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Falk sah sie noch einen Moment lang an, als wollte er noch etwas darauf erwidern, doch letztlich kam er zu dem Schluss, dass es sinnlos war, mit Zara über Dinge diskutieren zu wollen, von denen sie mehr Ahnung hatte als er. Er deutete auf die Einschusslöcher, die ihre Kleidung perforierten, und auch sonst hatte sie in diesem einen Kampf mehr Blessuren davongetragen als in den zehn Jahren davor zusammen. „Du siehst schlimm aus“, sagte Falk. „Wir müssen dich verbinden und die Kugeln aus dir rausholen, ehe sich die Wunden entzünden.“ Er sah ihr direkt in die Augen, und die Furcht, die ihn vorhin zu lähmen schien, war fort. „Das heißt, natürlich, wenn sich deine Wunden entzünden können.“

Zara schüttelte müde den Kopf; mit einem Mal hatte sie Mühe, sich auf den Beinen zu halten. „Nein, können sie nicht“, sagte sie leise. „Mein Gewebe ist in dem Sinne nicht vital. Aber ich spüre die verdammten Kugeln bei jeder Bewegung in mir, und das Jucken ist mörderisch, sag ich dir.“ Sie hielt Falks Blick stand, und als sich seine Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln verzogen, erwiderte sie es, von Dankbarkeit erfüllt, weil Falk sie als das akzeptierte, was sie war: als Zara und nicht als das Ding, das all diese Leute niedergemetzelt hatte, auch wenn sie in diesem Moment selbst nicht recht zu sagen vermochte, wer sie eigentlich war. Nicht, dass sie das jemals wirklich gewusst hätte seit dem Tag, als sie den Blutkuss empfangen hatte ...

Falk setzte an, etwas zu sagen, doch bevor er dazu kam, ruckte Zaras Kopf herum, als hätte sie etwas gehört.

Falks Augen verengten sich zu Schlitzen. „Was ist los?“

„Männer“, raunte Zara. „Da kommen Männer zu Pferde ...“ Sie schnappte sich ihre beiden Schwerter und steckte sie zurück in die Scheiden auf ihrem Rücken.

Falk runzelte die Stirn und lauschte angestrengt in die Nacht. „Woher weißt du das?“ Er hörte keinen Laut.

„Ich kann sie riechen“, erwiderte Zara. „Sie sind gleich hier ...“

„Verdammter Mist!“ Sein Blick schweifte durch den Felskessel; dort legte der Schnee allmählich ein weißes Leichentuch über die toten Gestalten, das jedoch hier und da immer wieder von roten Flecken durchdrungen wurde. Falk wurde unruhig. „Wie, zum Teufel, sollen wir das hier erklären? Dafür wird man dich hängen ... und mich dazu!“ Er sah Zara fragend an. Hängen kann man dich doch, oder?“ Bevor Zara darauf etwas erwidern konnte, rief er: „Dein Mund, Zara! Das Blut!“

Sie begriff, nahm sich eine Hand voll Schnee und rieb sich damit den Mund, um das Blut ihrer Opfer, das noch daran klebte, zu entfernen.

Das Klappern von Hufen auf Stein erklang, und Zara war gerade mit ihrer Reinigungsaktion fertig, da tauchten nacheinander ein halbes Dutzend Reiter in der Felsschlucht auf, allen voran Bürgermeister von der Wehr. Hinter ihm tauchten Gregor D’Arc und Salieri auf, gefolgt von drei Männern in schlichten Jagdröcken. Als der Bürgermeister Zara und Falk vor sich im Schneegestöber sah, riss er überrascht an den Zügeln und brachte seinen Wallach so überhastig zum Stehen, dass das Pferd wütend schnaubte. „Die Schüsse!“, stieß von der Wehr aufgeregt hervor. „Was waren das für Schüsse? Habt Ihr die Bestie erwischt?“

Dann fiel sein Blick auf das grausige Schachtfeld, und sein Gesicht wurde noch eine Nuance bleicher, als es ohnehin schon war. Mit regloser Miene starrte er von Zara zu dem Massaker im Felskessel und wieder zurück. „Was ...?“ Der Bürgermeister schluckte, die Stimme brüchig vor Entsetzen. Er brauchte mehrere Anläufe, ehe ihm die Frage schließlich über die bebenden Lippen kam. „Was, um alles in der Welt, ist hier passiert?“

„Das ist das Werk des Teufels“, zischte Salieri neben ihm. „Das kann nur das Werk des Teufels sein!“

„Nein“, sagte Falk schnell, „das war die Bestie! Die Bestie hat das getan!“

Bürgermeister von der Wehr sah ihn durchdringend an, um Fassung bemüht. „Und warum sollte die Bestie diese Männer angreifen?“, wollte er wissen. „Die Bestie tötet keine Männer; sie ist nur an Frauen interessiert – wie an der armen Drusilla von Drake, die tot eine halbe Meile von hier in ihrem eigenen Blut liegt.“

