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Dann schlug sie zu!

Es waren bloß ein paar Spritzer, die den Schnee sprenkelten, und ehe die Strauchdiebe auch nur begriffen, was geschehen war, zog Zara sich auch schon wieder von dem großen, kräftigen Burschen mit dem Bierbauch und der ungepflegten Mähne zurück. Sie huschte zu der Stelle, wo sie eben noch gestanden hatte, und auf einmal schien die Welt erstarrt zu sein. Alle Augenpaare waren auf den Kerl mit dem Bierbauch gerichtet, der Zara fassungslos anstarrte, die Augen groß und weit vor Schreck. Sein Mund klappte mehrmals auf und zu, wie bei einem Fisch auf dem Trockenen, doch alles, was über seine Lippen kam, war ein rotes Rinnsaal, das zu Boden tropfte.

Der Bierbauch starrte auf die Blutstropfen im Schnee zu seinen Füßen und dann hinüber zu Zara, die reglos an derselben Stelle stand wie vor zwei Sekunden, den Kopf leicht gesenkt, sodass ihr langes schwarzes Haar ihr Gesicht in Schatten tauchte. Die Klingen ihrer Schwerter waren blank und rein, ohne eine Spur von Blut daran, so schnell hatten sie ihr tödliches Werk verrichtet. Einen langen Moment starrte der Kerl mit dem Bierbauch sie an, dann begann er zu wanken, taumelte wie ein Betrunkener von einer Seite zur anderen, und plötzlich war zu erkennen, dass seine Kleidung an zwei Stellen über der Brust zerschnitten war; darunter quoll jetzt das Blut hervor, aus den Wunden, die Zaras Klingen ihm zugefügt hatten. Noch immer zeigte sein Gesicht keinen Schmerz, lediglich eine gelinde Verblüffung – dann kippte er um und bleib reglos auf der kalten Erde liegen, so schnell gestorben, dass er es selbst nicht begriffen hatte.

Glubschauge und seine Häscher standen reglos da und starrten fassungslos auf den toten Kumpan im Schnee.

„Noch einmal“, sagte Zara düster. „Wenn euch euer Leben lieb ist, trollt euch!“

Der Mann mit dem Glubschauge starrte Zara an und versuchte verzweifelt, seiner Panik Herr zu werden, was ihm aber allenfalls ansatzweise gelang. „Du bist bereits tot“, raunte er unheilvoll. „Du weißt es nur noch nicht!“

Trotz ihrer Anspannung musste Zara lachen, ein hartes, humorloses Lachen, das den Umstehenden eine Gänsehaut über den Rücken jagte. „Du ahnst gar nicht, wie Recht du damit hast...“ Sie warf einen Blick in die düsteren, ängstlichen Gesichter der umstehenden Männer, die sich an ihre Prügel und Schwerter und Armbrüste klammerten, als wären es Rettungsanker, und ihre eigenen Hände fassten die Griffe ihrer Schwerter unwillkürlich fester, als der Kerl mit dem Glubschauge tief Luft holte, seine Armbrust hochriss, gleichzeitig den Bolzen abschoss und aus voller Kehle brüllte: „Schneidet sie in Stücke!“

Der Bolzen zischte von der Seite her auf Zara zu, während die Männer mit den Schwertern und Äxten wie eine Wand von allen Seiten auf sie zukamen. Zara wich ihm geschickt aus, erkannte, dass es keine Möglichkeit gab, den Kampf abzuwenden, und fügte sich in das Unvermeidliche.

Bevor auch nur einer der Männer dicht genug an sie heran war, um seine Waffe einzusetzen, setzte sich Zara mit der animalischen, tödlichen Eleganz eines Raubtiers in Bewegung. Sie riss ihre Schwerter hoch und schoss vorwärts, um wie eine Primaballerina an den Männern vorbeizutänzeln. Die Schwerter waren lang und Zara schnell, und schon befand sie sich in Reichweite ihrer Widersacher, und dann zuckten die Klingen mit blitzartigen, präzisen Hieben hin und her, auf und nieder, und ihr hohes Singen scholl wie eine unheilvolle Melodie durch den Felskessel, nur unterbrochen von den schmerzerfüllten Schreien der Gegner.

So schnell schlug sie zu, dass die Männer kaum wussten, wie ihnen geschah, während Zara zwischen ihren Gegnern hin und her wischte, ihren vagen Hieben auswich und von einem zum anderen eilte. Es sah aus, als würde sie einen exakt choreographierten Tanz vollführen, und jedes Mal, wenn ihre Schwerter hernieder sausten, ging einer ihrer „Tanzpartner“ zu Boden, bis ein feiner Schleier aus winzigen roten Tropfen wie ein makabrer roter Vorhang in der Luft hing, durch den Zara mit ihren Schwertern wirbelte wie eine orientalische Tuchtänzerin.

