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Jedes Mal, wenn der Schlaf nahte, schreckte er wieder auf. Sein pfeifender Atem ging dann noch schwerer. Er hatte Angst, nicht mehr zu erwachen, wenn er jetzt seiner Müdigkeit nachgab. Ollowain stemmte sich gegen den Schlaf. Sein Herz raste, er hörte das Blut in den Ohren rauschen. Und dann kehrte sie wieder, die Erschöpfung, die von seinem ausgebrannten Leib ihren Tribut forderte. Schließlich dämmerte Ollowain ein. Es war angenehm, aufzugeben und sich einfach treiben zu lassen. Keine Pflichten mehr zu erfüllen. Die Wärme des Feuers streichelte seine Wangen. Er hörte das Murmeln eines leisen Gesprächs, ohne verstehen zu können, was gesprochen wurde. Dann sah er den Troll wieder vor sich. Jenen ungeschlachten Kerl, der ihn mit einem Eichhörnchen verglichen hatte. Breit grinsend kam er auf Ollowain zu. »Na, mein Kleiner, hab ich dich.« Er stellte dem Schwertmeister seinen Fuß auf die Brust. Der Troll stank nach ranzigem Fett. Deutlich konnte Ollowain die Fußnägel sehen. Sie waren leicht nach vorne gekrümmt und hatten breite Schmutzränder. Ganz langsam erhöhte Urk den Druck.

Ollowain wusste, dass es nur ein Traum war. Die Trolle waren besiegt. Er war in Sicherheit! Und dennoch bekam er keine Luft. Das konnte nicht sein! Urk konnte ihn nicht bis in seine Träume verfolgen! Er musste erwachen!

Blinzelnd sah der Schwertmeister sich um. Noch immer konnte er nur ein Auge öffnen. Das Feuer war fast heruntergebrannt. Er versuchte zu atmen, doch eine eiserne Faust drückte seine Kehle zu. Er wollte schreien ... und kein Laut kam über seine Lippen. Er hörte seine Gefährten miteinander reden. Ganz deutlich. Sie waren nur ein paar Schritt entfernt. Lyndwyn erzählte von den Albenpfaden.

Verzweifelt versuchte er noch einmal, sich bemerkbar zu machen, doch er brachte nicht einmal mehr ein Röcheln zu Stande. Es fühlte sich an, als presse ihm jemand mit der Kraft eines Trolls die Kehle zu. Ollowain konnte weder ein- noch ausatmen. Er wollte aufspringen und schreien. Aber er schaffte es nur, matt mit der Hand zu zucken. Das war Lyndwyns Werk! Sie hatte irgendeinen Zauber gewoben, um ihn zu töten. Und den anderen würde sie sagen, er sei leider seinen Wunden erlegen!

»Hört ihr das?«, fragte Gondoran. Das Gespräch verstummte.

»Das Röcheln hat aufgehört ... Verflucht!« Plötzlich war der Holde über ihm. Er beugte sich zu Ollowains Kehle hinab.

Ein schmatzendes Geräusch erklang. Und dann bekam er Luft. Sie war wunderbar kühl, streichelte seine Kehle und seine Lungen.

Gondoran spuckte aus. »Verdammter Schleim. Ich bleib bei ihm sitzen.« Der Holde strich Ollowain das Haar aus der Stirn. Gondoran schien keinen einzigen Stich abbekommen zu haben. Sein Gesicht sah aus wie immer. Mit gelben Augen musterte er den Schwertmeister. »Du hast Glück gehabt. Erst dachte ich, sie wollte dich umbringen. Und das, obwohl der Tod dich schon fest im Griff hatte. Sie hat dir die Kehle aufgeschnitten. Es war ein kleines Wunder. Lyndwyn sagt, es gibt eine Röhre, durch die Luft vom Mund in die Lungen fließt. Weil deine Kehle durch Bienenstiche zugeschwollen war, hat sie deinen Hals mit einem Schnitt öffnen müssen. Und damit die Wunde sich nicht sofort wieder schließt, hat sie das Schilfrohr eingesetzt. Ein Wunder.« Er schnalzte mit der Zunge. »Jedenfalls fast. Leider setzt sich das Rohr ab und zu mit Schleim voll. Man muss dich im Auge behalten, Schwertmeister, und auf deinen Atem lauschen. Ab und an muss man den Schleim aus dem Schilfrohr saugen, damit dir nicht doch noch die Puste ausgeht.«

Ollowain versuchte, dem Holden mit einem Blick zu danken. Ob er ihn wohl verstand? Nicht einmal ein Kind war so hilflos, dachte der Schwertmeister resignierend. Alles, was er tun konnte, war, sich gegen den Schlaf zu stemmen und darauf zu hoffen, dass seine Gefährten ihn nicht mehr aus den Augen ließen.

