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Ollowain hörte ein leises Sirren. Er drückte sich an die Hauswand und zog blank. Ein Armbrustbolzen schrammte funkenstiebend über das Straßenpflaster.

Schatten glitten die Palastwand hinab. Der Krieger mit den Krallenhänden stürmte vor, doch ein Trupp Armbrustschützen, der am Ende der Gasse erschien, versperrte ihm den Fluchtweg. Die Kobolde beugten die Knie und hoben drohend die Waffen an die Schultern.

Ollowain atmete ganz ruhig und musterte die Spinnenmänner. Sie waren berüchtigt dafür, ihre Geschosse zu vergiften. Doch in ihrem Eifer, den Elfen zu ergreifen, hatten sich zu viele von ihnen in die Gasse abgeseilt. Sie konnten nicht mehr schießen, ohne Gefahr zu laufen, einander zu treffen.

Eine gedrungene Gestalt löste sich aus der Schützengruppe am Ende der Gasse, ein Kobold mit einem nietenbeschlagenen Lederwams. Ein eckig gestutzter Bart wucherte auf seine Brust hinab, der Schädel war kahl geschoren. Zwei Krieger mit Armbrüsten im Anschlag begleiteten ihn.

Ollowains Blick wanderte über die Kobolde. Sie standen auf den Dächern rings herum, an beiden Enden der Gasse und drückten sich mit drohend erhobenen Waffen an die Hauswände. Es waren mindestens dreißig.

Der Elf mit den Krallenhänden wich ein Stück zurück. Er sah sich um, suchte einen Fluchtweg. Plötzlich lächelte er, und seine Zähne schimmerten weiß in der Dunkelheit. »Ein schlechter Ort für einen nächtlichen Spaziergang, Kamerad. Tut mir leid.« Er ließ sich zu Boden fallen und rollte sich seitlich in einen Hauseingang.

Bolzen sirrten. Ollowain machte einen Satz nach vorn. Sein Schwert wirbelte in silbernen Kreisen. Kreischend glitt ein Geschoss an der Klinge ab. Der Ruck riss ihm fast die Waffe aus der Hand. Obilees Umhang flatterte um seine Schultern und machte ihn für die Kobolde in seinem Rücken zu einem unsicheren Ziel.

Der Schwertmeister bewegte sich wie ein Tänzer, doch war sein Rhythmus nicht vorhersehbar. Er duckte und spannte sich, machte einen überraschenden Seitschritt und wechselte einen Lidschlag später schon wieder sein Bewegungsmuster. Sein Ellenbogen traf einen Kobold an der Kehle, der Knauf seines Schwertes hämmerte gegen eine Schläfe. Röchelnde, sich krümmende Kobolde säumten seinen Weg.

Der Glatzkopf wich zurück und zog einen Dolch mit gezackter Klinge. Wieder kreischte Metall auf Metall. Ollowain drehte dem Krieger die Waffe aus der Hand. Ein Tritt und ein Schwerthieb mit der flachen Seite schickten die Eskorte zu Boden. Ollowains Finger krallten sich in den dichten Bart. Eine letzte Drehung, und er stand mit dem Rücken zur Wand. Den Anführer der Kobolde hatte er hochgerissen und hielt ihn wie einen Schild vor seiner Brust. »Im Namen der Königin, die Waffen nieder!«

»Du machst einen Fehler«, zischte der glatzköpfige Kobold.

»Du hast dich auf die falsche Seite geschlagen. Wir stehen in Diensten eines Elfenfürsten und verteidigen lediglich sein Heim.«

»Ich kenne keinen Elfenfürsten, der eine Gasse sein Heim nennt.«

»Fürst Shandral von Arkadien hat wenig übrig für solche Wortklaubereien, Fremder.«

Ollowain setzte den Anführer der Kobolde vor sich auf der Straße ab. »Dann werde ich es wohl am besten mit direkten Befehlen versuchen.« Ollowain ließ den grünen Umhang von seinen Schultern gleiten. »Vor dir steht Ollowain, Schwertmeister der Königin und Oberbefehlshaberin ihres Heeres.«

Der Kobold blickte ihn mit harten Augen an. »Und ich bin Hauptmann Madrog, Befehlshaber der Leibwache Shandrals, des Fürsten von Arkadien. Ich werde den Mann dort drüben vor meinen Fürsten schaffen.«

»Eben erschien es mir noch, als wolltet ihr ihn umbringen.«

Um die Augen des Kobolds bildeten sich tiefe Fältchen, als lache er still in sich hinein. »Wenn ich das gewollt hätte, dann läge er jetzt in seinem Blut reglos auf dem Pflaster.«

»Und welchen Verbrechens hat er sich schuldig gemacht?«, fragte Ollowain gereizt.

Der Hauptmann zögerte einen Augenblick. »Er ist ein Dieb«, sagte er schließlich.

»So. Du treibst viel Aufwand, um einen Dieb zu stellen, Hauptmann.«

»Ich bin eben gewissenhaft«, entgegnete der Kobold in beißendem Ton.

