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»Du machst einen Fehler, Troll«, sagte der Elf gefasst. »Wenn du Emerelle nicht schnell fasst, wird sie es nicht dabei bewenden lassen, dich und dein Gefolge von einer Brücke zu stürzen. Sie wird dafür sorgen, dass du niemals mehr wiedergeboren wirst.«

»Glaubst du, ich lasse mir von einem Wicht wie dir drohen?«, keifte der König. »Los, zu Boden mit ihm. Ich zerdrücke seinen Schädel unter meinem Fuß wie einen fauligen Apfel.«

Die Wachen packten Shahondin, der nicht den geringsten Widerstand leistete. »Ich drohe dir nicht, Branbart. Ich sage lediglich, was sein wird.«

»Halt!« Skanga hatte sich von ihrem Stuhl erhoben. Mit müden, schleppenden Schritten trat sie zu dem Elfen. Die Wachen hielten Shahondin noch immer zu Boden gedrückt. »Du bist ein tolldreister Mistkerl, Fürst. Ein Mann nach meinem Geschmack.« Sie bückte sich und strich mit ihrer knotigen Hand durch sein langes Haar. »Gibt es noch mehr Fürsten, die von so bewundernswertem Hass auf Emerelle erfüllt sind?«

»Ohne durch übertriebene Ansprüche unangenehm auffallen zu wollen, möchte ich doch darauf hinweisen, dass dies keine Lage ist, in der ich gewöhnlich ein gepflegtes Gespräch führe. Wenn es also nicht zu viele Umstände macht, wäre es sehr zuvorkommend von dir, wenn du diese beiden Knochenbrecher veranlassen könntest, mich loszulassen.«

Skanga bedeutete den Wachen mit einem Wink, den Fürsten freizugeben. Shahondin richtete sich auf und klopfte sich den Staub von den Gewändern. »Meinen Dank für dein Einschreiten, Teuerste.«

»Beantworte meine Frage, wenn dir an deinem Leben liegt.«

Der Elf schürzte, pikiert über ihre direkte Art, die Lippen.

»Mein Sohn, Vahelmin, hat der Königin ebenfalls Blutrache geschworen. Er ist ein berühmter Jäger und Bogenschütze. Ich bin sicher, er wird von großem Nutzen sein, wenn wir Emerelle nachstellen.«

Skanga strich sich über ihr breites Kinn. »Ja, Elflein, das mag wohl sein. Wen hattest du denn damit beauftragt, die Königin zu töten?«

»Du wirst verstehen, dass ich über so delikate Angelegenheiten nicht gern rede. Deshalb sei nur so viel gesagt, dass meine Sippe den Tod Emerelles als eine Familienangelegenheit betrachtet.«

»Soll ich aus ihm herausprügeln, wer seine Meuchler sind?« fragte Dumgar.

»Ich versichere euch, eine Behandlung dieser Art würde auf immer meine Lippen versiegeln«, entgegnete der Elf stolz.

»So fest wollte ich eigentlich nicht zuschlagen«, erwiderte Dumgar. »Zumindest noch nicht am Anfang. Wirst du ihn mir überlassen, mein König?«

»Ich beanspruche ihn und seinen Sohn als meine Kriegsbeute«, sagte Skanga leise, »und ich wünsche nicht, noch länger darüber zu schachern.«

Der Elf machte eine galante Verbeugung vor der Schamanin.

»Ich bin entzückt, die Beute einer so ... liebreizenden Dame zu sein.«

»Die Freude liegt ganz auf meiner Seite.« Skanga bedachte ihn mit einem zahnlückigen Lächeln, dann gab sie den Wachen ein Zeichen. »Führt ihn ab und achtet gut auf ihn. Findet seinen Sohn, diesen Vahelmin! Bringt mir die beiden eine Stunde vor der Dämmerung in mein Zelt.« Die Schamanin zog sich in den Schatten des Kreuzgangs zurück und überließ den König und seine Kumpanen ihrem Gelage. Bald darauf setzte sie sich neben Orgrim nieder. Jetzt wirkte die Alte wieder schwach und ausgebrannt. Orgrim fragte sich, wer sie wirklich war: eine energische Furie, die jeden Widerstand brach, selbst dem König Befehle erteilte und ihre Macht hinter der Maske der Hinfälligkeit verbarg? Oder war sie tatsächlich nur eine erschöpfte alte Frau, die in ihren Sternstunden noch einmal zu ihrer alten Macht zurückfand? Orgrim hoffte, dass er nicht oft genug mit ihr zu tun hatte, um die Wahrheit herauszufinden. Ohne es wie eine Flucht aussehen zu lassen, versuchte er sich davonzumachen, denn in einem Punkt war er sich sicher: Skanga war ihm unheimlich!

