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Der Troll hatte sich auf eine flache Bank aus schwarzem Schlick geschleppt. Er hielt beide Hände auf die Kehle gepresst, so als versuche er, den Würgegriff eines unsichtbaren Gegners zu überwinden.

Aus den Augenwinkeln sah Ollowain, wie einer der Kentauren von Bienen überfallen wurde. Wild mit dem Schwanz peitschend bäumte er sich auf. Orimedes eilte seinem Gefährten zu Hilfe, nur um ebenfalls unter der Stacheldecke zu verschwinden.

Ollowain biss die Zähne zusammen. Jetzt waren Bienen auf seinem Gesicht. Ihre kleinen Beine tasteten über seine verbrannte Haut. Sogar die Fackel am Schiffsmast griffen sie an. Zu Dutzenden verbrannten sich die Gärtnerbienen die Flügel. Die meisten prasselten auf Lyndwyn hinab, die noch immer beim Mast lag. Die Magierin blinzelte. Einen Moment schlug sie die Augen auf und sah zu Ollowain. Sie wirkte keineswegs wie jemand, der aus tiefem Schlaf erwachte und nicht wusste, was um ihn herum geschah. Sie lächelte fast kokett. Dann schloss sie die Augen wieder. Die Bienen, die sich auf ihr niedergelassen hatten, flogen auf, und keine kam ihr mehr nahe.

Der Schweißtropfen perlte von Ollowains Stirn. Sengender Schmerz durchbohrte sein Kinn. Eines der Mistviecher hatte ihn gestochen. Tränen schossen ihm in die Augen und rannen ihm über die Wangen. Der Tonfall, in dem die Bienen unmittelbar um ihn herum summten, änderte sich. Er wurde dunkler. Bedrohlicher!

Immer mehr Bienen ließen sich auf ihm nieder. Besonders auf seinem Gesicht. Seine Wangen prickelten. Er wurde wieder und wieder gestochen. In die Augenwinkel, in den Hals. Ollowain zitterte vor Anspannung. Das Summen klang lauter. Sie waren jetzt auch in den Ohren. Dann spürte er, wie sich eine Biene in seine Nase schob. Ihre Fühler tasteten über die feinen Härchen.

Kleine Beine krabbelten ihm über die Lippen. Die Bienen versuchten, sich in seinen Mund zu schieben. Denk an etwas anderes, befahl er sich. Er wollte sich an Nomja erinnern. Mehr als hundert Jahre waren vergangen, seit sie zur Wache der Königin gekommen war. Er hatte sie vom ersten Augenblick an geliebt. Und doch hatte er es nie gewagt, ihr seine Gefühle einzugestehen. Sie war lange tot, begraben in einer fremden Welt. Er wollte ihr Gesicht wieder erstehen lassen. Die feinen ebenmäßigen Züge ... Etwas krabbelte über sein Auge! Ollowain zuckte zusammen. Eine Biene stach ihm ins Augenlied. Nomja! Denk an sie ... Er wurde wahnsinnig. Er hielt das nicht länger aus. Die tausend tastenden Beine auf seinem Gesicht, überall auf seinem Körper. Er kniff die Augenlider zusammen und wurde sofort mit weiteren Stichen bestraft.

Gellende Schreie drangen durch das Summen. Das Sterben hatte begonnen. Hätten sie doch nie die Bienen gerufen! Er spürte sein linkes Augenlied zuschwellen. Das Gift der Bienen juckte und brannte. Sich zu kratzen wäre eine Erlösung. Oder ins Wasser zu stürzen.

Denk an Nomja! Welche Farbe hatten ihre Augen? Er versuchte sich ihr Gesicht vorzustellen. Ihr feines Haar. Die großen Augen. Große Facettenaugen. Er sah eine Biene! Mit pelzigem, graubraunem Leib. Die großen Augen musterten ihn ausdruckslos, während die Fühler aufgeregt zuckten.

Die Biene drängte immer tiefer in seine Nase. Und dann spürte er tastende Beine in seiner Kehle! Er schrie auf. Sofort waren sie in seinem Mund. Stacheln bohrten sich in seine Zunge. Etwas kroch über seinen Gaumen. Er zermalmte Bienen mit den Zähnen.

Schützend presste er die Hand auf den Mund. Seine Zunge schwoll an. Etwas stach ihn in die Kehle. Noch mehr Bienen waren in seine Nase gekommen. Warum taten sie das? Was trieb sie dazu, in seinen Körper einzudringen? Es war ihr Tod!

Ein bitterer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus. Noch immer krochen sie. Auf seinem Gesicht, den Annen, im Mund, überall. Ihm wurde schwindelig. Seine Lungen brannten. Er musste atmen. Waren sie in seinen Lungen? Unsinn! Das war unmöglich. Und doch war da etwas. Etwas drückte ihm die Kehle zu. Ruhig! Ollowain dachte an den Troll, der scheinbar mit einem unsichtbaren Gegner gerungen hatte. Machte das Bienengift ihn langsam wahnsinnig?