»Dir ist bewusst, dass ich als Oberbefehlshaber in einem Fürstentum unter Kriegsrecht auch die oberste Gerichtsbarkeit ausübe?«

Madrog verdrehte die Augen. »Du wirst dich doch nicht mit solchen Kleinigkeiten aufhalten, Schwertmeister.«

Welch ein Schlitzohr, dachte Ollowain. Einen Augenblick lang war er tatsächlich versucht, die Sache auf sich beruhen zu lassen. »Ich nehme den Dieb in Gewahrsam, und ich brauche keine Eskorte, um mit ihm sicher ins Heerlager zu gelangen.«

»Du solltest dich da wirklich nicht einmischen, Herr. Das wäre ein Fehler. Du ...«

»Du drohst mir?« Ollowain schob sein Schwert in die Scheide zurück. Er nahm den Umhang auf, strich über den Stoff und bohrte einen Finger durch eines der Löcher, das die Armbrustbolzen gerissen hatten. »Ein Mordanschlag auf den Oberbefehlshaber der Königin. Das reicht, um selbst einem Elfenfürsten eine Seidenschlinge um den Hals zu legen.«

Der Krieger mit den Krallenhänden lachte.

Madrog hob abwehrend die Hände. »So war das nicht gemeint. Das weißt du, Herr. Wir hatten ja keine Ahnung ...«

»Ach so«, unterbrach ihn Ollowain in schneidendem Ton. »Du bringst also wahllos Leute auf der Straße um. Das ändert natürlich alles. Dann kann man deinem Herrn wohl nur vorwerfen, dass er bei der Wahl seiner Söldner schlecht beraten war. Dir allerdings bringt das einen Hanfkragen ein.« Ollowain strich sich nachdenklich über das Kinn. »Es ist immer ganz gut, ein neues Kommando mit ein paar Hinrichtungen zu beginnen. Dann ist allen klar, dass Intrigenspiele um die Autorität nur Zeitverschwendung sind.«

Madrog wich einen Schritt zurück. Dann winkte er seinen Kriegern. »Wir überstellen unseren Gefangenen an den Schwertmeister der Königin.«

Madrogs Männer waren eine disziplinierte Truppe. Sie zogen sich ohne zu zögern zurück. Einige von ihnen mussten getragen werden, doch niemand murrte über den Befehl ihres Anführers.

»Ich hoffe auf deinen Sinn für Gerechtigkeit«, sagte der Hauptmann vieldeutig. Er verneigte sich zackig und ging zum Portal des Palastes.

Ollowain blickte zu dem Krieger mit den Krallenhänden. Seine seltsamen Waffen waren verschwunden. Er lehnte aufreizend lässig an der Wand und hatte grinsend die Auseinandersetzung mit den Kobolden beobachtet. Jetzt verneigte auch er sich, doch jede seiner Bewegungen war eine Parodie auf Madrogs stramme Haltung. »Es ist mir eine Ehre, von dir gerettet worden zu sein, Schwertmeister. Du gestattest, dass ich mich vorstelle. Melvyn, Sohn der Silwyna und des Alfadas. Da ich in den Augen der meisten Fürsten so etwas wie ein Räuberhauptmann bin, machst du dich besser auf einigen Ärger gefasst, Onkel.«

»Uns verbinden keine Blutsbande«, entgegnete der Schwertmeister schroff. Melvyn! So also sah er aus. Schon im Winter vor fünfzehn Jahren hatte er einiges über Silwynas Sohn gehört. Das Kind, das es eigentlich nicht geben durfte, denn Elfen und Menschen konnten miteinander keine Kinder zeugen. So hatte es jedenfalls immer geheißen.

»Da du der beste Freund meines Vaters bist, betrachte ich dich trotzdem als Onkel. Der Teil meiner nicht pelztragenden Verwandtschaft ist so klein, dass ich auf solche Feinheiten keine Rücksicht nehmen kann. Ich ... Ach, Mist!«

»Bitte?«

»Vergiss es! Mein Vater hat sich mein ganzes Leben noch nicht bei mir blicken lassen. Für ihn gibt es mich nicht. Vergiss den Quatsch mit dem Onkel. Wenn du ein Freund bist, dann bring mir diesen Trick mit den Armbrustbolzen bei. Sah sehr eindrucksvoll aus. Und ich lasse mich nicht schnell beeindrucken.«

Ollowain schüttelte sanft den Kopf. Er mochte den Jungen. Irgendwie erinnerte ihn Melvyn an Mandred. Das Blut des Fjordländers schien in Melvyn viel stärker zu sein als in Alfadas. Aber vielleicht lag das auch nur daran, dass Alfadas am Hofe Emerelles aufgewachsen war und Mandred in irgendeinem verräucherten Langhaus. So ein Langhaus kam einer Wolfshöhle sehr viel näher als dem Hof der Elfenkönigin. »Ich fürchte, ich muss dich enttäuschen, Melvyn. Dieser Trick, wie du es nennst, war der Tanz der Pfeile. Ich habe fast hundert Jahre gebraucht, um ihn zu meistern. Dabei bin ich siebenundzwanzigmal verletzt worden. Dreimal so schwer, dass ich nur überlebte, weil mir eine Heilerin mit der Kraft eines Albensteins zur Seite stand.« Ollowain scheute davor zurück, Emerelles Namen direkt auszusprechen. So vieles hatte die Königin für ihn getan. So oft hatte sie ihn gerettet! Und nun wollte sie seinen Tod. Er würde gehorchen, aber er verstand sie nicht.