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Die dünne Linie aus Speerträgern, die er gegen die Bresche geführt hatte, war zerschlagen. Die meisten lagen tot im Schnee. Wer noch lebte, rannte.

Strauchelnd kämpfte sich Kalf vorwärts. Die Trolle kamen im tiefen Schnee besser voran. Ein Stück voraus sah er Asla. Sie versuchte ein paar Männer aufzuhalten und eine neue Kampflinie zu bilden. Hier im offenen Gelände war das ein sinnloser Verzweiflungsakt. Sie würden sofort überrannt werden.

Kalf bückte sich und hob das Schwert eines Toten auf. Dann eilte er an Aslas Seite. Das war das Letzte, was er noch tun konnte: an ihrer Seite sterben. Fortzulaufen war zwecklos. Die Trolle würden sie lange vor der letzten Barrikade einholen.

Der Fischer sah, wie Kodran gepackt wurde. Ein Troll griff in sein Haar und riss ihn nach hinten. Sein Fuß krachte auf die breite Brust des Fährmanns. Es war eine Geste, als wolle der Troll Ungeziefer zertreten. Der Fährmann spuckte Blut und blieb reglos liegen.

Asla berührte sanft Kalfs Arm. »Du bist immer da«, sagte sie traurig. »Ich wünschte, ich hätte das früher begriffen.«

Der Troll, der den Fährmann getötet hatte, kam auf sie zugerannt. Er schwang eine große Keule. So also sieht der Tod aus, dachte Kalf.

Ein fremdes Wort klang durch die Nacht. Leise und doch eindringlich. Ihr Gegner ließ seine Keule sinken. Wie durch Zauberbann verharrten die Kämpfenden. Eine zierliche Gestalt in einem weißen Hemd löste sich aus dem Schatten des Waldes. Die Elfenkönigin war erwacht!

»Geh zurück!«, rief Asla. »Rette die Kinder!«

Emerelle kam nun genau auf sie zu. »Du also bist Asla«, sagte sie freundlich. »Ich danke dir für deine Gastfreundschaft.«

Kalf beobachtete, wie die Trolle sich ein wenig zurückzogen und zu kleinen Gruppen zusammenrotteten. Sie alle blickten auf die Königin. Manche gestikulierten wild. Der Frieden bröckelte.

»Geh und rette die Kinder!«, bat Asla noch einmal.

»Das werde ich tun. Bitte verzeih mir. Dieser Krieg hätte niemals in die Welt der Menschen getragen werden dürfen. Ich habe das nicht gesehen ... Ich ... Die Trolle sind um meinetwillen hier. Wenn ich mich stelle, dann werden die Kämpfe enden.«

»Nein, so darf es nicht enden!«, begehrte Asla auf. »So viele sind für dich gestorben. Du darfst dich jetzt nicht einfach ergeben!«

»Das ist der einzige Weg, die Kinder zu beschützen. Wenn ich gefangen bin, gibt es keinen Grund mehr für weitere Kämpfe. Lebe wohl, Asla, und verzeih mir, wenn du kannst.«

Ein einzelner Krieger kam Emerelle entgegen. Auf seiner Glatze spiegelte sich das Mondlicht. Die Elfe und der Troll wechselten ein paar Worte. Dann gab der Krieger seinen Männern ein Zeichen, sich zurückzuziehen. Tränen der Wut rannen Asla über die Wangen. Kalf legte ihr einen Arm um die Schultern.

»Es ist vorbei.«

»Gar nichts ist vorbei! Welche Macht hat Emerelle als Gefangene? Wie sollte sie die Trolle davon abhalten, uns morgen aufs Neue anzugreifen? Diese Bestien fressen uns. Sie werden wieder kommen. Emerelle hätte nicht gehen dürfen!«

»Aber vielleicht ...«

Asla befreite sich aus seiner Umarmung. »Nein, vielleicht ist nicht genug. Dort oben ist mein letztes lebendes Kind. Ich werde Kadlin holen und alle, die mit mir gehen wollen. Nutzen wir die Zeit und fliehen tiefer in die Berge.«

»Ich werde nicht mit dir gehen. Mein Platz ist bei der letzten Barrikade. Wenn die Trolle uns verraten, werde ich sie dort so lange wie möglich aufhalten. Und wenn sie abziehen, dann komme ich in die Berge, um dich zu holen.«

»Ich ...« Asla biss sich auf die Lippen. »Ich warte auf dich.«

»Luth wird uns schützen«, sagte Kalf zuversichtlich. Er vertraute auf den Schicksalsweber. Der Gott war ihm immer gnädig gewesen.

Asla senkte den Blick. »Vielleicht«, sagte sie leise. Dann ging sie hinauf zum Dorf.

Ohne Ehre

Blut sprang wild kläffend am schmalen Uferstreifen entlang. Der Troll war zu groß, um sich in der engen Höhle ganz aufrichten zu können. Er musste auf allen vieren knien, um aus dem Wasser zu gelangen. Dabei schwang er eine Keule, die mit scharfen Steinsplittern besetzt war, vor sich her. Es sah grotesk aus, wie er kriechend versuchte, zu ihnen zu gelangen. Grotesk und doch Furcht einflößend.

