»Also, die Stadt dieses Halliwan soll brennen! Seine Männer haben eines unserer Schiffe versenkt, und was noch schwerer wiegt, sie halten uns Trolle wohl für Trottel. Der Kerl dachte, er müsste uns nur eine Leiche mit Krone hinlegen, und schon würden wir jauchzen und jubeln und denken, die Tyrannin sei tot. So täuscht man vielleicht einen Welpen wie diesen Rudelführer von der Donnerer, aber doch nicht mich, den König. Mich beleidigt man mit solchen einfältigen Spielchen. Und dafür wird die Stadt dieses Halliwan büßen. Den anderen Elfen wird es ein Beispiel sein, was wir mit den Freunden der Tyrannin tun. Das wird den paar Kriegern, die vielleicht an Rache denken, das Mütchen kühlen.«
In stummer Wut drückte sich Orgrim die Fingernägel in die Handflächen, bis er zu bluten begann. Der König ließ keine Gelegenheit aus, ihn lächerlich zu machen. Und das Schlimmste war, dass Branbart auch noch Recht hatte. Er war auf die Täuschung der Elfen hereingefallen und hatte sein Schiff verloren. Aber hatte er eine Wahl gehabt?
»Die Holden und die Kobolde halten wir fest«, erklärte Branbart vollmundig. »Die meisten von ihnen waren Elfendiener. Jetzt sollen sie uns dienen! Sie brauchen es, dass man ihnen sagt, was sie zu tun haben. Und kein anderes Albenkind wird ihnen eine Träne nachweinen. Mit Freiheit können die sowieso nichts anfangen. Die eine Hälfte von ihnen soll auf Schiffe verladen werden, damit man sie auf unsere Burgen in der Menschenwelt bringt. Dort sind uns viel zu wenige Kobolddiener verblieben! Die anderen begleiten das Heer, wenn wir nach Norden ziehen.«
»Wir sollten sie auf mehrere Schiffe aufteilen«, riet Dumgar.
»Dann werden wir wenigstens nicht alle auf einmal verlieren, falls ...«
»Schweig!«, herrschte ihn der König an. »Wehe dem, der mich noch einmal an den Preis für den Weg in diese Welt erinnert.« Er warf Skanga einen finsteren Blick zu. »Kaum ein Trollkönig hat bei seinen Niederlagen so viele Krieger verloren wie ich bei meinem Sieg.«
Orgrim hatte am Morgen die Gerüchte gehört. Gestern Nacht während des Angriffs hatte sich die Nachricht nicht verbreiten können. Doch nun, in der Stadt, ging sie von Mund zu Mund. Angeblich waren sieben Schiffe auf ihrem Weg durch das Nichts verschwunden. Zusammen mit den vier, die verbrannt waren, und der Donnerer war das mehr als der zehnte Teil ihrer Flotte. Über zweieinhalbtausend Krieger waren tot, bevor sie in ihr erstes Gefecht gestürmt waren.
Niemand wusste sicher, warum die Schiffe im Nichts verschwunden waren. Sie mussten vom goldenen Pfad abgekommen sein. Aber wie hatte das geschehen können? Skanga hatte jedem Rudelführer eindringlich eingeschärft, dass die geringste Nachlässigkeit den Tod bedeuten würde. Ihr Weg durch das Nichts war nicht weit gewesen. Nur ein paar Schiffslängen, so war es Orgrim zumindest erschienen.
Ein Trupp Wachen betrat den Hof. Zu viert umringten sie einen Elfen. Der Wicht war ganz in Blau gekleidet, und obwohl er Fesseln trug, bewegte er sich mit einer so selbstbewussten Arroganz, als sei er der Sieger der vergangenen Nacht.
»Ich begrüße dich in meinem Haus, Branbart von den Trollen«, sagte er mit wohlklingender Stimme. »Ich hoffe, meine Diener haben es dir in meiner Abwesenheit an nichts fehlen lassen.«
Orgrim verschluckte sich fast an einer Traube. Dieser Wicht hatte Schneid! Wie lange er wohl noch seinen Kopf auf den Schultern behalten würde?
Branbart setzte sein Trinkhorn ab und musterte den Elfen aus seinen tief liegenden Augen. Ganz offensichtlich war der König überrumpelt und wusste nicht gleich, was er antworten sollte.
»Wer bist du?«, stieß er schließlich hervor. Mit dieser eher einfältigen Frage hatte er kläglich im Vergleich zu dem Elfen abgeschnitten, fand Orgrim. Selbst ein Keulenhieb wäre eine bessere Antwort gewesen.
