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Branbart schnauzte sich und spuckte erneut aus. Ohne diese Geste wäre das Ende seiner Rede ergreifender gewesen. Doch selbst Orgrim musste sich eingestehen, dass die Worte seines Königs ihn aufgewühlt hatten. Branbart war ein wahrer Herrscher! Von ihm konnte er noch viel lernen.

Seine Fürsten begrüßten die Rede des Königs mit Jubelrufen, und auch die übrigen Trolle ließen Branbart hochleben. Überall in der Stadt wurden Hörner geblasen. Die Albenkinder auf dem Muschelfischermarkt waren so eingeschüchtert, dass dort zunächst nur einzelne in das Geschrei einstimmten. Nach und nach stimmten mehr ein, doch es blieb ein schwächlicher Jubel, dem seine Halbherzigkeit nur allzu deutlich anzuhören war. Jahrhunderte unter der Knute Emerelles hatten die Herzen der Albenvölker gefesselt, dachte Orgrim. Der Wind der Freiheit war wie ein Sturm über sie hinweggezogen, und noch wagten die meisten kaum zu atmen. Was für jämmerliche Wichte!

Der Troll konnte beobachten, wie stattliche Kentauren und die bärenstarken Minotauren trotzig mit verschränkten Armen dort standen. Und doch wagten sie es nicht, einen der Sieger mit Blicken zu fordern, sondern sahen verschämt zu Boden. Wie erbärmlich! Aber Orgrim war zuversichtlich, dass sie wieder zu ihrem Stolz finden würden. Und wäre es erst die nächste Generation von Albenkindern, jene, die in Freiheit geboren sein würden.

Die Wachen auf dem Platz packten einige Elfen und zerrten sie vor den Kadaver der Königin. »Seht sie euch an! Emerelle ist nur noch ein verrottendes Stück Fleisch. Seht genau hin, damit ihr es nicht vergesst.« Bleiche Maden kullerten aus der klaffenden Wunde in der Brust der falschen Herrscherin. Der Geruch, den sie verströmte, war ganz und gar nicht königinnenhaft. Eine Elfe brach schluchzend zusammen, als sie gezwungen wurde, sich dem Kadaver bis auf wenige Zoll zu nähern. Viele, die an der Herrscherin vorbeimarschierten, hatten Tränen in den Augen. Orgrim war unbegreiflich, warum sie der Tyrannin nachtrauerten.

Er sah zum falschen Schwertmeister hinab. Die Ereignisse der Nacht hatten Orgrim nicht erlaubt, sein Festmahl zu halten. Nun war der Zeitpunkt verpasst. Es war eine Schande, dass er diesem Elfenhelden nicht die letzte Ehre erweisen konnte, indem er sein Herz verspeiste. Wenn er daran dachte, wie viel verdorbenes Fleisch in der Stadt lag, packte ihn die kalte Wut. Was für eine Verschwendung! Er war froh, dass die Flotte schon bald Vahan Calyd verlassen würde, um einen nördlichen Kurs zu steuern.

Branbart ging zu seinem Gefolge herüber. Sie würden jetzt irgendwo ein Fest feiern, dachte Orgrim eifersüchtig. Und er war sich sicher, dass sie sich ein paar saftige Braten aufgehoben hatten. Ein paar Elflein, die man jetzt erst schlachtete. Helden, die wacker gekämpft hatten und in Gefangenschaft geraten waren. Und sein Heer hatte Branbart um den besten Teil der Beute betrogen! Es tat schon in der Seele weh, all diese Elfen, die auf dem Platz versammelt waren, ziehen zu lassen. Man hätte noch wochenlang Festgelage mit ihnen feiern können! Orgrim starrte einem Minotauren nach, der an der falschen Königin vorüber geschritten war. Wie sein Fleisch wohl schmecken würde? Wie Rind?

Schwere Schritte ließen ihn aufblicken. Ein Trollkrieger mit breiten Schmucknarben im Gesicht kam auf ihn zugelaufen.

»Bist du der Kerl, dem die Elfen das Schiff versenkt haben?«

»Schon möglich«, entgegnete Orgrim gereizt.

»Du bist zu den Ehrenwachen an der Festtafel des Königs befohlen.« Orgrim traute seinen Ohren kaum. Würden die Demütigungen denn gar kein Ende mehr nehmen? Sollte er nun noch zusehen, wie sich Branbart mit allerlei Köstlichkeiten den Bauch voll schlug? »Wer schickt dich, Kerl? Der König?«

»Nein, erhabener Schiffeversenker!« Der Bote grinste frech.