Ulric und Halgard waren bis zu der Grabnische zurückgewichen. Der Junge fühlte sich elend. Yilvina war durch den Lärm zu sich gekommen. Sie tastete nach dem Schwert, das er ihr gebracht hatte. Er konnte sie doch nicht dem Troll überlassen!

Ein Keulenhieb verfehlte Blut nur knapp. Der große Hund versuchte nach der Kehle des Trolls zu schnappen, doch der Mistkerl drehte sich zur Seite. Bluts Reißzähne schlugen ihm in die Schulter. Das war ein Fehler! Grunzend griff der Hüne nach dem großen Hund. Sich mit einer Hand aufstützend, packte er Blut mit der anderen und schleuderte ihn gegen die Höhlenwand.

Ulric konnte es knacken hören. Aus dem Bellen wurde ein hohes, klagendes Jaulen. Blut schüttelte sich, versuchte wieder auf die Beine zu kommen, doch seine Hinterläufe knickten unter ihm weg.

Völlig überraschend schnellte Yilvina vor. Die Elfe führte einen beidhändigen Hieb gegen den Arm, auf den sich der Troll stützte. Sie traf ihn dicht über dem Handgelenk. Der Silberstahl schnitt durch Fleisch und Knochen. Der Menschenfresser brüllte. In hilfloser Wut riss er den Armstumpf hoch. Dunkles Blut schoss in pulsierenden Stößen aus der Wunde. Es spritzte der Elfe ins Gesicht.

Geblendet versuchte sie rückwärts von ihrem Feind fortzukriechen, doch der Troll bekam ein Bein von ihr zu packen. Wütend stieß er ihr den verstümmelten Arm gegen die Brust, dort wo der Knochen aus Yilvinas Fleisch ragte. Die Elfe bäumte sich auf. Das Schwert glitt ihr aus den Fingern.

Wieder schlug der Troll auf die Wunde ein. Er stieß dabei seltsame, grunzende Laute aus. Yilvina regte sich nicht mehr. Immer weiter schlug das Ungeheuer auf sie ein.

Halgard klammerte sich weinend an Ulric. Der Junge tastete nach dem Schwert in der Felsnische. Wenn es ums Töten ging, war er noch niemandem begegnet, der sich ehrenhaft verhielt, dachte er. Keiner achtete die Regeln der Ritterlichkeit, die sein Vater ihm beigebracht hatte.

Endlich ließ der Troll von Yilvina ab. Er zog einen glühenden Ast aus dem Feuer und presste ihn sich auf den Armstumpf. Dabei hechelte und jaulte er. Der Gestank von tranigem Fleisch erfüllte die Höhle.

Ulric stand auf. Das Ungeheuer war zu sehr mit sich und seinen Schmerzen beschäftigt, um auf ihn zu achten. Es kauerte dicht neben dem Feuer.

»Troll!«, sagte Ulric laut. Er stand jetzt unmittelbar vor dem Krieger. Die Kreatur wiegte sich in ihren Schmerzen vor und zurück. Endlich drehte sich der Troll zu ihm um.

»Stirb!« Ulric zog ihm die Klinge des Toten über die Kehle. Dann machte er einen Satz zurück. Ein tiefer Schnitt klaffte im Hals des Trolls. Er blickte ungläubig zu Ulric. Mit seiner verbliebenen Hand umklammerte er seine Kehle. Die Bestie machte ein gurgelndes Geräusch, versuchte sich aufzurichten und stieß mit dem Kopf schwer gegen die Höhlendecke. Sein verstümmelter Arm tastete nach der Keule neben dem Feuer. Hilflos stieß der Stumpf gegen die Waffe.

Wieder blickte er zu Ulric. Der Troll wagte es nicht, die Hand von seinem Hals zu nehmen. Blut quoll ihm zwischen den Fingern hindurch.

Der Junge hielt dem Blick stand. Er hatte das tun müssen, sagte er sich, auch wenn es eine Tat ohne Ehre war. Diese Bestie war ein Menschenfresser! Man musste sie umbringen, ganz gleich, wie.

Halgard schluchzte leise. Ulric nahm sie bei der Hand. »Es wird alles wieder gut. Alles wird gut.« Er sah dem Troll beim Sterben zu und fühlte sich selbst wie tot. Er empfand nichts. Keinen Triumph, keine Wut, nicht einmal Angst. Langsam sackte der Hüne nach vorn. Ulric wartete ab. Er hielt das Mädchen und starrte auf den Troll. Erst als das Feuer zu dunkler Glut heruntergebrannt war, wagte er sich in die Nähe des Trolls. Blut kam hinkend zu ihm herüber. Er schnupperte an dem Troll. Vorsichtig stieß Ulric den Hünen mit einem Fuß an. Er regte sich nicht mehr.