Выбрать главу

Die funkelnden, blutunterlaufenen roten Augen der Bestien ruhten auf Zara – vielleicht, weil sie diejenige war, die den Kreaturen am nächsten war, unter Umständen aber auch, weil diese instinktiv spürten, dass ihnen von ihr die größte Gefahr drohte. Noch waren die Untiere zwanzig Schritte entfernt, doch sie kamen mit jeder Sekunde näher, und mit ihnen der Tod; Zara konnte es spüren, doch sie zwang sich, nicht zu verzagen, und starrte den Ungeheuern trotzig entgegen.

„Kommt nur, ihr Ausgeburten der Hölle!“, flüsterte sie. „Kommt zu Mama ...“

Die Blutbestien trotteten gemächlich näher; ihre Schulterknochen hoben und senkten sich bei jedem Schritt, und weißer, stinkender Dampf drang aus ihren Nüstern. Ihre riesigen gelben Hauer glänzten, und Speichelfäden, dick wie Finger, hingen ihnen vor Gier aus den Mäulern. Ihre nackten Schwänze peitschten unruhig den Schnee.

Als die Bestien noch zehn Schritte von Zara entfernt waren, gingen sie unversehens zum Angriff über. Auf einmal stürmten die beiden vorderen gleichzeitig auf Zara zu; ihre krallenbewährten Pfoten wirbelten Dreck und Schnee auf. Zara spürte, wie der Boden unter ihren Füßen unter dem Gewicht der Ungetüme zu zittern begann. Nebeneinander jagten die Kreaturen auf die Vampirin zu. Die linke der Bestien riss in vollem Lauf das Maul auf und stieß ein wütendes Brüllen aus. Zara blieb kaum Zeit, ihr Schwert hochzureißen. Dann waren die Bestien bei ihr. Zara wich dem zuschnappenden Maul der rechten Bestie geschickt aus, um der linken Kreatur gleichzeitig einen wuchtigen Hieb mit dem Schwert zu verpassen. Blut spritzte in den Schnee, als die Klinge den Hals der Kreatur seitlich aufschlitzte und die Schlagader durchtrennte. Das Ungetüm stieß einen schrillen Schmerzenslaut aus und versuchte instinktiv, nach Zara zu beißen. Doch die Vampirin sprang geschickt zur Seite, schwang ihr Schwert erneut und hieb damit nach dem anderen Biest, das bereits wieder zum Angriff übergegangen war. Die Kreatur schlug mit den gewaltigen Pranken fauchend und knurrend nach der sirrenden Klinge, und als Krallen und Stahl aufeinander prallten, stoben wieder Funken. Jetzt wurde Zara von vorn und hinten bedrängt. Und die übrigen Bestien kamen bereits den verschneiten Pfad empor ...

Doch Zara zwang sich, nicht daran zu denken und sich auf das zu konzentrieren, was unmittelbar vor ihr war – und das waren in diesem Moment die mächtigen Bärenfallenkiefer der beiden Blutbestien, die Zara in die Zange genommen hatten und sie gleichzeitig von zwei Seiten attackierten, sodass sie ihr ganzes Geschick aufwenden musste, um wie eine Tänzerin zwischen den langen gelben Zähnen der Kreaturen umherzuhuschen, mal abtauchend, mal zur Seite springend, während sie gleichzeitig ihr Schwert wirbeln ließ und versuchte, ein paar wirkungsvolle Treffer anzubringen. Doch obwohl die Klinge mehr als einmal Fleisch und Blut kostete, ließen die Bestien in ihrem Bemühen, sie in Stücke zu reißen, nicht nach; im Gegenteil! Je mehr Widerstand Zara ihnen leistete, desto wütender gingen sie zu Werke. Voller Hass setzten sie Zara zu, und ihre Kiefer und Klauen schienen überall zu sein. Wie durch ein Wunder gelang es Zara, keinen weiteren Schaden zu nehmen – bis sich plötzlich die dritte Bestie, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, mit angriffslustigem Fauchen in das Getümmel warf, und unversehens spürte Zara, wie sich die messerscharfen Klauen der Bestie knapp unterhalb der rechten Schulter wie Messer in ihren Rücken bohrten. Sie riss keuchend die Augen auf, von stechendem Schmerz übermannt, taumelte blindlings vorwärts – und stolperte geradewegs in den Prankenhieb einer anderen Bestie, der ihr die Brust aufschlitzte und sie wieder näher an den Rand des Plateaus trieb. Zara konnte einen Blick auf Falk und Ela erhaschen, die sich dicht aneinander drängten, dann schlug ihr bereits der Atem der nächsten angreifenden Bestie ins Gesicht, und sie warf sich keuchend zur Seite, um den heransausenden Klauen um Haaresbreite zu entgehen. Sie fiel benommen in den Schnee, schielte empor – und sah schon die nächste Tatze auf sich niederfahren. Ohne zu überlegen, rollte sie sich zur Seite, und noch einmal, als die Bestie ihr nachsetzte und immer wieder mit ihren langen, leicht gekrümmten Klauen nach ihr schlug, wie eine Katze, die mit einem Wollknäuel spielt.