»Ein Schiff!«, rief Orimedes. »Am Horizont ist ein Schiff aufgetaucht. Es hält auf uns zu! Was sollen wir tun?«

»Der Schwertmeister wird entscheiden«, sagte eine ruhige Frauenstimme. »Bringt ihn dort drüben hin und legt ihn auf den Sand.«

Ollowain wurde emporgehoben. Er konnte Silwynas Rücken sehen. Auch sie schien den Gärtnerbienen entkommen zu sein. Ihre Kleider starrten vor Dreck, als hätte sie sich im Schlamm gewälzt, doch sie war wohl nicht gestochen worden.

»Nun, Ollowain.« Die Magierin kniete neben ihm nieder. »Ich kann mir denken, was in deinem Kopf so vorgeht. Du gehörst zu den Männern, die nur schwer von einer einmal gefassten Meinung abzubringen sind.« Lyndwyn hatte ihr Gesicht gewaschen. Die Schminke war verschwunden, und dort, wo sie der Ziegel am Kopf getroffen hatte, erinnerte nicht einmal mehr dünner Schorf an die Wunde. Über diese Äußerlichkeiten hinaus wirkte sie verändert. Sie strahlte eine Zufriedenheit aus, die ihrer Lage wahrhaftig nicht angemessen war. »Ich habe gesehen, wie du deine Hand bewegt hast. Schreib in den Sand, Schwertmeister. Du gibst hier die Befehle. Ich bin ja schließlich eine Verräterin.«

Du täuschst mich nicht, wollte Ollowain sagen, doch aus seiner Kehle kam nur ein lang gezogenes Röcheln. Er griff in den Sand und ließ ihn durch seine Finger rinnen. Ihm blieb keine Wahl. Konnte es sein, dass Hallandan mit der Prunk-Liburne entkommen war? Er musste wissen, welches Schiff sich näherte. Um die richtigen Entscheidungen zu treffen, musste er sich zunächst ein Bild der Lage machen. Seine Finger fuhren durch den Sand. Er hoffte deutlich zu schreiben. Weit konnte er die Hand nicht bewegen. Er musste sich kurz fassen, oder die Buchstaben würden einander überlappen.

SCHIFF SEHEN

»Orimedes, bring ihn nach draußen!«, befahl die Magierin.

»Aber ist er nicht noch zu schwach? Du hattest gesagt, wir sollten ihn möglichst wenig bewegen«, wandte der Kentaur ein.

»Er weiß selbst, was gut für ihn ist. Ich werde mich mit ihm nicht über seine Befehle streiten. Willst du das, Pferdemann?«

Orimedes beugte sich zu ihm herab. Wie Yilvina war auch der Kentaur übel von Bienenstichen entstellt. Gesicht und Oberkörper waren bedeckt mit Schorf, wo er die juckenden Beulen aufgekratzt hatte.

Vorsichtig hob der Fürst ihn hoch und trug ihn auf seinen Annen aus der Höhle hinaus. Eine leichte Brise strich über Ollowains Gesicht. Weiße Felsen stachen wie alte Knochen durch den hellen Sand und türmten sich zu steilen Klippen, an die sich Matten aus wucherndem Grün klammerten. Vor ihnen lag der schmale Sandstreifen einer Bucht, die von Felsnadeln eingefasst wurde. Ollowain blickte hinaus auf die See. Aus dem azurblauen Wasser erhoben sich einzelne Bäume. Ihre Stämme waren dick wie Türme und von verkrustetem Salz überzogen. Dreißig Schritt oder höher, wo sie der Seegang nicht erreichen konnte, spannte sich das weit ausladende Astwerk der Kronen, dicht bevölkert von Winkerkrabben, Möwen und Kormoranen. Die riesigen Zeugenbäume hatten dem flachen Waldmeer seinen Namen gegeben. Stark wie Klippen trotzten die massigen, zerfurchten Stämme selbst den Orkanen des Frühjahrs. Sich ihnen zu nähern, war gefährlich. Weite Kränze von Luftwurzeln stachen wie Dornen um sie herum durch die See. Eine natürliche Barriere, die kleine Boote auf respektvollen Abstand hielt.

»Dort drüben«, sagte der Kentaurenfürst und deutete mit dem Kopf nach Westen. Obwohl zwischen den Bäumen meist eine Meile oder sogar mehr Abstand lag, verwirrten sie das Auge, wenn man zum Horizont blickte. Es war, als sähe man durch ein großes Gitter hindurch. Endlich entdeckte Ollowain etwas Dunkles, einen Rumpf, über dem sich schwarze Segel spannten. Das Schiff war zu weit entfernt, um Einzelheiten zu erkennen, doch es wirkte auf beunruhigende Weise fremd. Ganz sicher war es nicht die Liburne der Königin. Es sah massiger aus als alle Elfenschiffe, die Ollowain kannte. »Hast du es gesehen?«, fragte der Kentaur.