„Ich warne euch“, sagte sie eindringlich. „Erhebt eure Waffen gegen mich, und euer Leben ist verwirkt.“ Sie sagte es vollkommen ruhig; es war eine Feststellung, nichts weiter.
Doch die Wegelagerer grinsten bloß dreckig, und dann brach unvermittelt die Hölle los, als sie wie auf ein unhörbares Kommando hin zum Angriff übergingen.
Zara sah, wie die beiden Bogenschützen nahezu gleichzeitig ihre Pfeile abschossen, doch damit hatte sie gerechnet. Sie sah die Pfeile heranzischen wie schwarze Blitze und wich dem ersten geschickt aus, indem sie sich zur Seite beugte, um sofort wieder hochzukommen und schnell wie eine angreifende Königskobra nach dem zweiten Pfeil zu greifen, der direkt auf ihren Kopf zuschoss. Sie bekam den Pfeil zu fassen, als die eiserne Spitze des Pfeils nur noch Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt war. Sie zerbrach den Pfeil mit einer Hand und schleuderte die beiden Stücke achtlos zu Boden, ehe sie die Wegelagerer wieder düster anstarrte, die drohend ihre Waffen schwangen. Die Bogenschützen legten bereits neue Pfeile auf die Sehnen ihrer Bögen.
„Das“, sagte Zara fast bedächtig, „war ein Fehler.“
Dann sprang sie mit einem Satz vom Rücken des Pferdes, kam federnd neben Kjell auf dem Boden auf, richtete sich auf und sah, wie die Kerle wie ein Mann auf sie zustürmten. Sie gab Kjell einen Hieb auf die Flanke, damit er sich entfernte, und wandte sich den Angreifern zu.
Ein Langspeer schoss auf sie zu. Zara warf sich zur Seite, und die Speerspitze bohrte sich in die Erde und blieben wippend im Waldboden stecken. Mit einem Satz sprang Zara wieder auf. Es gelang ihr gerade noch, sich umzudrehen, bevor der erste Angreifer bei ihr war.
Mit einem heiseren Keuchen riss der Schurke sein Kurzschwert in die Höhe und ließ es in einem schrägen Bogen niedersausen. Geschickt wich Zara der scharfen Klinge aus, während sie gleichzeitig ausholte, um dem Angreifer die Faust direkt unterhalb der Brust in den Körper zu rammen. Die Wegelagerer trugen, so schien es, mehrere Schichten Stoff übereinander, um sich vor der Witterung zu schützen, doch Zara hatte viel Kraft in den Schlag gelegt. Der Strauchdieb stieß einen quiekenden Laut aus und schwankte, das Gesicht vor Schmerz verzerrt. Zara setzte sofort nach und schleuderte den Kerl mit einem wuchtigen Tritt nach hinten; er stürzte rücklings zu Boden, direkt neben den jungen Burschen, den die Banditen überfallen hatten und der sich nun mühsam aufraffte und versuchte, aus der Gefahrenzone zu kriechen.
Zara blieb keine Zeit zum Verschnaufen, denn schon waren die nächsten beiden Strolche heran. Sie kamen von links und von rechts, um sie in die Zange zu nehmen, die Schwerter in den Händen. Zaras Blick zuckte zwischen den Männern hin und her, doch nichts an ihr ließ erkennen, dass sie Furcht verspürte. Sie war vollkommen ruhig, so, als gehörte dergleichen zu ihrem Leben wie Essen, Trinken und Atmen. Dabei war sie unbewaffnet; ihr beiden Schwerter steckten in den Scheiden an ihrem Sattel, für Zara jetzt unerreichbar.
Als einer der Schurken, ein relativ junger Bursche, unvermittelt seine Klinge nach vorne stieß, war Zara darauf vorbereitet. Sie tänzelte zur Seite, versetzte dem Mann einen wuchtigen Tritt gegen das Schienbein und sprang nach hinten, als der zweite Angreifer sich keuchend auf sie stürzte. Die breite Schneide einer Streitaxt zuckte auf sie zu. Zara tauchte darunter weg und warf sich nach vorn, direkt auf den Angreifer.
Der ehemalige Soldat stieß einen überraschten Laut aus. Plötzlich hatte er keinen Boden mehr unter den Füßen. In einem wüsten Knäuel aus Armen und Beinen stürzten die beiden zu Boden, die Axt fiel dem Schurken aus den Händen.
Zara wälzte sich auf ihren Gegner und schlug mit der geballten Faust nach seinem Gesicht. Sofort schoss Blut aus seiner Nase, besudelte warm und klebrig Zaras Handballen – und tat tief in Zaras Innerem eine Tür auf, die Zara sonst bedachtsam verschlossen hielt, aus Furcht vor dem, was passierte, wenn sie ganz geöffnet wurde. Jetzt sprang sie auf, lediglich einen Spaltbreit zwar, doch das genügte.
Zara gab alle Zurückhaltung auf und schlug erneut zu, diesmal noch härter und gegen die Stirn des Mannes. Der Strauchdieb stöhnte und wand sich am Boden. Erst als Zara ein drittes Mal zuschlug, brach sein Blick, und er lag still.