Zara rollte weiter über den felsigen Boden, bis sie unversehens gegen die stämmigen Beine einer anderen Bestie stieß, die sich ihr von der Seite genähert hatte, und plötzlich ging es nicht mehr weiter. Auf dem Rücken liegend wie ein umgefallener Käfer, wich sie der heranschnellenden Schnauze aus und riss ihr Schwert hoch, um es der Kreatur durch den Hals zu rammen. Doch da war auch schon die andere Kreatur über ihr, ihre Tatze sauste herab, aber statt Zara das Gesicht wegzureißen, krachte sie auf die flache Seite der Klinge, trieb sie nach unten – und die Bestie nagelte das Schwert mit ihrem ganzen Gewicht auf dem gefrorenen Boden fest. Plötzlich konnte Zara das Schwert nicht mehr heben, weil die Kreatur darauf stand. Sie zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen, suchte panisch nach einem Ausweg, doch da schnappte die andere Bestie bereits nach ihr, das Maul groß wie ein Scheunentor, um Zara mit einem einzigen Haps den Kopf abzubeißen und ...

„Zara! Fang!“

Eine Frau hatte ihren Namen gerufen – mit einer Stimme, die sie das letzte Mal vor Jahrhunderten gehört hatte.

Als Zara überrascht den Kopf wandte, sah sie über den Rand des Plateaus hinweg eine hoch gewachsene, schlanke Frau unten am Teufelsfelsen stehen. Sie trug ein wallendes beigefarbenes Kostüm mit lose fallendem, bodenlangem Rock und beigem Kapuzenumhang. Die Kapuze war zurückgeschlagen, sodass das feingeschnittene porzellanblasse Gesicht mit den großen grünen Augen, der geraden, irgendwie aristokratischen Nase und den majestätischen Wangenknochen freilag. Das wie gesponnenes Gold lose über die Schultern fallende Haar war so weizenblond, dass es fast weiß wirkte. Und obwohl der Himmel bewölkt war, war es, als würde die Gestalt im Licht stehen; in einem seltsamen matten Licht, das wie ein einzelner Sonnenstrahl geradewegs auf sie fiel, ohne irgendetwas anderes in ihrer unmittelbaren Umgebung zu erhellen. Es war fast so, als würde sie das Licht irgendwie erfüllen, wie ein Kerzendocht, der in einer Laterne tanzt.

Der rechte Arm der Blonden schnellte vor, ein flirrender stählerner Wirbel sauste mit einem unheilvollen Sirren nach oben, und bevor Zara ihre Überraschung noch verwinden konnte, griff ihre freie Hand bereits in die Luft, packte den Knauf ihres schwirrenden, sich um sich selbst drehenden Schwerts, das die Frau ihr hochgeworfen hatte, mitten im Flug – und rammte die Klinge mit einer fließenden Bewegung in das klaffende schwarze Maul der Kreatur.

Die Klinge verschwand fast bis zum Heft im dem riesigen Maul und durchstieß die hintere Rachenwand. Schwarzes Blut spritzte in Zaras Gesicht. Sie drehte den Kopf und riss das Schwert mit einem harten Ruck wieder heraus, um es noch in der Bewegung gegen die andere Kreatur zu führen, die mit ihrer Tatze auf ihrem Schwert stand.

Die Klinge bohrte sich tief in den Leib der Bestie, die schwer zu Boden krachte, um reglos im blutigen Schnee liegen zu blieben. Zara sprang federnd und ohne sich abzustützen auf die Beine, in jeder Hand eines ihrer Schwerter. Sie war ebenso fassungslos darüber, dass sie noch lebte, wie die Bestien es zu sein schienen, die sich inzwischen alle am anderen Ende des Plateaus drängten, lauernd, abwartend, mächtige Kampfmaschinen, Boten des Todes, doch keines der Ungetüme rührte sich.

Hinter Zara befanden sich Ela und Falk, und sämtliche Blicke waren auf die blonde Frau gerichtet, die so plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht zu sein schien, um Zara das Leben zu retten.

Aus dem Nichts aufgetaucht? Nicht ganz. Zara sah, dass ein Schimmel am Rande des Dickichts stand, ein majestätisches Tier mit makellos weißem Fell; vermutlich hätte sie den Hufschlag gehört, wenn sie nicht so angestrengt um ihr Leben gekämpft hätte. Das Tier stand ebenso ruhig und reglos da wie seine Herrin, die stoisch im dichter werdenden Schneefall vom Fuße des Felsens zu ihnen aufsah – nein, nicht zu ihnen, zu Zara. Ihre großen grünen Augen ruhten auf der Vampirin, so wie sie es vor so vielen Jahrhunderten schon einmal getan hatten, an einem anderen Bluttag wie diesem. Die Erinnerung daran bereitete Zara größere Schmerzen als die Wunden, die die Bestien ihr zugefügt hatten, und anders als jede leibliche Wunde würde die in ihrer Seele wohl nie verheilen.