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»Ja, genau daran hatte ich auch schon gedacht«, behauptete Dumgar. »Du hast es nur schneller ausgesprochen, Orgrim. Ich erlaube dir, meinen Einfall auszuführen. Aber beeile dich! Du weißt, dass wir nur noch für ein paar Tage zu essen haben. Wir müssen das Dorf erstürmen, um wieder an Fleisch zu kommen!«

»Natürlich.« Orgrim erhob sich. »Ich werde mich sofort um alles Notwendige kümmern.« Erleichtert, das Feuer des Herzogs vom Mordstein verlassen zu können, zog er sich zurück. Brud folgte ihm.

»Willst du ihm demnächst auch noch die Füße küssen?«, fragte der Kundschafter leise. »Schneid ihm den Bauch auf und erdrossle ihn mit seinen Eingeweiden. Diese jämmerliche Made hat es nicht verdient, hier das Kommando zu führen!«

»Lass ihn nur machen. Ich bin zuversichtlich, dass er einen Weg finden wird, sich selbst ins Verderben zu reiten.«

»Und wie viele gute Krieger wird er dabei mitnehmen? Das kann dir doch nicht gleichgültig sein.«

»Hast du schon von Boltans neuem Gericht gekostet? In Lehm gebackenes Fleisch – köstlich, sage ich dir. Komm an mein Feuer und sei mein Gast.«

»Du schuldest mir eine Antwort«, beharrte der Kundschafter.

»Er hat nicht auf dich gehört, als du ihm geraten hast, die gefangenen Menschlinge zurück in ihre großen Hütten zu schicken, damit sie sich warme Pelze holen. Und was ist geschehen? Sie sind auf dem Eis jämmerlich zu Grunde gegangen, und wir haben fast keine Vorräte mehr. Was muss er noch tun, damit du uns von ihm erlöst? Wenn dir der Mut dazu fehlt, dann gehe ich hin und schneide ihm die Kehle durch.«

»Dann kannst du auch gleich mich ermorden. Wenn Dumgar etwas geschieht und es nur die geringste Möglichkeit gibt, mich für sein Ableben zur Verantwortung zu ziehen, dann wird Branbart mich hinrichten lassen. Versteh doch, ich kann nichts gegen diesen Narren unternehmen. Der König wartet nur darauf! Deshalb hat er uns diesen Trottel als Befehlshaber ausgesucht. Branbart war sich sicher, dass ich die Unsinnsbefehle von Dumgar nicht lange ertragen könnte. Wenn ich aber etwas gegen Dumgar unternehme, liefere ich mich der Willkür des Königs aus.«

»Ich hasse die Machtspiele von euch Fürsten!«, fluchte Brud.

»Sobald das hier vorbei ist, gehe ich in die Wälder, und man wird mich für lange, lange Zeit nicht mehr zu sehen bekommen. Mit euch zusammen zu sein, vergiftet meine Seele!«

»Hilf mir morgen, eine gute Eiche zu finden, und ich verspreche dir, wir werden die Menschlinge übermorgen hinwegfegen. Sobald wir Emerelle gefangen haben, kehren wir zurück nach Albenmark. Und vielleicht haben wir ja Glück, und Dumgar verirrt sich auf dem Weg durch das Nichts.«

»Du hast die Gabe, dass alles, wovon du sprichst, sich so einfach anhört.«

Orgrim legte dem Kundschafter die Hand auf die Schulter.

»Es ist so einfach, Brud. Und nun vergiss deinen Ärger und lass uns ein gutes Stück Fleisch essen.«

Das erste Mal

»Ihr wisst, was euch erwartet?«

Asla beobachtete, wie Kalf die drei Männer und die beiden Frauen der Reihe nach fest ansah. Er hatte sie ausgewählt, und wie es schien, hatte er eine gute Wahl getroffen. Asla kannte die fünf nicht, aber sie alle hielten Kalfs Blicken stand. Sie wirkten nicht zögerlich oder gar ängstlich. Wenn sie Glück hatten und ihre Späher tatsächlich die versprengten Reste von König Horsas Heer fanden, und wenn sie dann noch rechtzeitig nach Sonnenberg zurückkehrten, dann gab es vielleicht noch Hoffnung. Zu viele Wenns dachte Asla bedrückt. Sie sollte sich nichts vormachen! Es war unwahrscheinlich, dass irgendjemand im Tal den Trollen entkommen würde, wenn erst einmal die letzte Palisade fiel. Zumindest würden diese fünf nicht mit ihnen untergehen, dachte Asla trotzig. Eines der beiden Mädchen war sehr hübsch. Sie hatte wunderschöne braune Rehaugen. Ein Anhänger aus dunklem Bernstein hing um ihren Hals. Er hatte fast die Farbe ihrer Augen. Sicherlich könnte sie einmal unter vielen Werbern ihren Mann auswählen, wenn es ihr gelang, an den Wachen der Trolle vorbeizukommen. Schon wieder so ein verfluchtes Wenn!