War da Rauch? Hatte das Feuer sie eingeholt? Der Schwertmeister wagte es nicht, die Augen zu öffnen. Er wollte nicht noch einmal fühlen, wie sie ihm über den Augapfel krochen. Dann würde er vollends wahnsinnig werden.

Waren es seine Lungen, die brannten? Ein Feuer tobte dort. Er riss den Mund auf. Sofort drängten die Bienen nach. Ollowain hechelte wie ein Hund und verschluckte dutzende Bienen. Er musste husten. Krampfhaft atmete er ein. Die Luft wollte nicht in seine Lungen strömen. Seine Hände fuhren zum Hals.

Seine Beine gaben nach. Er hatte den Mund weit aufgerissen. Das Summen wurde leiser. Er hatte das Gefühl zu fallen. Undeutlich sah er dunkle Äste über sich hinweggleiten. Das Feuer in seinen Lungen würde ihn töten. Er hatte keine Kraft mehr. Seine Arme und Beine zuckten, gehorchten ihm nicht mehr. Etwas kroch über sein Auge. Er sah eine einzelne Biene auffliegen. Er spürte nichts mehr. Aller Schmerz war verloschen.

Ein blasses Antlitz schob sich vor die Äste. Nomja! Nein.

Ihre Haare waren nicht schwarz gewesen. Lyndwyn. Keine Biene behelligte sie. Ihr Gesicht war ausdruckslos. Etwas funkelte silbern. Sie hielt seinen Dolch!

»Du wirst sterben ...« Die Klinge fuhr hinab. Er konnte spüren, wie sie in seine Kehle schnitt. Dann verschwand das Antlitz der Magierin in gleißendem Licht.

Morgens am Fjord

»Du wirst ihn töten!« Aslas Augen funkelten vor Zorn. Eine kleine Falte trat zwischen ihre Brauen. Alfadas kannte diesen Blick. Es wäre sinnlos zu reden. »Gestern hat es Luth gefallen, Kadlin zu retten. Wird er sie auch heute vor dieser Bestie schützen? Bring das Vieh zum Fjord und töte es. Schaff es fort. Ich will es nie wieder in meinem Haus sehen!«

Blut richtete die Ohren auf. Sein massiger Kopf ruhte auf den Vorderpfoten. Er sah aufmerksam zu ihnen herüber.

»Komm!« Alfadas winkte dem Hund zu. Doch statt aufzustehen, knurrte die Bestie.

»Wawa!«, rief Kadlin. Sie ließ Aslas Beine los und steuerte wieder auf den Hund zu. Alfadas nahm sie auf den Arm. Er konnte sehen, wie sich Bluts Muskeln unter dem rabenschwarzen Fell spannten. »Ganz ruhig. Ich tue ihr nichts.«

Kadlin zwickte ihn in die Wange, brabbelte etwas vor sich hin und begann zu lachen. Blut schnaubte und streckte sich.

Alfadas ging zur Tür. Der Hund schüttelte sich unwillig, dann folgte er ihnen. Am Spaltblock zog der Jarl die schwere Axt aus dem Holz. Bedächtig wog er die Waffe in der Hand. Der Hund konnte nicht beim Haus bleiben, sagte er sich. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Unglück geschah. Asla hatte Recht. Sie mussten ihn töten. Alfadas stieg den Hügel hinab und ging zum Fjord. Letzte Nebelbänke trieben um den Fuß des Hartungskliffs.

Der Wind wehte den Duft von etwas Gebratenem herüber. Irgendwo ertönte das eintönige Stampfen eines Butterfasses. Kadlin drückte ihren Kopf an seine Wange. »Wawa«, erklärte sie ihm und deutete auf Blut. Alfadas hatte Bratenreste vom Fest in eine Tasche gestopft. Er würde Blut das Fleisch hinwerfen, um ihn abzulenken. Eine Henkersmahlzeit. Er fühlte sich schlecht. Blut hatte niemandem etwas getan. Jedenfalls noch nicht... Er musste ihn für das töten, was Ole mit ihm angestellt hatte. Alfadas wusste, dass sich wohl kaum jemand im Dorf Gedanken darüber machen würde, ob er gerecht zu einem Hund war.

Der Himmel spannte sich klar und wolkenlos über den Fjord und die Berge. Noch war es kühl. Es würde einer der letzten sonnigen Spätsommertage werden. Es hieß, der Winter käme früh, wenn der Sommer sich in solcher Pracht verabschiedete. Schon leuchtete in den Eichenkronen am anderen Ufer das erste Rot und Gold. Alfadas hasste die Winter im Fjordland. Er war nicht für Kälte geschaffen. Die Sommer hier waren stets viel zu kurz. Wehmütig dachte er an Albenmark; unbewusst wanderte sein Blick wieder hinauf zur steinernen Krone auf dem Hartungskliff.