist dunkle Magie, die man übt, wenn der Mond sein Antlitz verbirgt und warmes Blut vergossen wird. Mit so etwas gebe ich mich nicht ab ... Allerdings kenne ich einen Handwerker, der könnte ihr eine Hand aus lebendem Silber machen. Die wäre fast so gut wie eine echte Hand.« Sie lächelte und blies Ollowain einen Schwall Tabakrauch ins Gesicht. »Man verbrennt sich nicht mehr die Finger, wenn man einen heißen Topf vom Feuer nimmt. Hat alles seine guten Seiten, wenn man sie denn sehen will.«

»Und so eine Hand kannst du ihr geben?«

»Darüber muss sie selbst entscheiden. Sie ist in einem Maße verstümmelt, wie du es dir kaum vorstellen kannst, Elf. Die Lutin sind ein Volk, das sich gerne verwandelt. Sie schnüren als Füchse durch das hohe Gras, schwingen sich als Falken in den Himmel oder wühlen sich in Gestalt von Dachsen tief ins dunkle Herz der Erde hinein. Sie wird all dies nicht mehr tun können. Ganz gleich, wie sie sich verwandelt, die Hand aus lebendem Silber wird ihre Form nicht verändern. Wie ein ehernes Sklavenhalsband wird sie die Lutin in ihrem Körper gefangen halten. Doch wenn sie die Hand ablehnt, wird es auch nicht besser. Sie wäre dann ein Fuchs mit drei Pfoten, ein Falke, dem ein Stück seines Flügels fehlt. Du hast dein ganzes Leben dem Schwert gewidmet, Elf. Das sieht man dir an. Der Art, wie du dich bewegst und wie die Augen nie zur Ruhe kommen. Du bist stets bereit zum Kampf. Aber was wärst du noch, wenn ich dir deine Schwerthand abschneiden würde? So geht es der Lutin. Ihr Leben gehörte der Magie. Der Wandelbarkeit. Nun muss sie einen neuen Weg für sich finden. Und ich werde ihr diesen Weg nicht bestimmen. Sie wird Zeit brauchen, ihn zu finden. Gedulde dich so lange. Dränge sie nicht.«

»Ich kann nicht bleiben, bis sie sich entschließt. Ich muss zu Emerelles Burg.« Die Hexe hob eine einzelne Augenbraue.

»Und ich dachte schon, du wärst anders. Nun, dann muss ich darauf bestehen, dass du mich im Voraus bezahlst.«

Ollowain zuckte mit den Schultern. »Nenne mir deinen Preis, und ich werde dir schicken lassen, was immer du verlangst.«

Die Hexe lachte. »Hältst du mich für einfältig wie eine Kaulquappe? Weißt du was? Ich erneuere den Verband der Kleinen, und dann kannst du sie mitnehmen zur Königin, wenn du es so eilig hast.«

»Sie kann nicht an den Hof.«

»Hat einer von euch Dreck am Stecken? Und ich soll in diese Sache mit hineingezogen werden und auch noch darauf hoffen, dass du nicht auf Nimmerwiedersehen verschwindest? Ich habe gelacht. Jetzt lass dir etwas Ernsthaftes einfallen, Elf.«

»Du kannst mein Schwert haben. Ich werde es auslösen. Es ist eine sehr kostbare Waffe.«

»Gib es mir!«

Er reichte ihr das Schwert mit dem Griff voran. Es kostete die Hexe Mühe, die Klinge blank zu ziehen. Mit spitzen Fingern berührte sie den Elfenstahl und zuckte zurück wie vor dem Biss einer Viper. »Das bleibt nicht in meiner Hütte! So viele Seelen.«

Sie sah Ollowain erschüttert an. »So viele Seelen«, wiederholte sie. »Bring diese verfluchte Waffe hinaus. Verlass meine Hütte! Weißt du überhaupt noch, wie oft du mit dieser Waffe getötet hast? Auch wenn du hier erscheinst wie ein Bettler, du bist wahrlich ein Fürst. Ein Fürst des Todes! Hinaus mit dir.«

