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Nach einer Weile schwamm der Schwertmeister aus eigener Kraft. Er hatte Glück gehabt. Ein paar üble Prellungen, sonst hatte er nicht viel abbekommen. Er schuldete Silwyna sein Leben. Einen Herzschlag noch, und Urk hätte ihn mit seinem riesigen Steinhammer zerschmettert.

»Sie sind ganz in der Nähe. Hörst du das?«, fragte die Bogenschützin.

Ollowain lauschte in den Nebel. Da war ein schmatzendes Geräusch.

»Das sind die Kentauren«, flüsterte Silwyna. »Sie müssen in seichtes Wasser geraten sein. Dort entlang.« Sie deutete auf eine dichte Nebelbank und schwamm voraus. Bald war sie zwischen den treibenden Dunstschleiern verschwunden. Allein das leise Schmatzen wies Ollowain den Weg. Und dann sah er sie. Er war ihnen so nahe gekommen, dass er den hintersten der Kentauren fast berührt hätte. Das Boot war nur ein undeutlicher Schemen. »Orimedes?«

Sofort verstummte jedes Geräusch.

»Ich bin es, Fürst. Ollowain.«

»Das ist sein Geist«, hörte er Gondoran flüstern.

»Unsinn!« Ein Schatten löste sich vom Boot und bewegte sich mit schmatzenden Schritten in Ollowains Richtung. »Schwertmeister?« Der Kentaur packte ihn bei den Schultern und hob ihn hoch. Ein blitzendes Lächeln zerteilte den Bart des Pferdemanns. »Verdammt gut, dich wieder zu sehen.«

Ollowain brachte keinen Ton heraus. Stechender Schmerz brannte in seinen Gliedern. Tränen traten ihm in die Augen.

Orimedes setzte ihn ab. »Das hätte ich nicht gedacht, dass dich die Wiedersehensfreude zu Tränen rühren könnte. Ihr Elfen versteckt eure Gefühle zu gut, mein Freund.« Er klopfte Ollowain auf die Schulter. »Den Alben sei Dank, dass du es geschafft hast!«

»Ich bin nicht allein«, stieß der Schwertmeister gepresst hervor. »Eine Bogenschützin hat mir das Leben gerettet. Und einer meiner Männer hat es auch geschafft.«

Gemeinsam wateten sie zum Nachen. »Wie geht es der Königin?«, wollte Ollowain wissen.

Der Kentaur zuckte mit den Schultern. »Unverändert. Sie regt sich nicht. Auch die Verräterin liegt ganz still.« Hinter ihnen erklang der lang gezogene Ruf eines Hornes.

Orimedes senkte die Stimme. »Sie sind auch hier in den Sümpfen. Mistkerle. Wenn der Nebel nicht wäre, hätten sie uns schon längst aufgespürt.« Er runzelte die Stirn. »Es ist ein Wunder, dass ihr uns gefunden habt.« Ollowain nickte. »Ja, das war Glück.« Er wollte so wenig wie möglich über Silwyna sprechen. Die Maurawan hatten keinen guten Ruf.

»Wir müssen uns beeilen«, drängte Gondoran. »Schön, dass du da bist, Schwertmeister, aber das Willkommensfest sollten wir später feiern. Das Wasser fällt. Die Ebbe hat eingesetzt, und wir müssen sehen, dass wir aus den Kanälen der Mangroven hinaus ins Waldmeer gelangen. Erst dort werden wir vor den verfluchten Trollen in Sicherheit sein.«

»Und wenn sie nicht nur hier in den Baumsümpfen sind? Was ist, wenn sie es waren, die uns auch von See her angegriffen haben?«

Der Holde stieß ein kurzes, keckerndes Lachen aus. »Trolle auf Schiffen? Wer hätte davon je gehört! Das ist Unsinn. Im Waldmeer wird man uns nicht suchen. Alle Trolle haben Angst vor dem Wasser. Sobald es so tief ist, dass es ihnen bis zur Brust reicht, machen die sich in die Hosen und trauen sich nicht mehr weiter. Deshalb müssen wir zum Meer.«

»Aber was ist mit denen, die uns von See her beschossen haben?«, wandte Ollowain ein. »Irgendjemand ist da draußen, der keine Angst vor dem Meer hat.«

Gondoran machte eine Geste, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. »Alles Schnickschnack! Wer weiß, dass wir ...« Er blickte misstrauisch zu Silwyna. »Wer weiß, dass wir hier mit Verwundeten flüchten? Bis die Trolle ihre Verbündeten auf See benachrichtigen können, sind wir über alle Berge. Ihnen steht eine brennende Stadt im Weg, wenn sie zum Hafen wollen. Wir werden entkommen!«

Wie um die Worte des Holden Lügen zu strafen, erklang ein Signalhorn. Es war bedenklich nahe. Die Trolle waren in den Mangroven. Die Jagd hatte gerade erst begonnen.

