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Oder bildete er sich das alles nur ein? Der Hügel war der beste Platz. Vielleicht hatten sie ihn auszeichnen wollen? Das harte Leben hier in den Bergen ließ den Menschen keine Zeit, kompliziert zu sein. Sie sagten meistens geradeheraus, was sie dachten.

Die feinen Härchen in seinem Nacken richteten sich auf. War da ein Geräusch? Etwas bewegte sich im Nebel. Kein Mann. Kehliges Knurren erklang. Alfadas schwenkte die Fackel. Wie aus dem Nichts erschien ein großer, schwarzer Hund. Die Zähne gefletscht, kam er mit steifen Schritten näher. Ein tiefer, blutiger Striemen lief über seine Schnauze.

»Bei Fuß, Blut!«, erklang eine herrische Stimme im Nebel.

Der Hund blieb stehen. Er zitterte vor Anspannung. Alfadas rechnete damit, dass ihn die Bestie jeden Augenblick anspringen würde. Sie hatte ein struppiges schwarzes Fell. Eine breite Lederschlinge lag um ihren Hals.

»Ich grüße dich, Jarl.« Ein stämmiger Mann trat hinter den Hund und zog einen Riemen durch die Halsschlinge. »Aus!«, schnauzte er den Hund an, der sich widerwillig niederlegte.

»Sei gegrüßt, Ole Ragnarson.« Alfadas gab sich nicht die Mühe, einen herzlichen Tonfall zu heucheln. Er mochte den Bruder seines Schwiegervaters nicht. Ole war ein verschlagener und brutaler Kerl. Er züchtete Hunde und quälte sie so lange, bis sie blutgierige Bestien wurden.

»Willst du mich nicht hineinbitten?«

Ole wusste genau, was er von ihm hielt. Die beiden maßen einander mit Blicken. Der Hundezüchter war ein stämmiger Mann mit langem, rotem Haar. Sein fleischiges Gesicht wurde von einem schlecht gepflegten Bart gerahmt, in dem sich breite graue Strähnen eingenistet hatten. Ole trug einen schönen, tiefroten Umhang, der von einer Bronzebrosche gehalten wurde. Er roch wie seine Hunde nach nassem Fell, Pisse und fauligem Fleisch. »Dein Hund kommt nicht in mein Haus.«

»Das wäre keine weise Entscheidung, Jarl. Jeder weiß, wie reizbar meine Schätzchen sind.« Er hielt die Leine hoch. »Was glaubst du, wie lange Blut brauchen wird, um das hier durchzubeißen? Möchtest du wirklich, dass ein Hund wie er durch das Dorf streift? Du weißt, ich richte sie darauf ab, sich sogar mit Wölfen und Bären anzulegen. Und sie sind immer hungrig. Ich könnte mir vorstellen, dass Blut einen Besoffenen, der durch die Nacht torkelt, mit leichter Beute verwechselt. Wenn du natürlich eine Kette hättest, dann könnten wir ihn hier draußen festmachen.«

Ole wusste genau, dass es in keinem einzigen Haus des Dorfes eine Kette gab. Eisen war viel zu kostbar, um es für Ketten zu verschwenden.

»Warum hast du dieses Mistvieh überhaupt mitgebracht?«

Der Hundezüchter lächelte breit. »Du hast doch sicher heute Abend auch ein paar Männer von den Einödhöfen unter deinen Gästen. Die können draußen in der Wildnis immer einen guten Hund gebrauchen. Man sperrt ihn in einen Käfig, und sobald sich ein Fremder dem Hof nähert, schlägt er an. So etwas ist gut, wenn man in der Einsamkeit lebt. Außerdem sind meine Hunde hervorragend zu jeder Form von Jagd geeignet. Ganz gleich, ob man einem Elchbullen nachstellt, ein Wolfsrudel vertreiben will oder einen entlaufenen Sklaven zurückholen möchte. Meine Hunde machen jede Blutarbeit. Und sie gehorchen, solange ihr Herr und seine Peitsche in der Nähe sind, nicht wahr, Blut?«

Der Hund starrte Ole hasserfüllt an. Im Gürtel des Züchters steckte eine Peitsche, in deren lange Riemen Bleikugeln und Domen eingeflochten waren.

