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»Aber in der ungeheueren Menge von Wasser wird sich das sicher gut verteilen.«

Gondoran antwortete darauf nicht. Er und seine beiden Gefährten hüllten sich in Schweigen, während die Kentauren ihre derben Scherze fortsetzten.

Der Tunnel führte sie durch eine Schleusenkammer in ein weiteres Zisternenbecken. Hier mussten sie wieder schwimmen. Ab und an blickte Ollowain zurück. Es wäre ein Wunder, wenn ihr Verfolger im Saal der fallenden Wasser nicht ihre Spur verloren hätte. Gondoran hatte zwar nichts dazu gesagt, aber der Schwertmeister war sich sicher, dass der Holde mit Bedacht an einer Stelle durch den Wasservorhang getreten war, die ein gutes Stück von dem Tunnel entfernt lag, den sie dann gewählt hatten. Wer immer ihnen folgte, hatte die Auswahl zwischen mehr als zwei Dutzend Kanälen, die aus dem Kuppelsaal hinausführten.

Und dennoch blickte Ollowain immer wieder zurück. Es war auch unwahrscheinlich gewesen, dass ihr Verfolger die Geheimtür so schnell fand.

Nachdem keiner der Holden mehr auf die provozierenden Spaße der Kentauren einging, verstummten auch die Pferdemänner bald. Schweigend schwammen sie in ihrer kleinen Insel aus Licht durch die Finsternis. Ab und an passierten sie eine der riesigen Säulen, die die Zisternendecke trugen. Ollowain ließ seine Gedanken schweifen. Er dachte zurück an die Zeit mit Alfadas. Die Königin hatte ihn damit beauftragt, den Menschensohn zu erziehen. Zuerst hatte er das als eine Strafe empfunden. Was wollte man von einem Menschen schon erwarten?

Er sollte ihn den Schwertkampf lehren, wohl wissend, dass er nicht einmal lange genug lebte, um auch nur in einer der siebenundzwanzig Künste des Tötens Vollkommenheit zu erlangen. Yilvina, seine beste Schülerin seit Jahrhunderten, hatte es bisher geschafft, in vier Künsten die Meisterschaft zu erlangen, wobei sie ihn im Kampf mit zwei Schwertern mittlerweile sogar übertraf.

Der Menschensohn hatte ihn überrascht. Obwohl ihm die Zeit fehlte, zur Vollkommenheit zu gelangen, glichen sein brennender Ehrgeiz und seine fast schon unheimliche Begabung diesen Nachteil aus. In der Welt der Menschen würde es niemanden geben, der ihm gewachsen war. Ollowain fragte sich, was wohl aus seinem Schüler geworden sein mochte. Besaß er die Reife, mit seinem Können umzugehen? Oder hatte er es genutzt, um sich zu einem Tyrannen aufzuschwingen?

Wäre Alfadas nur niemals Silwyna begegnet! Die Maurawani hatte eine dunkle Seite im Menschensohn zum Schwingen gebracht. Sie hatte ihm eine Wunde geschlagen, die nie mehr verheilt war. Es war zu bitter, daran zu denken. So vieles hätte aus dem Jungen noch werden können, aber er hatte es vorgezogen, aus Albenmark zu fliehen.

Der Schwertmeister blickte über die Schulter und lauschte. Hinter ihm lagen nur Dunkelheit und Stille. Er hatte keine andere Wahl gehabt, als sie um Hilfe zu bitten. Silwyna war die beste Bogenschützin, die er in so kurzer Zeit hatte finden können. Er lächelte grimmig. Sie hätte ihr Ziel niemals verfehlt, wenn sie auf die Königin geschossen hätte.

»Schwertmeister?« Gondorans Stimme schreckte Ollowain aus seinen Gedanken. Der Holde deutete voraus, wo man einen winzigen, rötlichen Lichtpunkt in der Finsternis sah. »Da stimmt etwas nicht. Beide Tore zur Zisterne stehen weit offen, wie es scheint. Das kann eigentlich nicht geschehen. Was sollen wir tun?«

»Wie weit ist das Tor noch entfernt?«

Der Bootsmeister zuckte mit den Schultern. »Dreihundert Spann vielleicht.«

»Löscht die Fackel!«

Gondoran gehorchte. »Das wird nicht mehr helfen. Wenn dort jemand ist und die Zisterne beobachtet, dann hat er uns längst entdeckt.«

»Ich werde nachsehen. Bleibt hier und wartet auf ein Zeichen von mir. Gibt es dort oben eine Kiste mit Fackeln?«

»Natürlich. An jedem Eingang gibt es so eine Kiste.« Ollowain streifte seinen Waffenrock ab. Das Schwert allein wog schwer genug. Er war nie ein herausragender Schwimmer gewesen, so war es besser, jeden unnötigen Ballast loszuwerden. Er schlang den Ledergurt der Waffe über Brust und Rücken und zog ihn straff.

