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Kalf räusperte sich. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen und fand doch keine Worte. Endlich zog er die Tür zu. Er konnte ihr nicht in die Augen sehen. »Ich habe mich so lange Jahre nach dir gesehnt. Aber jetzt... Du warst immer das Licht in meinem Leben. Ich habe dich von Ferne bewundert ... Muss man nicht verbrennen, wenn man nach dem Licht greift? Ist es richtig ...«

Solange Asla sich erinnern konnte, hatte sie zu Kalf aufgeschaut. Schon als ganz kleines Mädchen hatte sie beschlossen, dass sie einst sein Weib sein würde. Seine breiten Schultern, das wehende blonde Haar, die selbstwusste Ruhe, die er ausstrahlte, all das hatte sie verzaubert. Er war so anders als die anderen jungen Männer, die tranken, prahlten und sich für unwiderstehlich hielten. Seine stille Art hatte sie angezogen, und sie hatte damals schon geglaubt, dass auch er sie liebte. Nie hatte sie daran gezweifelt, dass sie eines Tages mit ihm um den Stein tanzen würde.

Asla dachte daran, was Alfadas über die Liebe der Elfen erzählt hatte. Sie versprechen einander, sich zu trennen, bevor die erste Lüge zwischen ihnen steht. Sie glauben, wenn es etwas gibt, über das man nicht mehr miteinander sprechen kann, dann ist es an der Zeit, einander freizugeben. Alfadas war wie ein Sturm in ihr Leben getreten. Er hatte sie verzaubert und ihr Schicksal auf einen neuen Kurs gedrängt. Der Held aus dem Elfenland, der Frauen von unendlicher Schönheit besessen hatte, war zu ihr gekommen, zur Fischerstochter, und hatte um ihre Hand angehalten. Sie hatte sich damals wie in einem Märchen gefühlt, das Wirklichkeit geworden war. Wie hätte sie nein sagen können? Jahre waren vergangen, bis sie begriffen hatte, dass man Märchen nicht leben konnte.

Anfangs hatte es sie nicht gestört, wenn er neben ihrem Haus gestanden und zum Hartungskliff hinaufgeblickt hatte, dorthin, wo der Steinkreis stand, das Tor in jene andere Welt. Erst langsam hatte sie seine Sehnsucht verstanden. Jenseits der Steine lag etwas, das sie trennte, auch wenn sie es nicht einmal in Worte zu fassen vermochte. Alfadas liebte sie und die Kinder, das wusste Asla. Er war ihr immer ein guter Mann gewesen. Er begegnete ihr mit mehr Wärme und Zuneigung, als die meisten anderen Frauen im Dorf je von ihren Gatten erfahren hatten. Seine schönen Worte und sein Lächeln vermochten sie immer noch in den Bann zu schlagen. Er versuchte ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Doch seine Blicke hinauf zum Hartungskliff verletzten sie mit jedem Jahr, das sie gemeinsam verbrachten, tiefer. Dort war etwas, das sie ihm niemals geben konnte. Er sprach nie darüber, und das machte es noch schlimmer.

Wieder ging ihr durch den Kopf, was Alfadas über die Liebe der Elfen gesagt hatte. Wenn sie eine Elfe wäre, dann hätte sie sich wohl längst schon von ihm getrennt. Aber sie war Asla, die Fischerstochter. Sie konnte den Mann, dessen Kinder sie geboren hatte, nicht einfach aufgeben. Sie wollte es nicht!

Vielleicht hätte sie die Kraft gefunden, mit seiner Sehnsucht zu leben, wenn die Elfen niemals nach Firnstayn gekommen wären. Jetzt wusste sie, wonach er sich sehnte. Sie hatte die Frauen gesehen. Sie waren so anders. Nicht allein ihre Schönheit war verwirrend. Sie strahlten eine Kraft und einen Stolz aus, wie Asla es noch nie bei einer Menschenfrau gesehen hatte. Alles an ihnen war vollkommen. Sie überquerten einen schlammigen Weg, und ihre Füße wurden nicht einmal schmutzig. Sie konnten einen Fisch ausnehmen, und ihnen haftete immer noch ein Wohlgeruch an, angenehmer als der Duft der schönsten Blumen, die Asla kannte. Was war sie im Vergleich zu ihnen? Bestenfalls eine Blüte am Ende des Sommers, deren Blätter bereits braune Ränder bekommen hatten.

Sie hatte all diese Frauen in ihrem Haus aufnehmen und bewirten müssen, und Alfadas hatte nicht einen Herzschlag lang darüber nachgedacht, wie sie sich dabei gefühlt hatte. Das alles hätte sie vielleicht noch ertragen, wäre da nicht diese eine gewesen! Silwyna! Sie hatte etwas Katzenhaftes. Ihr haftete der Geruch des Waldes an. Silwyna war kaum in ihr Haus gekommen. Sie hatte sich zurückgezogen. Und auch Alfadas war ihr aus dem Weg gegangen. Doch gerade die Art, wie er sie gemieden hatte, es nicht einmal gewagt hatte, einen Blick mit ihr zu tauschen, hatte ihn verraten. Alfadas hatte diese Elfe einmal geliebt, und seine Gefühle waren vielleicht begraben, aber nicht verloschen. Sie war es, woran er dachte, wenn er zum Hartungskliff blickte. Asla wünschte sich, sie wäre Silwyna niemals begegnet!

