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„Nun zu uns beiden“, raunte sie und schürzte verführerisch die Lippen. „Der letzte Tanz des Abends ...“

Der Bandit bekam keinen Laut heraus; er stand einfach nur schreckensstarr da, die Augen groß wie Taubeneier. Er war leichenblass, und all die überhebliche Arroganz, die er noch vor zwei Minuten an den Tag gelegt hatte, war verflogen, ebenso tot wie all seine Kameraden, die nun nie wieder zusammen mit ihm durch die Wälder streifen und unschuldigen jungen Frauen auflauern würden.

Zara blieb unmittelbar vor ihm stehen, riss ihm mit übermenschlicher Schnelligkeit das Schwert aus der Hand, schleuderte es achtlos weg, packte den Mann am Kragen seines Rocks und riss ihn mit der linken Hand so leicht hoch, als wöge er nicht mehr als ein Bündel Stoff. Ihre Gesichter waren nur eine Handbreit voneinander entfernt, und als Zara sprach, schlug dem Mann ihr Atem entgegen, bittersüß und schwer vom Kupfergeschmack des Blutes, das sie getrunken hatte.

„Jetzt“, sagte sie mit leuchtenden, rot geäderten Augen, in denen ein dunkles, unseliges Feuer glomm, „sind wir ganz unter uns, du und ich! Keiner deiner Schergen ist mehr am Leben, der etwas über unser Gespräch verraten könnte, deshalb wird es dir wohl nichts ausmachen, mir zu verraten, wem ich die Ehre eurer Aufmerksamkeit verdanke?“ Sie sah ihm direkt ins Gesicht, und ihre langen Fangzähne schimmerten bleich. Blutspritzer glänzten auf ihrer Haut wie makabre Sommersprossen. „Wer will mich tot sehen – oder zumindest noch toter, als ich ohnehin schon bin?“

Der Mann starrte sie an, und sie bemerkte, dass sein Blick auf einmal seltsam glasig wurde. Als er den Mund öffnete, um etwas zu sagen, quoll blutiger Schaum über seine Lippen. Jetzt erst fiel Zara die tiefe, blutende Wunde auf, die er an seiner rechten Seite hatte. Offenbar hatte sie ihm diese schlimme Verletzung beigebracht, als sie mit ihren beiden Schwertern ihren tödlichen Tanz aufgeführt hatte. Die Lunge war von einer ihrer Klingen durchbohrt worden, Blut nässte an der Seite seine Kleidung, und jetzt rann es auch gurgelnd aus seinem Mund.

Der Mann starb, er hatte nur noch wenige Herzschläge zu leben. Antworten auf ihre Fragen würde sie von ihm nicht mehr erhalten.

Mühsam presste er zwischen den gurgelnden Lauten hervor: „Der Teufel ... soll dich ... holen ...“

„Das“, sagte Zara ungerührt, „hat er bereits!“

Dann biss sie zu, bohrte ihre Blutzähne in den Hals des Mannes. Gierig trank sie seinen roten Lebenssaft, bevor er starb, dann packte sie mit beiden Händen auch seinen Kopf und drehte ihn mit einem brutalen Ruck auf den Rücken.

Schlagartig erschlaffte der Körper in Zaras Griff, und sie ließ den Toten achtlos zu Boden fallen, von vager Enttäuschung erfüllt. Sie hätte liebend gern gewusst, welchem dieser Hinterwäldler sie so sehr auf die Zehen getreten war, dass er meinte, sie aus dem Weg räumen zu müssen. Doch dass sie den Auftraggeber dieser Strolche früher oder später aufspüren würde, daran hegte Zara keinen Zweifel; und wenn sie nicht ihn fand, dann fand er mit Sicherheit sie.

Zara blickte auf – und sah Falk keine zehn Schritte vor sich stehen. Er stand da wie angewurzelt und glotzte sie fassungslos an. Zara erstarrte mitten in der Bewegung, die Fangzähne gebleckt, das Gesicht blutig, unter den Nägeln das Blut ihrer Opfer. Über die Leiche hinweg starrten sie sich geradewegs in die Augen, und das namenlose Entsetzen in Falks Blick bohrte sich wie ein Stachel in Zaras Seele. Als würde sie das daran erinnern, wer sie wirklich war – oder zumindest zu sein versuchte –, bildeten sich ihre Fangzähne innerhalb eines Herzschlags zurück, und als Zara blinzelte, kam es Falk vor, als hätte er plötzlich eine vollkommen andere Kreatur vor sich als noch einen Herzschlag zuvor. Von einem Moment zum anderen veränderte sich ihre ganze Körperhaltung; die Pinselstriche, die der Maler zuvor hinzugefügt hatte, verschwanden wie von Geisterhand. Die herzlose, eisige Arroganz wich aus ihrem Blick, um einem Ausdruck von Resignation, Trauer und Verzweiflung Platz zu machen, der Falk tiefer ging als es das Blut an ihren Händen.