»Der Besitzer dieses Palastes, Fürst Shahondin von Arkadien.« Er trat an die Festtafel und stach mit einem Finger in den riesigen Spießbraten. »Mir scheint, dieser Lamassu ist nicht ganz durch. Soll ich einen meiner Köche rufen lassen, damit du bedient wirst, wie es für einen großen Heerführer angemessen ist?«
»Wir mögen das Fleisch blutig«, grunzte Branbart. »Was willst du von mir, du Wicht?«
Der Elf lehnte sich an die Festtafel und sah sich gelassen um, bevor er dem König eine Antwort schenkte. »Ich wollte dir dazu gratulieren, mir mein Wild gestohlen zu haben. Zwei Jäger hatte ich ausgeschickt, das Leben der Tyrannin Emerelle zu beenden. Und wie es scheint, bist du mir fast zuvorgekommen, großer Feldherr.«
»Was soll das heißen?«
Der arrogante Elf schaffte es, den König, der mehr als fünf Köpfe größer war als er, anzuschauen, als stünde eine dümmlich glotzende Büffelkuh vor ihm. »Das Fürstenhaus Arkadien liegt in Blutfehde mit Emerelle. Ich hatte beschlossen, dass die Königin die vergangene Nacht nicht überleben werde. Dank deinem Eingreifen konnte sie entkommen. Man hat mir berichtet, dass ihre Sänfte den Lotussteig hinauf geschafft wurde. Und bei allem Respekt für dein Maskenspiel, Heerführer, die Leiche, die du auf dem Muschelfischermarkt ausstellst, trägt nicht einmal das Kleid, mit dem Emerelle gestern Abend angetan war. Vielmehr ist sie gekleidet wie jene unglückliche Jungfer, die der Königin die Schwanenkrone brachte.«
Branbart fiel sein Trinkhorn aus der Hand. Auf dem Hof herrschte Totenstille. Orgrim fragte sich, wie viele Albenkinder die Täuschung durchschaut haben mochten. Emerelle war vor ihrer Krönung im Triumph durch die halbe Stadt gezogen. Tausende mussten sie gesehen haben.
Orgrim dachte, dass er ihrem Kleid wohl kaum Beachtung geschenkt hätte. Zahl und Bewaffnung ihrer Leibwächter hätten ihn interessiert. Aber diese Elfen waren anders. Er konnte sich vorstellen, dass einige, die ihr nahe genug gekommen waren, sogar wussten, welchen Duft die Tyrannin aufgelegt hatte.
»Ich wollte dir meine Hilfe dabei anbieten, die flüchtige Königin zu stellen. Wenn wir unsere Kräfte vereinen, sollte es ein Leichtes sein, sie zu finden.« Shahondin schnippte lässig mit den Fingern und deutete auf einen der Kobolde, die am Feuer schufteten. »Slavak! Bring mir einen Becher mit Wein, leicht gekühlt. Du weißt, was mir um diese Tageszeit mundet.«
»Warum sollte ich dir trauen?«, fragte der König und wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen. Er maß den Elfen mit einem Blick wie ein Fleischhauer, der sich überlegt, wie er eine Büffelhälfte aufteilt. Shahondin blieb davon unbeeindruckt. Er runzelte die Stirn, ging zum Stapel mit dem Brennholz und zog eine kleine, geschnitzte Figur daraus hervor. Kopfschüttelnd wischte er mit dem Ärmel den Schmutz ab und stellte sie zur Seite. »Ein Bildnis meines Großvaters. Ich habe es geschnitzt, als ich sehr jung war. Es ist weit entfernt von jeglicher Vollkommenheit, doch wie es mit den Dingen aus Jugendtagen so ist, hängt mein Herz daran. Es wäre sehr entgegenkommend, wenn ihr davon absehen könntet, diese kleine Statue in die Zubereitung eures Mittagsmahls mit einzubeziehen. Und was deine Frage angeht, Branbart: Weder Freundschaft noch Liebe sind so beständig wie brennender Hass. Welchen besseren Verbündeten könntest du dir also wünschen?« Der Kobold brachte Shahondin einen Trinkbecher aus Kristall und Silber. Der Elf prostete Branbart zu. »Ich trinke mit dir auf den Untergang der Tyrannin, großer Feldherr.«
Branbart war so überrumpelt, dass er sich tatsächlich nach seinem Trinkhorn bückte. Merkt dieser Trottel denn nicht, wie er sich zum Lakaien des Elfen macht?, dachte Orgrim wütend.
Der König ließ sich auf einem der schweren Holzstühle nieder und fächelte sich mit einer Hand Luft zu. »Was für eine Hitze!«, murrte er und winkte den Wachen, die Shahondin vorgeführt hatten. »Bringt mir das Hirn dieses überheblichen Elfen auf einem Holzbrett. Vielleicht werde ich ihn besser verstehen, wenn ich davon gekostet habe.«