»Teilt euch auf«, sagte Kalf. »Versucht nicht, euch untereinander beizustehen, wenn die Trolle einen von euch fangen. Und wenn ihr aus dem Tal herauskommt, soll einer von euch in jede Himmelsrichtung gehen. Sucht aber vor allem im Süden. Es ist wahrscheinlicher, dass dort Versprengte von Horsas Heer zu finden sind. Kommt nicht zurück, wenn ihr weniger als tausend Mann findet. So viele werdet ihr mindestens brauchen, um euch durch die Reihen der Trolle zu schlagen. Und wenn eure Suche länger als fünf Tage dauert, dann kommt auch nicht zurück. Ihr würdet hier dann niemanden mehr finden.«

»Aber die Trolle haben seit zwei Tagen nicht mehr angegriffen. Vielleicht sind sie des Kämpfens müde geworden?«, wandte einer der Männer ein.

»Kannst du dir einen Wolf vorstellen, der friedlich unter Lämmern lebt? Ebenso wenig gibt es einen Troll, der des Kämpfens müde wird! Ich weiß nicht, was sie aufhält, aber ich bin mir sicher, dass sie wieder angreifen werden. Habt ihr noch weitere Fragen?«

Asla dachte an die schlafende Königin, die weiter oben im Dorf in einer Hütte mit Tante Svenja und Kadlin untergebracht war. Solange Emerelle bei ihnen blieb, würden die Trolle niemals aufgeben. Es war klug, dass Kalf das nicht so offen aussprach. Asla würde lieber ihr Leben geben, als die Königin auszuliefern. Aber sie war sich nicht sicher, ob alle so dachten.

Asla musterte die fünf. Eifer und Furcht spiegelte sich in ihren Gesichtern. Sie alle trugen lange Schaffellmäntel. Die Flüchtlinge und die Bewohner des Dorfes hatten Kleidung zur Verfügung gestellt, damit ihre Boten ganz in Weiß gewandet waren. Das verbesserte ihre Aussichten, lebend durch die Linien der Trolle zu kommen. Zumindest hoffte Asla das. Wieder einmal wurde ihr klar, wie wenig sie über die Trolle wussten. Konnten sie gut sehen? In manchen Sagas hieß es, sie würden im Sonnenlicht zu Stein. Das war offensichtlich falsch. Hatten sie eine feine Nase, wie Jagdhunde? Würden sie einfach der Witterung der Boten folgen? Wie sollte man einen Feind besiegen, den man kaum kannte? Kalf verabschiedete die Späher. Jetzt fand er wärmere Worte.

»Möge Luth euch einen langen Faden gesponnen haben«, sagte Asla feierlich.

Das Mädchen mit dem Bernsteinamulett umarmte Asla und flüsterte ihr ins Ohr: »Bitte haltet das Dorf. Meine Großmutter ist hier. Sie ist die Letzte, die mir aus meiner Sippe geblieben ist. Ich vertraue dir, Herzogin.«

»Wir werden gut kämpfen«, sagte Asla fest. »Und ich vertraue auf Luth und seine Gnade.« Sie konnte das Mädchen nicht anlügen und ihr einfach sagen, es würde schon alles gut gehen. Asla drückte sie.

Kalf stand bereits in der Tür. Es war alles gesagt. Einen Augenblick lang klammerten sich die Fünf noch an die Geborgenheit der kleinen Hütte, zögerten den Aufbruch ins Ungewisse um ein paar Herzschläge hinaus. Gefangen auf der Schwelle zwischen Dunkelheit und Licht, mochten sie den Schritt in die Finsternis nicht tun und konnten doch nicht mehr länger bleiben. Es war das Mädchen mit dem Bernstein, das schließlich als Erste ging. Sie setzte das Zeichen. Die anderen folgten ihr. Schnell war die kleine Gruppe zwischen den dunklen Bäumen verschwunden.

Die Hütte, die sich Asla als Quartier gewählt hatte, lag nahe der zweiten Palisade in einem Waldstück verborgen. Von hier waren es weniger als zweihundert Schritt bis zu der Holzmauer, an der sich ihr Schicksal entscheiden würde. Sie hatten zwar am Eingang zum Dorf noch eine dritte Barriere aufgebaut, doch alle wussten, dass dieses Hindernis die Trolle nicht lange aufhalten konnte. Wer dort kämpfte, der war dem Tod geweiht. Hier galt es, den Trollen nur kurze Zeit zu trotzen. Lange genug, um die weiße Flut zu entfesseln.

»Es wird kalt«, sagte Asla ruhig. Morgen schon wären sie vielleicht alle tot. Sie war entschlossen, in dieser Nacht herauszufinden, welchen anderen Weg ihr Leben hätte nehmen können.

Kalf stand noch immer in der Tür und spähte in den Wald, obwohl die fünf jungen Boten schon längst zwischen den Bäumen verschwunden waren. Hatte er Angst? Wollte er es nicht? Eine Woge des Zweifels erfasste Asla. Hatte sie sich in ihm getäuscht?