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Eine trügerische Ruhe senkte sich über den Teufelsfelsen; es war, als hielte die Welt den Atem an. Die Bestien warteten lauernd, was geschehen würde, als müssten sie die Situation erst einmal neu abschätzen, ehe sie ihren Angriff fortsetzten, und in dieser reglosen Stille setzte sich die blonde Frau – Jael – plötzlich in Bewegung und war mit wenigen Schritten an der Felswand, wo ihr das gelang, was die Bestie vorhin nicht geschafft hatte: Sie sprang ein gutes Stück die steile Felswand hinauf, klammerte sich mit den Fingerspitzen in irgendwelchen winzigen Nischen und Lücken im Gestein fest, suchte mit den Zehenspitzen Halt auf kleinsten Vorsprüngen – und kletterte scheinbar ohne jede Mühe den fast senkrechten Felsen hoch. Eine Windbö fegte über den Teufelsfelsen und ließ ihren Umhang flattern wie beige Schwingen, als sie innerhalb von Sekunden den oberen Rand des Felsens erreichte, sich mit einem gewaltigen Klimmzug hoch auf das Plateau zog, federnd aufsprang – und noch im Aufstehen ihr Schwert mit dem geschwungenen, mit reichlichen Verzierungen versehenen Griff aus der lederbezogenen Schneide an ihrem Gürtel zog, ohne dass ihr blasses, makelloses Gesicht auch nur einen Hauch von Anstrengung verriet.

„Jael ...“, raunte die Vampirin und starrte die Blonde ebenso fassungslos wie finster an.

Die blonde Frau lächelte grimmig. „Hallo, Zara ...“

XXII.

Die beiden Frauen schauten einander in die Augen, und es war, als würden sich zwei Raubtiere gegenseitig belauern. Selbst die Blutbestien schienen die Spannung zwischen ihnen zu spüren; sie warteten im Hintergrund still und teuflisch auf den richtigen Moment, um zuzuschlagen, indes die blonde Frau weiter dieses kalte Lächeln lächelte und Zara sich alle Mühe gab, sich den Aufruhr der Emotionen, der in ihr tobte, nicht anmerken zu lassen. Entschlossen, beinahe trotzig, hielt sie dem Blick der geheimnisvollen Frau stand, die – umweht von lautlos fallenden Schneeflocken – am Rand des Plateaus stand, den Griff ihres Schwerts mit beiden Händen umklammert, und angesichts der grotesken Kreaturen, die nur zwanzig Schritte entfernt lauerten, nicht eine Miene verzog, geschweige denn irgendwie erkennen ließ, dass sie geschockt oder verwirrt war. Zara schoss durch den Kopf, dass Jael vermutlich eine verdammt gute Kartenspielerin abgegeben hätte; es war unmöglich zu sagen, was hinter ihren großen grünen Augen vorging.

„Zara“, sagte Jael und nickte der Vampirin wie zum Gruße zu, doch ihre feinen, eleganten Züge, die eine Erhabenheit ausstrahlten, wie Falk sie noch nie bei einer Frau gesehen hatte, waren kalt, „es ist lange her.“

„Das ist es“, stimmte Zara düster zu.

Falk hinter ihnen runzelte verwirrt die Stirn. „Dann kennt ihr euch?“ Der junge Mann war vom plötzlichen Auftauchen der blonden Frau ebenso verwirrt und verblüfft wie alle anderen.

„Flüchtig“, brummte Zara düster, ohne den Blick von Jael abzuwenden.

Jael hingegen lächelte, ohne dass ihr Lächeln die Augen erreichte. „Du untertreibst“, sagte sie. „Man könnte sagen, wir sind alte Freundinnen.“ Sie sagte es fast im Plauderton, als säßen sie bei Gebäck und einer Tasse Tee zusammen und würden nicht von einem halben Dutzend brutaler Bestien bedroht.

Alte Freundinnen ...

Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte Zara fast gelacht. Dass Jael sie als „alte Freundin“ bezeichnete, war ungefähr so, als würde sie die Blutbestien als „treue Haustiere“ titulieren. Doch bevor sie etwas Angemessenes darauf erwidern konnte, holte Ela in Falks Arm hörbar Luft, den Blick auf die Bestien hinter Zaras Rücken gerichtet. Mehr war nicht nötig, um Zara herumwirbeln zu lassen. Die erste Blutbestie war unvermittelt losgeprescht, um den Kampf wieder aufzunehmen, der durch Jaels unerwartetes Auftauchen unterbrochen worden war. Blutigen Schnee aufwirbelnd, schoss die Kreatur auf die Vampirin zu, das gewaltige Maul klaffte auf, und dann stürmten auch die anderen Bestien vor, eine mörderische Horde, denen der Blutdurst aus den Augen leuchtete. Zaras Klingen zerschnitten zischend die Luft, als sie der Attacke der ersten Bestie geschickt auswich und gleichzeitig zuschlug. Blut spritzte. Die Kreatur jaulte auf, setzte aber sofort nach. Die riesigen gelben Zähne schnappten nach Zaras Gesicht. Sie ließ sich auf die Knie fallen, führte ihre Schwerter in mächtigen Halbkreisen von außen nach innen, schlitzte der Bestie gleichzeitig beide Oberschenkel auf und rollte sich über die Schulter geschickt nach hinten ab, als ein zweites Biest heranstürmte und sie angriff. Und noch eins. Und ehe Zara sich’s versah, attackieren sie die Bestien von allen Seiten, überall zuschlagende Tatzen, schnappende Kiefer und bösartige rote Augen. Sie hatte alle Mühe, den Angriffen auszuweichen, doch dann war plötzlich Jael neben ihr, ihre breite, ungewöhnlich kurze Klinge teilte pfeifend die Luft, und das wütende Knurren einer Bestie verwandelte sich in ein hohes, gepeinigtes Heulen, als die Klinge ihr sauber das linke Ohr abtrennte. Dann schlug Jael erneut zu, und die Klinge zog eine tiefe, klaffende Spur durch den Brustkorb der Bestie, die knurrend zurücksprang und Platz für das nächste Biest schuf, das unverzagt seine Stelle einnahm und furchtlos nach Jael schnappte. Die wich den mächtigen Hauern durch eine elegante Drehung aus.