Sie dachte an den Liebesschwur ihres Mannes. Seine letzten Worte, bevor er durch das Tor in die fremde Welt der Elfen getreten war. Er hatte versprochen, zu ihr zurückzukehren. Und während er so offen von seinen Gefühlen gesprochen hatte, hatte er sich vor dem König und all den Kriegern verletzlich gezeigt. Männer taten so etwas nicht, das galt als weibisch. Aber er war ja auch nie wie all die anderen Männer gewesen, dachte Asla traurig. Deshalb liebte sie ihn. Selbst jetzt noch.

Sie blickte zu Kalf. Er stand immer noch unschlüssig vor der verschlossenen Tür und mied es, sie anzusehen. Die Jahre hatten tiefe Furchen in sein Gesicht geschnitten, und doch fand sie noch alles darin, was sie schon immer liebenswert gefunden hatte. Er war gereifter, stärker, auch wenn ihm der Mut fehlte, auf sie zuzugehen und von seiner Liebe zu sprechen. Was dies anging, wirkte er unschuldig wie ein Jüngling. Soweit Asla wusste, hatte Kalf nie ein Weib gehabt. Manchmal war er ein paar Tage in Honnigsvald, um Fisch zu verkaufen oder im Winter auch Pelze. Vielleicht gab es dort ... Aber das wäre nicht seine Art. Asla wusste ganz sicher, wenn Kalf eine Frau fand, der sein Herz gehörte, dann würde er zu ihr gehen ... Asla wurde die Kehle eng. Sie wusste mehr. Er hatte seine Frau gefunden, und deshalb war er geblieben. Um ihretwillen.

Sie trat zu ihm hinüber und griff zärtlich nach seiner Hand.

»Es ist gut, dass du hier bist. Jemanden an seiner Seite zu wissen, gibt so viel Kraft.«

Endlich wagte er es, ihr ins Antlitz zu blicken. Seine Augen waren unendlich traurig. »Ja«, sagte er einfach nur. Asla widerstand dem Drang, ihn in die Arme zu schließen. Er war kein kleiner Junge, den sie trösten musste. Sie wollte mehr von ihm. Sie wollte in seinen Armen liegen, seine Liebe spüren und sich geborgen fühlen. Wenn sie ihn jetzt umarmte, dann würde sie all das nicht bekommen.

Asla seufzte. Sie musste einen anderen Weg finden. »Ich begreife nicht, wie manche Männer den ganzen Tag in einem Kettenhemd herumlaufen können. Es erdrückt mich! Wenn ich es ablege, habe ich das Gefühl, ich bin so leicht, dass ein Windstoß reichen würde, um mich hinauf zu den Sternen zu tragen.« Sie löste den breiten Gürtel, der einen Teil vom Gewicht ihres Kettenhemds stützte, und ließ ihn zu Boden fallen. Dann hob sie die Arme.

»Ich weiß jetzt, warum Krieger ihr Haar meistens kurz tragen.« Sie lächelte. »Die Kettenringe verhaken sich in den Haaren. Lass mich dieses Ding hier noch einen Mond lang tragen, und es wird mich zu einem kahlen Weib machen. Bitte hilf mir, es abzustreifen.«

Kalfs Hände waren kräftig. Vorsichtig befreite er sie aus der schweren Rüstung. Selbst durch das Kettengeflecht hindurch spürte sie seine Wärme. Mit der Geduld, mit der er zerrissene Netze flickte, befreite er ihr Haar, wo es sich in den Eisenringen verfing. Und schließlich nahm er die Last von ihren Schultern. Klirrend fiel das Kettenhemd zu Boden.

Erst jetzt wurde sich Asla bewusst, was sie unter der Rüstung trug. Ein dickes, gestepptes Winterkleid, auf das sie breite Schulterpolster aus Lumpen aufgenäht hatte. Durch das Waffenfett, mit dem das Kettenhemd eingerieben war, war das ohnehin schon unansehnliche Kleid auch noch mit schwarzen Flecken und Schlieren bedeckt. Und man konnte riechen, dass sie es tagelang angehabt hatte. Es war notwendig, das dick gepolsterte Kleid zu tragen, denn das Kettenhemd wurde eiskalt und zog ihr die Wärme aus dem Leib, wenn sie sich nicht schützte. Aber jetzt fühlte sie sich in diesem unförmigen Gewand wie eine unansehnliche Wurst. Mit ihrem zerzausten Haar, dreckig und stinkend, würde sie nicht einmal ein Mann begehren, dem sonst vor Geilheit der Hosenlatz platzte.