»Ich werde mit dir kommen«, sagte Orimedes. »Hier untätig zu warten ist nichts für mich.«

Ollowain seufzte stumm. Der Letzte, den er jetzt an seiner Seite gebrauchen konnte, war der heißblütige Kentaurenfürst.

»Bei allem Respekt, mein Freund, doch ich werde versuchen, mich in aller Heimlichkeit dem Ausgang zu nähern. Ich weiß dein Angebot zu schätzen, aber ich muss es ablehnen.«

»Ich kann mich fast lautlos bewegen«, beharrte der Fürst.

»Und wer soll die Königin beschützen, wenn ich nicht zurückkehre? Du bist der geborene Anführer. Du wirst einen Weg finden! Ich brauche dich hier, Orimedes.«

Der Kentaur stieß einen grunzenden Laut aus. »Manchmal hasse ich es, ein Fürst zu sein. Viel Glück.« »Wenn ihr mir folgen könnt, dann werde ich eine brennende Fackel im Kreis schwingen.« Ollowain stieß sich vom Nachen ab. Mit starken, gleichmäßigen Zügen schwamm er dem Licht entgegen.

Das Geständnis

Du hast das Siegel erbrochen und meine Warnung leichten Herzens übergangen. Ich bitte dich ein letztes Mal, leg diesen Brief zurück in sein Versteck wenn du reinen Herzens bleiben willst.

Eine einzige finstere Tat kann ein Leben in Edelmut zerstören. Von einer solchen Tat muss ich berichten. Ich hatte gehofft, ins Mondlicht zu gehen, wenn ich daran mitwirke. Ich dachte, es sei mein Schicksal. Doch ich habe mich getäuscht. Mit dem Wissen um diese Nacht kann ich nicht weiterleben. Und doch wäre es ein Verbrechen, die Wahrheit der Lüge zu opfern, so wie es geschehen wird. Kein Albenkind würde den Trollen je glauben. Und selbst sie werden wohl nicht erfahren, was wirklich geschah. Ich muss es niederschreiben, denn die Wahrheit darf nicht für alle Zeit vergessen sein.

Wenn dies vollbracht ist, werde ich meine Erinnerung daran auf immer tilgen und werde das Siegel dieses Briefes niemals berühren. Sei noch ein allerletztes Mal gewarnt, fremder Zeuge meiner Schande! Du willst die Wahrheit nicht wissen! Nie wieder wirst du Albenmark mit den Augen der Unschuld sehen, wenn du nun weiterliest.

Emerelle befahl, den König und die Fürsten der Trolle zur Shalyn Falah zu bringen. Es hieß, sie würden von dort aus an einen geheimen Ort in Gefangenschaft geführt. Ihr Volk aber sollte auf immer aus Albenmark verbannt sein.

Zu blutig bezahlten wir für unseren Sieg. Von allen Seiten griffen wir sie an, und die Trolle wähnten sich verloren. Deshalb streckten sie die Waffen und lieferten sich unserer Gnade aus. Sie glaubten, wir hätten sie mit großer Übermacht umzingelt, in Wahrheit jedoch waren sie stärker als wir, und hätten sie sich erneut erhoben, nichts in Albenmark hätte sie aufhalten können. Unser Sieg war ohne Glanz, denn er war durch Täuschung errungen. Wir alle wussten in dieser Nacht, dass die Kinder der Alben Jahrzehnte brauchen würden, um sich von den vergangenen Schlachten zu erholen.

Dies alles kann nicht entschuldigen, was geschah. Doch ich hoffe, dass du, fremder Zeuge meiner Schande, zumindest verstehen kannst, warum es geschah. Hätte die Herrschaft über Albenmark in die Hände der schrecklichsten Kinder fallen dürfen?

Der Trollkönig und seine Fürsten wurden geknebelt und mit verbundenen Augen hinaus auf die Shalyn Falah gebracht. Sie glaubten wohl, man wolle sie in die Kerker der Festung auf der anderen Seite der Brücke bringen. Dann befahl Emerelle ihrem Schwertmeister, die Trolle in den Abgrund zu stürzen. Doch der ehrenhafte Ollowain, der bisher nie gezögert hatte, einem Befehl seiner Herrin zu folgen, verweigerte sich ihr. Dafür erbot sich ein anderer Krieger, Farodin mit Namen, ihr zu gehorchen. Seine Liebste, Aileen, war von Trollen erschlagen worden. Emerelle verbot es ihm. Sie wollte keine Rache. Sie wollte einen Henker mit kaltem Herzen, der die Bluttat beging, um Albenmark zu retten. Und so trat ich vor. Geknebelt und blind stürzten sie stumm, wie Steine, in den Abgrund.