»Hast du etwas gelernt, Welpe?«, fragte sie ihn mit ihrer leisen, eindringlichen Stimme. »Ist dir an dem Elfen etwas aufgefallen?«

»Tja ...« Die Frage überraschte Orgrim. Was sollte das? Hatte die Alte etwa beschlossen, ihn zu ihrem Zögling zu machen? Ihn schauderte bei dem Gedanken. »Er war überheblich ... Aber mutig.« Orgrim senkte seine Stimme. »Mir hat gefallen, wie er dem König zugesetzt hat.«

»Branbart ist nicht so ein Trottel, wie es scheint. Hüte dich vor ihm, Orgrim. Wenn er dein Feind ist, wirst du nicht mehr sehr alt werden.« Skanga rieb sich ihre milchigen Augen und rückte tiefer in den Schatten. »Ist dir aufgefallen, dass dieser Mistkerl von einem Elfen Branbart nicht ein einziges Mal mit seinem Königstitel angesprochen hat? Er hat ihn mit jedem seiner Sätze verspottet und beleidigt. So sind sie, die Elfen. Es ist kein böses Wort über seine Lippen gekommen, und doch hat er sein Bestes gegeben, Branbart bloßzustellen. In einem hast du allerdings Recht. Er ist wirklich mutig. Mutig und von Hass durchdrungen. Und er hält uns für dumm. Er wird ein nützlicher Verbündeter sein.«

»Du traust einem Elfen?«, fragte Orgrim überrascht.

Skanga schnalzte mit der Zunge. »Habe ich das vielleicht gesagt? Du musst lernen, genau zuzuhören, Welpe. In dir stecken alle Anlagen zu einem Herzog.« Sie lächelte hintersinnig. »Ich rate dir, halte dich in meiner Nähe. Womöglich hat auch Branbart erkannt, was in dir steckt. Dann wird er versuchen, dich umbringen zu lassen. Ich bin sicher, er wäre ein guter Herrscher geworden, wenn ihn nicht dieser mörderische Schlag vor die Stirn getroffen hätte. Der Dickkopf hat mir damals verboten, meine Kräfte zu nutzen, ihn zu heilen. Er befürchtete wohl, ich könnte ihn umbringen. Seitdem läuft ihm ununterbrochen die Nase. Deshalb spuckt er dauernd Schleim. Das hat sein Selbstbewusstsein zerstört. Er hat treue Krieger erschlagen, nur weil er sich einbildete, sie hätten ihn spöttisch angesehen. Sein Makel macht ihn langsam wahnsinnig. Er fürchtet mich, weil er glaubt, ich würde ihn eines Tages töten, damit sich seine Seele in einen neuen Körper kleiden kann.« Sie strich sich wieder über ihre Augen. »Nur eine Närrin würde es wagen, in das empfindliche Gleichgewicht von Tod und Wiedergeburt einzugreifen. Seine Stunde wird kommen, ohne dass ich etwas dazutue.«

Orgrim hütete sich, auf ihre Bemerkung einzugehen. Er hatte das Gefühl, dass jedes Wort nur falsch sein konnte. Schon jetzt war er dem Königshof viel zu nahe gekommen. Es wäre besser, unter einfachen Kriegern an einem der vielen Feuer zu sitzen und den Sieg mit einem Festmahl zu feiern.

Skanga erhob sich mit einem Seufzen. »Ich erwarte dich eine Stunde vor der Dämmerung in meinem Zelt am Hafen. In dieser Nacht wird sich etwas ereignen, was du sehen solltest.« Sie wirkte jetzt weniger hinfällig als vorhin, als sie sich von ihrem Stuhl in der Sonne erhoben hatte. Vielleicht weil sie ein Geschöpf des Schattens war? Orgrim bekam eine Gänsehaut bei dem Gedanken, in das Zelt der Schamanin geladen zu sein. Zur selben Stunde, in der auch die Elfen kommen sollten! Was hatte sie vor?

»Ach, Orgrim.« Skanga war stehen geblieben, drehte sich aber nicht zu ihm um. »Du solltest von dem Lamassu auf dem Spieß kosten. Sein Fleisch schmeckt wie Rind, aber auch ein wenig wie Geflügel. Sehr ungewöhnlich. Einen solchen Braten wird es so schnell nicht wieder geben. Und es heißt, er hat gut gekämpft. Im Wassergarten, nahe den Baumsümpfen, hat er eine ganze Meute Krieger niedergestreckt. Eine zweite Jagdmeute hat ihn in den Höhlen unter der Stadt gestellt und erschlagen. Das ist sehr gutes Fleisch, Orgrim. Sehr gutes Fleisch.«

Der Pfeil in der Kehle

Hundegekläff ließ Ole aufschrecken. Sein Kopf brummte wie ein Bienenstock. Er war neben der Schüssel mit Hirsebrei eingeschlafen. Der Tisch war klebrig von vergossenem Met. »Still, ihr Mistviecher!«, schrie er, was ihm sofort Leid tat. War der Lärm der Hunde schon wie Dolchstiche in seinen Schädel, so traf ihn sein eigenes Geschrei wie ein Axthieb. Verdammter Met! Er hatte zu früh zu viel getrunken!