Zara ließ von dem Toten ab und sprang eilig auf – keine Sekunde zu früh, denn der jüngere der Banditen stürmte mit gezücktem Schwert auf sie zu. Ein irrer Glanz lag in seinen Augen.
Zara ging mit vor der Brust geballten Fäusten in Abwehrstellung, ihr Leib angespannt wie eine Stahlfeder, den Blick auf die Schwertklinge gerichtet, als sie aus dem Augenwinkel eine vage Bewegung bemerkte.
Ihr Kopf zuckte herum.
Ein anderer Wegelagerer kam von rechts auf sie zugerannt, das Schwert zum Schlag erhoben, ein heiseres Keuchen auf den Lippen. Seine Lederstiefel wirbelten Erde und Laub auf. Die Schwertklingen zuckten von beiden Seiten heran, irrsinnig schnell. Dann waren die Banditen bei ihr. Beinahe gleichzeitig ließen sie ihre Waffen durch die Luft pfeifen.
Zara sprang hastig einen Schritt zurück und entging der ersten Klinge um Haaresbreite, doch die zweite schnitt quer über ihren linken Oberarm. Das Leder ging in Fetzen. Sofort quoll Blut hervor, schwarz und dick wie das von Käfern.
Zara stöhnte auf, verschwendete jedoch keine Zeit damit, sich Gedanken über die Wunde zu machen; sie würde es überleben. Stattdessen rammte sie dem ersten Gegner den Ellbogen in die Seite, stieß ihn weg und packte die Axt, die neben dem toten Wegelagerer lag.
Mit einem Wutschrei riss sie die Axt hoch und stürmte auf die beiden Männer zu. Mit voller Wucht ließ sie die Klinge auf sie herabsausen und traf das Schwert des jüngeren Banditen. Funken schlugen, als die Axt auf das Schwert krachte. Der Hieb schleuderte den Gegner nach hinten. Leichtfüßig wirbelte Zara herum und schlug nach dem anderen Wegelagerer, der reflexartig sein Schwert hochriss. Singend trafen ihre Klingen aufeinander. Und noch einmal. Und noch einmal, bis der Kerl unvermittelt einen raschen Ausfallschritt zur Seite machte und Zara ins Leere schlug. Die Schneide der Axt zischte durch die Luft, ohne auf den erwarteten Widerstand zu treffen.
Überrascht taumelte Zara einen Schritt nach vorn, bemüht, das Gleichgewicht zu halten. Darauf hatte der Strolch nur gewartet. Mit zum Schlag erhobenem Schwert setzte er nach und schwang die Klinge in einem Bogen, um Zara der Länge nach aufzuschlitzen. Zara sprang hastig zurück und schaffte es, dem Hieb um Haaresbreite zu entgehen. Dann sah sie aus dem Augenwinkel eine weitere Schwertklinge auf sich zurasen und duckte sich; direkt über ihrem Haupt trafen sich die Klingen der Angreifer mit einem harten Klirren, so dicht über Zaras Kopf, dass einige Haare zu Boden fielen. Erneut stoben Funken. Zara warf sich zur Seite, rollte sich geschickt auf dem Pfad ab, und noch während sie neben den beiden Männern wieder auf die Füße kam, fasste sie die Axt mit beiden Händen fester und führte einen kraftvollen Hieb von unten nach oben.
Einer der Angreifer wurde getroffen, die Schneide der Axt grub sich tief in seinen Leib. Schreiend fiel er zu Boden, doch er musste nicht lange leiden, denn schon war Zara über ihm, riss die Axt hoch und ließ sie mit einem gepressten Keuchen niedersausen.
Statt aus dem Tod ihrer beiden Kameraden ihre Lehre zu ziehen und den Rückzug anzutreten, beschlossen die Wegelagerer, aufs Ganze zu gehen. Sie hatten diesen seltsamen Glanz in den Augen; Zara hatte ihn schon des Öfteren gesehen – bei Menschen, die den Punkt erreicht hatten, an dem ihnen mit einem Mal alles gleichgültig wurde und Leben und Tod ihre Bedeutung verloren.
Für diese Männer zählte nur noch eins.
Sie wollten Blut sehen.
Zaras Blut!
Hass und Zorn schossen wie Adrenalin durch ihre Körper und ließen sie handeln. Gleichzeitig schössen zwei der Männer heran, um Zara in die Zange zu nehmen. Zara schaffte es, abzutauchen, einem der Angreifer die Beine unter dem Körper wegzuhebeln und ihn zu Boden zu schicken, doch dabei war sie gezwungen, dem anderen Gegner für einen Sekundenbruchteil ihren Rücken zuzudrehen. Der nutzte seine Chance und versetzte ihr einen Hieb mit dem Ende des Schwertgriffs. Hart donnerte der Griff gegen Zaras Schädel. Schlieren der Benommenheit tanzten vor ihren Augen, aber sie kämpfte dagegen an und wich hastig einen Schritt zurück, um dem zweiten Hieb zu entgehen. Doch der Bandit setzte sofort nach. Wie durch eine Nebelwand sah Zara den Mann auf sich zukommen, und für eine Sekunde keimte so etwas wie Furcht in ihr auf.