»Ich kann ...«

»Nicht hier!« Sie griff nach dem Buch, das er auf dem Boden abgelegt hatte, um Ganda auf das Lumpenlager zu betten. Ihre Finger glitten widerstandslos durch den Buchdeckel und die Seiten. Verdutzt betrachtete die Hexe ihre Fingerspitzen. Dann sprang sie auf, spuckte in alle vier Himmelsrichtungen und murmelte irgendeine unverständliche Beschwörung. Ganz außer Atem wandte sie sich wieder an den Schwertmeister. »Du musst ein Verfluchter sein. Nimm das Buch und das Schwert! Geh jetzt! Ich werde dir draußen sagen, was mein Preis ist.«

Zögerlich streckte Ollowain die Hand nach dem Buch aus. Für ihn war es wirklich. Er konnte es aufheben; es schmiegte sich in seine Finger, als habe es auf ihn gewartet. Vorsichtig kroch der Elf rückwärts aus der Hütte. Die Schlangenaugen verfolgten ihn.

Drückende Hitze lag über dem Schilfröhricht. Der Mausling schlief. Ollowain wischte sich über die schweißnasse Stirn. Endlich teilte sich die Wand der Hütte. Eine schlanke Koboldfrau mit weißer, fast marmorner Haut trat hinaus. Das lange Haar reichte ihr bis zu den Hüften. Sie war nackt wie die Hexe.

»Was gaffst du, Elf?«, fragte sie mit heiserer Stimme. Federn waren in ihr Haar geflochten. Und eine Eidechse, die vergebens versuchte, sich aus ihrer schwarzen Fessel zu befreien.

»Du bist ...«

»Metamorphosen. Verwandlungen. Ich weiß, welchen Preis dein Koboldmädchen bezahlt.« Die schnarrende Stimme schmerzte in den Ohren. Schlangenaugen hielten Ollowain gefangen. »Ärgerlich, nicht wahr? Leib und Stimme wollen bei mir nie zusammenpassen. Doch reden wir über den Preis, Fürst des Todes. Ich werde nicht fragen, warum ihr beide nicht zu Emerelles Burg könnt. Aber bei meinem Preis wird es eine Rolle spielen. Ich will einen Streifen deiner Haut. Breit wie ein Finger und so lang wie mein Unterarm.«

Der Schwertmeister sah sie fassungslos an. Er suchte in ihrem Gesicht nach einem verstohlenen Lächeln. Einem Zucken in den Mundwinkeln, einem Augenzwinkern. Irgendeinem Zeichen, das ihre Worte als einen schlechten Scherz entlarvte. Aber da war nichts.

»Was ...« Seine Stimme versagte ihm. Er räusperte sich, musste husten. »Was willst du damit?«, stieß er stockend hervor.

»Ein Stück lebendiger Elfenhaut, das kann man für viele Dinge nutzen. Ich könnte kleine Pflaster daraus schneiden. Das hilft gegen Warzen. Vielleicht brauche ich auch einen Gürtel. Oder ich nutze die Haut, um einen Beherrschungszauber auf dich zu legen. Der Schwertmeister von Albenmark, einer Koboldhexe verfallen. Das wäre doch einmal ein Scherz. Vielleicht will ich auch einfach nur sehen, wie viel dir an der kleinen Lutin gelegen ist.« Sie zog eine kleine Obsidianklinge zwischen ihren Haarsträhnen hervor. »Bist du bereit zu zahlen?«

Ollowains Gedanken überschlugen sich. Hatte er eine Wahl? Wenn Ganda mit auf die Burg kam, dann würde sich Emerelle nicht damit zufrieden geben, wenn er behauptete, er habe das Buch gestohlen. Es war besser, wenn er allein ging. Mehr als vierzehn verfluchte Jahre! Wahrscheinlich wartete schon längst ein Abgesandter der Bibliothek. Er kannte die Königin. Sie würde versuchen, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Aber letzten Endes würde Emerelle sich nicht über das Gesetz stellen. Sie würde die Lutin opfern, aber nicht ihren Feldherrn und Schwertmeister. Ganda musste deshalb hier bleiben. Ganz gleich, was geschah, sie durfte auf keinen Fall zur Burg zurückkehren.