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»Ist es wirklich so schlimm, wie Yilvina erzählt hat?«, fragte Alfadas unvermittelt.

Ollowain hatte nur stumm dabeigesessen, als seine Gefährtin vom Untergang Vahan Calyds berichtet hatte und vom Kampf mit den Trollen. Der Schnitt in den Hals hatte ihm nicht gestattet zu sprechen, und er war nicht unglücklich gewesen, diese Geschichte nicht erzählen zu müssen.

»Sie hat nicht einmal alles gesagt.«

»Und was wirst du nun tun?«

Ollowain machte eine hilflose Geste. »Ich weiß es nicht. Vielleicht sollte ich in die Snaiwamark. Wahrscheinlich werden sich die Trolle als Nächstes dorthin wenden.«

»Warum glaubst du das?«

»Dort lebt mein Volk. Der Elfenstamm der Normirga. Auch Emerelle gehört zu ihnen. Die Trolle hätten zwei Gründe, sich gegen sie zu wenden. Vermutlich werden sie Emerelle dort suchen, und womöglich steht ihnen der Sinn danach, Blutrache an einem ganzen Volk zu nehmen. Und selbst, wenn das nicht der Fall ist, werden sie ihre alte Heimat zurückerobern wollen. Sie sind aus der Snaiwamark vertrieben worden. Es ist das Land, das die Alben ihnen einst geschenkt haben.«

»Warum sollten sie Blutrache an einem ganzen Volk üben wollen? Was haben sie damit zu tun, was ...« Alfadas brach ab.

»Du lebst schon lange wieder unter den Menschen, mein Freund. Du denkst in ihren Maßstäben. Auch wenn die Gräueltaten des letzten Trollkrieges Jahrhunderte zurückliegen, leben noch immer etliche der Elfen, die daran beteiligt waren. Unsere Völker haben einander zu tiefe Verletzungen zugefügt.«

Kurz überlegte Ollowain, ob er Alfadas von dem Massaker auf der Shalyn Falah erzählen sollte. Vom Mord am König der Trolle und seinen Herzögen. Er zog es vor zu schweigen. Es war zu beschämend, was in dieser Nacht geschehen war.

»Manchmal wird uns unser langes Leben zum Fluch. Die alten Wunden wollen nicht verheilen, weil sie nicht in Vergessenheit geraten können. Du erinnerst dich doch noch an Farodin. Er führt seit über siebenhundert Jahren eine Fehde mit einem Trollherzog. Allein er weiß, wie oft er diesen Troll getötet hat und wie oft der Herzog wiedergeboren wurde, nur um erneut durch Farodins Klinge zu sterben.«

»Du solltest Emerelle nicht zurück nach Albenmark bringen. Nicht solange sie in diesem Zustand ist. Lass sie bei mir. Asla und ich werden uns um sie kümmern.«

»Und ich auch!«, sagte Ulric mit großem Ernst. »Ich kann ihr zu trinken bringen, wenn sie durstig ist. Und ihr Geschichten erzählen, wenn sie sich langweilt.«

Ollowain strich dem Jungen über das Haar. »Ich bin sicher, dass meine Königin dein Angebot sehr zu schätzen wüsste.« Er blickte zu Alfadas. »Aber ich kann euch nicht guten Gewissens eine solche Last aufbürden.«

»Nicht? Du willst sie also mit in das ewige Eis der Snaiwamark nehmen. Dorthin, wo du den nächsten Angriff der Trolle erwartest? Niemand würde sie hier bei mir suchen. Wer würde schon vermuten, dass die mächtige Emerelle in einem bescheidenen Dorf in der Welt der Menschen Unterschlupf sucht. Nenne mir einen Ort, der sicher für Emerelle ist, und ich lasse dich mit ihr ziehen.«

Die Einwände, die Alfadas vortrug, waren nicht von der Hand zu weisen. Und dennoch hatte Ollowain kein gutes Gefühl. Sein Plan war es gewesen, hier für ein paar Tage Unterschlupf zu suchen. Gerade so lange, wie Emerelle brauchte, um wieder zu Kräften zu kommen. Dass sie sich von ihrer Verwundung nicht ohne weiteres erholte, daran hätte er niemals gedacht. Er wusste nicht, was jetzt zu tun war. In seinen Gedankenspielen hatte die Königin hier in Firnstayn bestimmen sollen, wie es weitergeht. »Ich werde darüber noch einmal schlafen«, antwortete Ollowain schließlich.

Der Jarl lächelte breit. »Warum? So zögerlich kenne ich dich nicht. Meine Worte werden morgen noch dieselben sein. Warum also warten?«

»Vielleicht weil ich trotz meines Alters die Hoffnung noch nicht aufgegeben habe, über Nacht zu Weisheit zu gelangen«, entgegnete der Schwertmeister scherzhaft.