Zara wurde sich vage bewusst, dass es genug war, dass die Männer ihre Lektion vermutlich gelernt hatten und sie nun sicherlich in Ruhe ließen. Doch da war diese hartnäckige Stimme in ihrem Kopf, die ihr zuraunte, weiterzumachen, es zu Ende zu bringen, denn das ist es, was du willst, nicht wahr? Genau das ist es, was du willst!

Nein, das ist es nicht!, schoss es Zara durch den Kopf. Ich habe sie gewarnt; es ist ihre Schuld. Ich kann nichts dafür!

Doch die Stimme in ihrem Hinterkopf, die zunehmend lauter wurde und mit jedem ausgelöschten Leben stärker in den Vordergrund drängte, lachte, leise und hämisch. Wem willst du hier eigentlich etwas vormachen?, raunte sie. Du tust es, weil du selbst es tun willst!

Es war, als habe sie Opium geraucht und hätte sich selbst nicht mehr vollends unter Kontrolle, und wie im Rausch wirbelte sie weiter. Fast konnte man den Eindruck gewinnen, als wären die Schwerter mit ihr verwachsen, als seien die Klingen nichts weiter als rasiermesserscharfe Fortsätze ihrer Arme, etwas, das zu ihr gehörte wie ihr Kopf oder ihre Füße.

Da traf sie unvermittelt ein harter Hieb in den Rücken, in Höhe ihrer linken Schulter. Die Wucht schleuderte Zara nach vorn. Sie spürte einen stechenden Schmerz, der ihre gesamte Schulter in Flammen setzte, und stolperte unbeholfen vorwärts, plötzlich aus dem „Takt“. Die Klingen verfehlten ihr anvisiertes Opfer und zischten gefahrlos ins Leere. Im ersten Moment glaubte sie, von einem Keulenhieb getroffen worden zu sein, doch dann krachte das Dröhnen eines weiteren Musketenschusses durch den Felskessel, und nur einen Lidschlag später durchschlug eine zweite Kugel ihre linke Wade.

Mit einem Keuchen, in dem sich Schmerz und Überraschung die Waage hielten, knickte sie ein, sank in die Knie und stützte sich mit beiden Armen auf die Griffe ihrer Schwerter, die vor ihr in der hartgefrorenen Erde staken. Beide Schusswunden sandten dumpfe Schmerzen durch ihren Leib, die das siedende Adrenalin in ihren Adern gefrieren ließen wie Eis und dafür sorgten, dass sie wieder halbwegs klar im Kopf wurde.

Plötzlich war der Opiumrausch verfolgen, und alles, was blieb, war die bittere Erkenntnis, dass sie gerade so ziemlich jede Regel gebrochen hatte, die sie sich selbst auferlegt hatte. Dass sie Menschen getötet hatte, war nicht das Problem; es hatte ihr Vergnügen bereitet, diese Leben auszulöschen, und als sie den Kopf hob und den Blick benommen durch den Felskessel gleiten ließ, stieg unbändiger Hass auf sich selbst in ihr auf: Hass und die Erkenntnis, dass die grässliche kleine Stimme in ihrem Kopf am Ende vielleicht doch Recht hatte, so sehr Zara sich auch bemühte, sich selbst das Gegenteil zu beweisen.

Das ist es, was ich bin, dachte sie, und daran wird auch die Ewigkeit nichts ändern ...

Plötzlich fühlte Zara sich unendlich müde, als wäre schlagartig all ihre Energie aus ihr gewichen, und als sie versuchte, aufzustehen, knickte sie mit dem linken Bein wieder ein und fiel mit schmerzverzerrtem Gesicht in den Schnee zurück. Die Pein war mehr seelisch als körperlich, doch das reichte aus, dass die verbliebenen Männer im Felsenkessel plötzlich ihre Chance wittern, das Blatt doch noch zu ihren Gunsten zu wenden. Innerhalb von Sekunden verwandelten sich Angst und Panik in blinden, rasenden Hass, und plötzlich waren die Männer nur noch von einem Gedanken beseelt: Zara zu töten, ihr all das heimzuzahlen, was sie ihnen angetan hatte!

Zara sah es in den weit aufgerissenen Augen ihrer Häscher, die sie starr und seltsam gläsern fixierten; sie hatte diesen Blick schon oft gesehen, meist bei Rittern, die auf dem Schlachtfeld im Angesicht einer blutigen Niederlage plötzlich zum Angriff übergingen, statt den Rückzug anzutreten. Mit Heldenmut hatte dies nichts zu tun, vielmehr war es, als würde im Verstand dieser Männer irgendetwas zerbrechen und derart dafür sorgte, dass sie sich brüllend und außer sich vor Zorn in die aussichtsloseste Schlacht stürzten. Ähnliches ging nun auch mit den überlebenden Banditen vor, die angesichts der am Boden knienden Frau ihren „Mut“ zurückgewannen, und unversehens stürzte sich die Meute wie auf ein unhörbares Signal hin auf Zara.