»Wenn ich einen Hund verkaufe, dann gebe ich immer die Peitsche dazu, mit der ich ihn großgezogen habe. Sie wissen dann, wer ihr neuer Herr ist. Vor allem, wenn man sie gleich nach dem Kauf mit der Peitsche ordentlich durchprügelt.«

»Bring diesen Hund weg, und du bist mir als Gast willkommen.«

Ole trat so dicht an ihn heran, dass Alfadas dessen stinkenden Atem riechen konnte. »Schick mich fort, und ich gehe ins Dorf, um jedem zu erzählen, dass du mir zum Fest den Zutritt in das Haus meiner Nichte verweigert hast, Jarl. Zum nächsten Vollmond wird das Dorf den neuen Jarl wählen. Ich dachte immer, der Titel sei dir wichtig, Alfadas Mandredson? Ein Mann, der einem Verwandten das Gastrecht verwehrt, wird bei der Wahl einen schweren Stand haben. Kalf hat viele Freunde. Man munkelt, sogar dein eigenes Weib mag ihn.« Er lächelte anzüglich.

»Vielleicht sogar ein bisschen mehr als das.«

Alfadas legte die Hand auf den Griff des Messers an seinem Gürtel.

Ole lachte. »Dein Vater hätte mich schon längst niedergestochen. Aber du hast verdammt wenig vom großen Mandred an dir, Elfenbastard.«

»Du weißt, dass ich kein Halbblut bin! Du warst Zeuge, wie sie mich geholt haben. Oder hast du das schon vergessen? Und jetzt verschwinde.«

»O ja. Ich war Zeuge, wie diese kaltherzige Brut den Sohn von Mandred und Freya holen kam. Aber weiß ich, wer der Mann ist, der ein halbes Menschenleben später zurück ins Dorf kam? Sieh dich an! Hast du vielleicht das heiße Blut eines Fjordländers? Jeder richtige Mann würde längst mit mir kämpfen, Halbblut. Es ist das Blut deiner Mutter, irgendeiner Elfenschlampe, das dich so langmütig macht.«

»Kennst du nicht die Geschichten über die Grausamkeit der Elfen, Ole?«

Der Hundezüchter runzelte die Stirn.

»Geschichten von Menschen, die ihnen begegnet und dann für immer verschwunden sind«, fuhr Alfadas fort.

Ole leckte sich nervös über die Lippen. »Bei Fuß, Blut!« Seine Stimme klang jetzt heiser. Er zog die Peitsche aus dem Gürtel und klopfte mit dem Griff auf seinen Oberschenkel.

»Wenn du Recht hast, dann bist du vielleicht in tödlicherer Gefahr, als du dir vorzustellen vermagst.« Alfadas griff nach der Peitsche und drehte sie Ole mit einem Ruck aus der Hand.

»Fass, Blut!«, kreischte der Hundezüchter. Doch die Bestie rührte sich nicht.

»Was sagtest du gleich? Du richtest sie so ab, dass sie auf den hören, der ihre Peitsche in Händen hält. Glaubst du, er würde auf mich hören, wenn ich ihm befehle, dich zu zerfleischen?«

Ole stand der blanke Schweiß auf der Stirn. »Ich entschuldige mich. Ich habe etwas getrunken. Dann rede ich dummes Zeug. Du musst ...«

»Du riechst gar nicht so, als hättest du getrunken.« Alfadas blickte auf den Hund hinab. »Ich bin mir sicher, niemand würde sich wundem, sollte dir einer deiner eigenen Hunde die Kehle herausreißen. Glaubst du, das wäre die Art, wie sich Elfen rächen? Einen Schinder wie dich von seinen gequälten Opfern töten zu lassen?«

»Ja!« Ole keuchte. Er starrte Alfadas an. Wartete auf eine Reaktion. »Ich meine, nein. Ich ...«

Der Jarl schob dem Hundezüchter die Peitsche in den Gürtel zurück. »Merk dir eins, Ole. Ich hasse es, verleumdet zu werden. Wenn ich noch einmal höre oder auch nur den Verdacht habe, dass du schlecht über mich redest, dann wird man dich eines Morgens zwischen deinen Hunden finden. Und dass du es bist, der dort liegt, wird man allein an deinen zerrissenen Kleidern erkennen. Bis heute Abend habe ich mich bemüht zu übersehen, wie du dich aufführst, weil du der einzige Onkel meiner Frau bist. Mit meiner Langmut ist es nun vorbei. Hüte dich vor mir.«

Ole legte eine Hand auf die Peitsche.

Alfadas ertappte sich bei dem Wunsch, dass der Hundezüchter jetzt eine Dummheit machte.

»Ich ...«, begann Ole, als sich die Tür des Langhauses öffnete. Aslas Schattenriss hob sich deutlich gegen das rötliche Licht im Innern ab. Der Rauch der Feuergrube zog neben ihr aus der Tür.

»Schön, dass du gekommen bist«, begrüßte sie ihren Onkel herzlich. Dann bemerkte sie den Hund und zögerte. »Komm doch herein«, sagte sie schließlich tonlos.

Ole blickte zu Alfadas, doch der Jarl verzog keine Miene. Er wollte dem Hundezüchter seine Entscheidung nicht abnehmen.