„Dann hat sie diesmal offenbar eine Ausnahme gemacht“, entgegnete Falk mit unbewegter Miene. „Vielleicht haben diese Männer die Bestie im Wald aufgespürt und hier in die Enge getrieben, oder sie hat sich sonst wie von ihnen bedroht gefühlt. Als wir hier eintrafen, waren die meisten dieser Männer jedenfalls bereits tot. Zara hat noch versucht, zu retten, was zu retten war, doch die Bestie hat getobt wie von Sinnen und niemanden am Leben gelassen; nur wir sind ihr mit knapper Not entronnen.“

Gregor D’Arc runzelte die Stirn, und der durchdringende Blick seiner eisblauen Augen ruhte auf Zara. „Dann habt Ihr die Bestie gesehen, Madam?“

Zara wurde klar, dass sie nun in der Patsche steckte. Sie warf Falk einen grimmigen Seitenblick zu und nickte dann widerwillig. „Flüchtig“, sagte sie. „Doch alles ging zu schnell, ...“ Sie zuckte mit den Schultern. „Viel erkennen konnte ich nicht; ich war zu sehr damit beschäftigt, am Leben zu bleiben.“

D’Arc sah sie an, und einen Moment lang schien es, als wollte er noch etwas sagen. Dann jedoch ließ er es dabei bewenden – ganz im Gegensatz zu von der Wehr, der von seinem Gaul gestiegen war, zwei Schritte auf Zara zutat, das Gesicht noch immer bleich wie Kreide, und sie durchdringend musterte. „Aber irgendetwas müsst Ihr von der Bestie doch gesehen haben ... Könnt Ihr uns nicht einen Anhaltspunkt geben, wie die Bestie aussieht? Ist sie ... groß?“

Zara nickte. „Gewaltig“, sagte sie, und das war nicht einmal gelogen, wie sie aufgrund der Fuß- und Bisswunden wusste. „Mindestens anderthalb Meter groß, eher zwei. Sie hat kurzes, drahtiges Fell, riesige Tatzen und ein Maul voller Reißzähne, lang wie Messer.“ Das war reine Spekulation, doch Zara nahm an, dass diese Beschreibung am ehesten auf das Untier zutraf.

„Und die Augen?“, hakte von der Wehr fasziniert nach. „Was ist mit den Augen?“

„Die Augen der Bestie waren wie Feuer“, sagte Zara, die diesem Spiel allmählich überdrüssig wurde; sie fühlte sich elend und wollte nur weg von hier, weg von diesem Ort des Todes, an dem alles nach Blut und Tod stank. „Lodernd rot wie Flammen.“

Sie begriff ihren Fehler in dem Moment, als Salieri nach vorn drängte und mit triumphierender Stimme verkündete: „Ich hab’s Euch doch gesagt! ,Augen wie Feuer!’ Diese Kreatur ist nicht von dieser Welt!“

Hinter ihm bekreuzigten sich die Lakaien hastig und sahen sich besorgt um, als fürchteten sie, die Bestie oder der Teufel oder beide zusammen könnten jeden Moment aus ihrem Versteck springen und sich auf sie stürzen.

„Das ist Teufelswerk!“, fuhr Salieri mit lauter Stimme fort; er hatte endlich eine Bestätigung für seine These erhalten, und diesen Triumph kostete er voll aus. „Eine Strafe Gottes, um uns arme Sünder auf den rechten Pfad zurückzuführen! Und es gibt bloß eins, was wir tun können, um den Herrn zu besänftigen: Wir müssen Buße tun! Wir müssen Buße tun und Gott zeigen, dass wir noch immer Seine Schäfchen sind!“

„Amen“, flüsterte Bürgermeister von der Wehr tonlos. Sein Gesicht war blass und schimmernd von Schweiß, und er stand so gekrümmt da, als läge die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern. „Amen, o Herr ...“

Gregor sagte nichts, doch seine ausdruckslose Miene sprach Bände. Er warf Zara einen Seitenblick zu. „Seid Ihr auch der Ansicht, dass Gott uns diese Bestie geschickt hat, dass sie eine Strafe für unsere Sünden ist?“

„Selbst wenn“, erwiderte Zara, „würde das irgendetwas ändern?“ Sie verzog ächzend das Gesicht, als sie sich zu hastig bewegte und spürte, wie sich die Kugeln in ihren Wunden schmerzhaft verschoben. Falk neben ihr stützte sie, und Zara hoffte, dass niemand etwas bemerkte, doch zumindest Gregor D’Arc war ihre Reaktion nicht entgangen. Seine Miene drückte Besorgnis aus, als er behutsam fragte: „Seid Ihr verletzt, Madam? Hat die Bestie Euch etwa erwischt?“