Schweigend kämpften sich die Gefährten durch den Schlick. Gondoran gab sich alle Mühe, den Nachen in den etwas tieferen Kanälen zwischen den Inseln zu halten. Herabhängende Äste zerzausten ihnen das Haar und schrammten über ihre Gesichter. Außer dem Geräusch ihrer Bewegungen war es still. Kein Tier regte sich. Alles, was lebte, hielt sich verborgen vor einer unsichtbaren Bedrohung.

Plötzlich entdeckte Ollowain ein gutes Stück voraus das blasse Licht einer Fackel. Ein paar Herzschläge lang tanzte es zwischen den Dunstschwaden wie ein fernes Irrlicht, dann war es wieder verschwunden.

Ollowain spürte jetzt deutlicher den Sog der Gezeitenströmung. Das Waldmeer konnte nicht mehr weit sein. Der Wasserstand fiel beunruhigend schnell. Immer schmaler wurde der gewundene Kanal, dem sie mit dem Nachen folgten. Bald würden sie im Schlick festsitzen.

Zu ihrer Linken, dort, wo irgendwo das Meer sein musste, erklang ein Horn. Der Nebel dämpfte den klagenden Laut. So war es unmöglich zu sagen, wie weit ihre Verfolger noch entfernt sein mochten.

»Sie kreisen uns ein«, flüsterte Silwyna. »Nicht mehr lange, und sie haben uns.« Ollowain starrte in die Finsternis. War da ein erster Streifen zarten Lichts am Horizont? Noch lag der Nebel alles erstickend über den Mangroven, wie ein riesiges Leichentuch, ausgebreitet über eine sterbende Welt. Der Gestank faulender Pflanzen war hier allgegenwärtig. Selbst das brackige Wasser war wie tot. Träge Wellen begleiteten lautlos ihre Bewegungen. Obwohl der Schwertmeister ihn hasste, war der Nebel ihr Verbündeter. Doch der beginnende Tag würde ihn schnell vertreiben.

»Woher wissen die Trolle, wo wir sind?«, fragte er die Maurawani.

»Sie wissen es nicht. Sie sind Jäger. Es ist ihr Instinkt, der sie führt. Sie werden uns stellen, noch bevor die Sonne aufgeht. Sie haben Jagdgruppen in den Mangroven zurückgelassen, um Flüchtlinge abzufangen. Nun werden sie zusammengerufen. Warst du einmal bei einer Treibjagd, wo Hunde und Kobolde das Wild aufschrecken, um es den eigentlichen Jägern entgegenzutreiben? Sie warten mit ihren Saufedern und Bogen dort, wohin die Tiere fliehen. Das ist unsere Lage, Schwertmeister.«

»Und wie können wir entkommen?

»Das willst du nicht wissen.«

»Wie?« beharrte Ollowain.

»Wir überlassen Emerelle ihrem Schicksal und versuchen, jeder auf sich gestellt, zu fliehen. Ich würde durchkommen«, sagte sie selbstsicher. »Du vielleicht auch, Schwertmeister. Die Kentauren würden zu viel Lärm machen. Den Holden gelingt es vielleicht, sich zwischen irgendwelchen Wurzeln zu verstecken. Dort werden die Trolle nicht suchen.« Sie blickte zu Lyndwyn, die zusammengesunken neben dem Mast lag. »Sie würde sterben. Selbst wenn sie rechtzeitig wieder zu Bewusstsein kommt. Sie vermag nicht eins mit dem Land zu werden. Diese Magierin zu finden ist keine Kunst, und was deine Schülerin ...«

»Mich zu finden wird auch keine Kunst sein«, unterbrach Ollowain sie scharf. »Ich werde dort sein, wo die Königin ist.«

»Du wirst sie nicht aufhalten können, Schwertmeister. Welchen Sinn macht es, für eine aussichtslose Sache zu sterben? Glaubst du, dies ist dein Weg ins Mondlicht?«

»Dies ist der Weg, den mir meine Ehre gebietet.«

»Gut gesprochen!«, mischte sich der Kentaurenfürst ein. »Jag sie davon, diese kaltherzige Schlange.«

»Ehre?« Silwyna lächelte ironisch. »Man merkt, dass du der Lehrmeister des Menschensohns warst. Alfadas sprach wie du.« Ollowain glaubte einen Hauch von Wehmut in ihrer Stimme zu hören. »Du bist ein Romantiker, Schwertmeister. Männer wie dich findet man nur noch selten unter den Alten. Romantiker sind stets die Ersten, die sterben.« Sie nahm den Köcher von der Schulter und schlug die Schutzkappe zurück. »Meine Treue zur Königin währt so lange, bis dieser Vorrat an Pfeilen erschöpft ist.«

Sie verschloss den Köcher wieder und löste den Bogen, den sie seitlich daran festgebunden hatte. »Ich kämpfe am besten für mich allein. Ich werde mir einen trockenen Platz suchen und eine Sehne aufziehen. Wenn nicht zu viele Trolle kommen, sehen wir uns vielleicht noch einmal wieder.«