„Zara?“, sagte er unsicher.

Zara senkte den Blick, als könne sie es nicht ertragen, ihm in die Augen zu schauen. „Du hättest das hier nicht sehen sollen“, sagte sie leise.

Falk schluckte. „Was ... was soll das heißen? Willst du mich jetzt auch umbringen wie das arme Schwein da?“ Er wies auf den toten Mann zu ihren Füßen, doch in seiner Stimme schwang mehr Zorn als Angst mit. „Willst du mir vielleicht auch den Hals umdrehen?“

„Du wirst sterben“, sagte Zara ruhig, und ihre Worte trafen Falk mit der Wucht eines Schmiedehammers. „Doch nicht hier, nicht heute – und nicht durch meine Hand.“ Sie warf einen Blick auf die Leiche zu ihren Füßen. „Heute wurde schon genug Blut vergossen.“ Zara verstummte mit hängenden Schultern, den Blick zu Boden gerichtet. Als sie den Kopf schließlich wieder hob, waren ihre Augen schmal und ernst, und als sie sprach, klangen ihre Worte hektisch, als wäre ihr gerade etwas Wichtiges eingefallen. „Wo sind die anderen?“, wollte sie besorgt wissen.

„Bei Drusillas Leichnam“, erklärte Falk. „Keine Sorge; wir sind allein – mal abgesehen von den ganzen Toten hier ...“ Er sah hinüber zu den Leichen, und eine kleine Weile sagte keiner ein Wort. In den letzten Minuten hatte es wieder stärker zu schneien begonnen, und dicke weiße Flocken wirbelten lautlos durch die Schlucht, von eisigen Winden getragen, um sich auf den erkaltenden Leibern der Toten niederzulassen.

Falk war der Erste, der seine Sprache wiederfand. „Verdammt, Zara ...“ Er sah sie durchdringend an, doch sie sah in seinem Blick mehr Neugierde als Furcht. „Was, zum Teufel... bist du?“

„Ich“, sagte Zara düster, „bin der schlimmste Albtraum, den du dir vorstellen kannst.“

„Ohne Frage“, bestätigte Falk trocken. „Aber könntest du meine Frage etwas genauer beantworten?“

„Ich denke, du weißt, was ich bin!“

Falk konnte es nicht fassen. „Aber ... aber ...“

„Es ist die Wahrheit“, erwiderte Zara knapp.

Falks schüttelte den Kopf. „Unfassbar“, raunte er. „Du bist ein ... ein Vampir. Ein Nosferatu. Ein Jaracara. Ein Mulo. Ein Neuntöter. Ein Blutsauger. Ein Kind der Nacht. Ein ...“

„Ich bin Zara“, unterbrach sie ihn. „Nicht mehr, und nicht weniger.“

„Schon, aber ...“ Falk brach ab und rang nach Worten; man konnte förmlich sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete, als er versuchte, für all das eine plausible Erklärung zu finden. „Vampire“, sagte er fassungslos. „Die meisten Menschen glauben nicht daran, dass es euch wirklich gibt.“

„Und genau deshalb existieren wir noch“, erwiderte Zara.

„Und ... wie viele wie dich gibt es in Ancaria?“

Zara zuckte die Schultern. „Nicht viele“, sagte sie. „Wenn auch genug, um euch weiterhin in euren Albträumen heimzusuchen.“

Falk wiegte den Kopf. „Du findest diese orakelhaften Antworten großartig, oder? Vielleicht gefällst du dir aber auch nur darin, dich selbst als etwas darzustellen, das du eigentlich gar nicht bist.“ Er ließ den Blick von dem toten Mann zu Zaras Füßen über die Leichen im Talkessel schweifen, die der Schnee langsam unter einer weißen Decke bettete. „Ich habe keine Ahnung, was dich dazu gebracht hat, all diese Männer umzubringen, und ich bin auch gar nicht sicher, ob ich es wissen will. Aber egal, ob du nun ein Vampir bist oder nicht: Ich weiß, dass du das hier nicht tun wolltest. Was auch immer dich dazu getrieben hat, dieses Massaker anzurichten, in dem Moment warst du nicht du selbst.“

„Doch, das war ich“, widersprach Zara. „In diesem Moment war ich mehr ich selbst, als ich es jetzt bin.“ Sie schüttelte den Kopf. Der Kloß in ihrer Kehle schien mit jeder Sekunde größer zu werden. Sie starrte zu Boden, und der wirbelnde Schnee umwehte sie, eine finstere Gestalt, der die Verzweiflung wie ein schwerer Mantel um die hängenden Schultern lag.