»Es ist Skanga, die deine Anwesenheit wünscht. Und wenn du schon so dämlich warst, diesen Wichten zu erlauben, mit einem ihrer zerbrechlichen Schiffchen eine unserer stattlichen Galeassen zu versenken, solltest du nicht auch noch den Fehler machen, dich mit der Schamanin anzulegen. Nimm die Beine in die Hand und lauf!« Er deutete auf einen Turm, der halb von Heckenrosen zugewachsen war. »Dort drüben findest du den König und sein Gefolge. Ich werde hier deinen Platz einnehmen.«

Orgrim merkte sich das Gesicht des dreisten Kerls. Als Rudelführer hätte er ihn einfach niederschlagen können, aber den einfachen Kriegern war es für die Dauer des Feldzugs verboten, Zweikämpfe auszutragen. Der Krieg dauerte gewiss nicht mehr sehr lange, und dann würde er diesem hirnlosen Dreckhaufen zeigen, was es hieß, ihn zu verspotten!

Wütend stapfte Orgrim hinüber zum Rosenturm. Voller Verachtung betrachtete er die Gitter, an denen die Blumen hinaufrankten. Wenn er jemals einen Palast besäße, dann würde er ihn gewiss nicht mit wucherndem Grünzeug schmücken. Was sagte das aus? Dass darin ein Freund der Auenfeen lebte? Oder jemand, der gerne Wasser auf Blütenblätter goss und sich an deren Duft erfreute? Er würde die Köpfe seiner erschlagenen Feinde auf Holzpflöcke stecken und sie auf seine Mauern stellen. Solcher Schmuck taugte wenigstens was! Jeder, der kam, wusste dann sogleich, woran er war, und dass man besser höflich blieb.

Der Lärm des Festes führte Orgrim auf den Lichthof, auf dem Branbart und sein Hofstaat feierten. Um ein Becken, aus dem eine kleine Wasserfontäne sprühte, gab es einen Kreuzgang, an dessen Säulen Weinreben wucherten. Orgrim klaubte eine der großen Trauben ab und stopfte sie sich in den Mund. Er hatte heute noch gar nichts gegessen. Das hier war wenigstens nützliches Grünzeug.

Der König und einige seiner liebsten Speichellecker saßen um einen schweren Holztisch am Becken des Springbrunnens. Ein paar Schritt weiter hatte man eine Feuerstelle auf dem Mosaikboden eingerichtet, die von Kobolden mit dem Holz zerschlagener Möbel versorgt wurde. Über dem Feuer drehte sich ein riesiger Braten auf einem Spieß. Irgendetwas Großes, Vierbeiniges, was Orgrim nicht richtig zuordnen konnte. Der Bratenduft ließ ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Der Troll war unschlüssig, was er nun tun sollte. Etwas abseits der Festtafel saß Skanga in einem hohen Lehnstuhl. Die Schamanin schien eingenickt zu sein, und Orgrim verspürte nicht die geringste Lust, sie zu wecken und zu fragen, aus welchem Grund sie ihn hierher befohlen hatte. So hielt er sich im Schatten des Kreuzgangs, pflückte Trauben von den Weinranken und sah Branbart zu. Der König war allerbester Laune und redete von seinen Zukunftsplänen. Er wollte die ganze Stadt niederreißen, doch dazu fehlte die Zeit. Stattdessen sollte jedes Haus in Brand gesetzt werden. Jeder, der hier wohnte, würde flüchten müssen. Und alle Toten sollten hinab in die großen Höhlen unter Vahan Calyd geworfen werden, damit das Trinkwasser für lange Zeit vergiftet war.

»Willst du wirklich alle Albenkinder laufen lassen? Sogar die Elfen?«, fragte Dumgar, der Herzog vom Mordstein. »Diese verschlagenen Wichte werden sich aufs Neue gegen uns erheben, sobald sie Gelegenheit dazu haben.«

Der König spuckte ins steinerne Antlitz einer Elfensängerin im Bodenmosaik zu seinen Füßen. »Nein, mein Freund. Weil ich nicht nach der Königswürde von Albenmark strebe, werden sie sich jahrelang darum streiten, wer an Emerelles Stelle die Schwanenkrone tragen soll. Zanken und Intrigen spinnen, das ist ihr Leben. Mit den Elfen werden wir lange nichts mehr zu tun haben. Außer mit jenen, mit denen wir noch alte Rechnungen begleichen wollen. Die Normirga werden wir auslöschen. Und wer war der Kerl, der die fliehenden Schiffe befehligt hatte? Halliwan von Weißnichtmehr ...« Der König sah sich Hilfe suchend um.

»Hallandan von Reilimee«, sagte schließlich Mandrag, der alte Schildbruder des Herrschers. Der grauhaarige Troll war nach der Schlacht bei der Shalyn Falah von den Elfen als tot liegen gelassen worden. Bei Nacht hatte er sich zwischen die Klippen geschleppt, und so war er Zeuge des Mordes geworden, den Emerelle an den Fürsten der Trolle begangen hatte. Mandrag hatte sein Volk in den ersten Jahren der Verbannung angeführt. Nachdem Skanga in Branbart die Seele des wiedergeborenen Königs erkannt hatte, war der Krieger zurückgetreten, doch der König ehrte ihn, indem er Mandrag zu seinem engsten Vertrauten machte.