Plötzlich blieb der große Hund stehen und knurrte leise. Er sah zu einem Dickicht hinüber. Ollowain konnte dort nichts Verdächtiges erkennen, doch hatte er das Gefühl, dass sie beobachtet wurden. Auch das Kind wirkte verändert. Ulric rieb sich die Arme. »Es ist kalt hier unter den Bäumen.«

»Dann gehen wir eben zum Fjord.«

»Atta, Atta!«, rief Kadlin begeistert, als habe sie verstanden, was ihr Vater gesagt hatte.

»Silwyna?«, rief Alfadas in Richtung des Gebüschs. Doch er bekam keine Antwort.

»Hier hat Opa mit dem Ungeheuer gekämpft«, erklärte Ulric. Der Junge deutete auf den Haselnussbusch. »Dort hat es sich versteckt. Und hier haben sie Opas tote Freunde gefunden.«

»Wer sagt das?«, fragte Alfadas ärgerlich.

»Opa Erek. Er hat mir alles über den Kampf mit dem Manneber erzählt. Erek sagt, dieser Ort sei verflucht, weil hier Opas Freunde gestorben sind. Deshalb ist es hier immer kühl.«

»Und ich sage, dir ist es kalt, weil dein nichtsnutziger Großvater dir Gruselgeschichten über diesen Ort erzählt hat.« Alfadas nahm seinen Sohn bei der Hand. »Wir gehen jetzt.«

Ollowain blickte noch einmal zu dem dichten Haselnussbusch. Dort war etwas. Das konnte er spüren. Auch der Hund war nicht ohne Grund unruhig geworden. Etwas lauerte hier.

War es möglich, dass ihnen die Trolle durch das Labyrinth der Albenpfade gefolgt waren? Nein, die Vorstellung war absurd. Dort hinterließ man keine Spuren.

Mit weit ausholenden Schritten schloss Ollowain zu Alfadas und den Kindern auf. Ulric drosch mit seinem Schwert auf einen jungen Birkenstamm ein und bedachte den Baum dabei mit einem Schwall von Flüchen, von denen einige selbst Orimedes beeindruckt hätten. »Silwyna war bei dem Haselnussbusch«, sagte Alfadas leise. »Ich kann es immer noch spüren, wenn sie in der Nähe ist. So wie damals ... Warum hast du sie mitgebracht?«

Ollowain dachte daran, ihn anzulügen. Aber wem konnte er trauen, wenn nicht ihm? Alfadas war gewiss in kein Komplott gegen Emerelle verwickelt. Also erzählte er ihm, warum sie hier war.

Sie hatten längst den Fjord erreicht, als der Schwertmeister mit seiner Geschichte über die Maurawani und ihre undurchsichtige Rolle während der Flucht endete.

»Sie hat nicht auf die Königin geschossen, da bin ich mir ganz sicher«, sagte der Jarl entschieden. »Das würde sie niemals tun.«

Er war noch genauso gutgläubig wie damals, dachte Ollowain traurig. Es wäre doch weiser gewesen, ihm nichts zu erzählen!

»Du hättest auch niemals gedacht, dass sie dich verlassen würde, nicht wahr?«

Alfadas sah überrascht auf. »Was hat das miteinander zu tun?«

»Du hast den größten Teil deines Lebens in Albenmark verbracht, mein Freund. Aber Menschenleben sind kurz. Ich hatte vorübergehende Launen, die länger anhielten. Du kennst uns nicht wirklich. Weißt du, ob sie nicht einen geheimen Groll gegen die Königin hegt?«

Alfadas schüttelte ungläubig den Kopf. »Du bist zu lange Emerelles Leibwächter gewesen, Meister. Du siehst nur noch Intrigen und Verrat, nicht mehr die Wirklichkeit! Die ständige Sorge um die Königin hat dich ausgebrannt. Warum hätte Silwyna dein Leben retten sollen, wenn sie die Königin ermorden will? Und warum wäre sie dann hier? Sie hätte Emerelle doch wohl leicht nach dem Bienenangriff töten können.«

»Du kannst dich eben nicht in eine Maurawani hineindenken, Menschensohn. Und wer sollte es dir verübeln, wo selbst in Albenmark kaum jemand dieses Volk verschrobener Einzelgänger versteht. Für sie ist das Ganze eine Jagd. Und wenn weder ich noch Emerelle selbst in der Lage sind, sie zu schützen, dann ist die Königin keine infrage kommende Beute mehr. Versuche nicht, sie zu verstehen, Alfadas. Das wäre ein Weg der Schmerzen.«

Die Züge seines Freundes verhärteten sich. Mit seinem kurzen, blonden Bart sah Alfadas eigenartig aus. Älter, härter und menschlicher. »Silwyna wird einen guten Grund gehabt haben, mich zu verlassen. Sie hat ihn mir nie genannt, aber das heißt nicht, dass es ihn nicht gibt.«

So naiv diese Vertrauensseligkeit war, so entwaffnend war sie auch. Wäre die Welt nur tatsächlich so, wie Alfadas sie sehen wollte!