Eine Bestie stürzte sich fauchend auf Zara. Die Kriegerin tänzelte beiseite und ließ ihre beiden Klingen wirbeln, während sich Jael ein paar Schritte weiter gleich zwei Blutbestien auf einmal erwehrte, die abwechselnd, wie die beiden Köpfe eines Zerberus, vorstießen und nach ihr schnappten. Ihr Kurzschwert zuckte mit erstaunlicher Gelassenheit hin und her; Jael führte die Waffe mit ruhiger Hand und ungeheurem Selbstbewusstsein, als wüsste sie genau, dass ihr nichts geschehen konnte, und möglicherweise, schoss es Zara durch den Kopf, als sie an Jaels Herkunft dachte, stimmte das sogar. Sie selbst hingegen konnte auf solcherlei glückliche Fügung nicht hoffen und holte keuchend aus, um einen weiteren wuchtigen Schlag gegen die Bestie zu führen, die ihr zunehmend aggressiver zu Leibe rückte. Das Untier wich zurück, entging Zaras Attacke und schlug seinerseits knurrend mit seiner Tatze nach ihr. Zara parierte den Hieb mit flinker Klinge. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Jael vor den beiden Bestien zurückwich, die ihr wie ein Geschöpf zusetzten, doch die blonde Frau konnte ihren Angriffen immer wieder geschickt entkommen, wirbelte hin und her, sprang vor und zurück, bis es ihr schließlich nach einer genau abgepassten Parade gelang, mit einem gewagten Satz zwischen die beiden Monstren zu springen. Bevor die Biester noch recht begriffen, wie ihnen geschah, stützte sich Jael mit der freien Hand auf dem Rücken der linken Bestie ab, sprang hoch, drehte sich halb um sich selbst – und rammte der Bestie die Schwertklinge knapp unterhalb der dicken Schädelknochen am Kopfansatz bis zum Heft in den fleischigen Nacken. Einen Moment lang, während Jael zwei Schritte zurücktrat und sich außer Reichweite der anderen Bestie brachte, stand die Kreatur reglos da, wie gelähmt. Dann quollen blutige Tränen aus den Augenwinkeln, der Blick der roten Augen brach, und die Bestie stürzte zu Boden, ohne noch einen einzigen Laut von sich zu geben.

Zara glaubte, für eine Sekunde ein überhebliches, triumphierendes Lächeln auf den Zügen der Blonden zu sehen, doch dann wurde sie abgelenkt, als ihr Gegner zu einer neuerlichen Attacke ansetzte. Messerscharfe Krallen zuckten auf sie zu, begleitet von wütendem Gefauche, dahinter hasserfüllte rote Augen. Die Vampirin tauchte unter den Hieben weg, entging den tödlichen Tatzen um Haaresbreite und ließ ihre beiden Schwerter gleichzeitig wie Dreschflegel vor sich kreisen, ein tödlicher Wirbel aus messerscharfen Klingen, der wie ein Schild wirkte. Doch die Wut machte die Bestie ebenso unvorsichtig wie unberechenbar, und als die Kreatur vollkommen unerwartet lossprang, direkt in die wirbelnden Klingen hinein, war Zara so überrascht, dass sie zu spät reagierte. Zwar trafen die Klingen den massigen Körper mindestens zweimal, doch die Verletzungen waren keineswegs tödlich, und dann war die Bestie über ihr, krachte mit der Schulter gegen sie und schleuderte Zara wuchtig nach hinten. Die Vampirin taumelte rückwärts, kämpfte keuchend um ihr Gleichgewicht und ging sofort wieder in Angriffsposition, sobald sie sich wieder gefangen hatte, beide Schwerter halb vor ihrem Gesicht. Sie rechnete damit, dass die Bestie ihr nachsetzen würde, doch sie irrte; die Kreatur war ein paar Schritte vor ihr zurückgewichen, aus mehreren Wunden blutend, doch die lauernde, angespannte Körperhaltung der Bestie verriet, dass das Biest noch längst nicht am Ende war; im Gegenteil. Das Ungetüm wartete bloß darauf, dass sie einen Fehler machte.