Выбрать главу

Jael trat neben Zara in die Küche und sah sich um. Die Blutspuren auf dem Fußboden führten zu dem Pflanzenvorhang an der Wand gegenüber des Ofens und endeten abrupt, als wäre die verwundete Bestie wie ein Geist durch Stein und Mörtel gelaufen.

Zara ging an dem Ofen vorbei, streckte die Hand aus und strich den Vorhang aus Efeu und Schlingmoos beiseite. Dahinter führten breite, ausgetretene Steinstufen in die Tiefe. Aus der Dunkelheit drang Zara ein scharfer animalischer Geruch entgegen, so stark, dass sie die Nase rümpfte.

Der Gestank der Bestien ...

Jael trat neben sie. „Der Keller“, sagte sie. „Ist die Bestie dort unten?“

„Das werden wir bald wissen“, erwiderte Zara düster. Sie schlüpfte durch den Vorhang aus Grünzeug und stieg die Stufen hinab in die Tiefe. Vermutlich hätte sie den Zugang zum Keller gestern schon gefunden, wenn sie sich noch weiter umgesehen hätte, doch der Zwischenfall mit dem Wolf und der Tod von Drusilla von Drake hatte sie abgelenkt. Dann wurde ihr bewusst, dass das allenfalls klägliche Ausreden waren, um ihre eigenen unverzeihlichen Fehler zu kaschieren; wenn sie gestern nicht so nachlässig gewesen wäre, würde Wanja vielleicht noch leben ...

Zara verdrängte den Gedanken und folgte den Stufen hinab in den Keller des Hauses. Die Treppe war schmal und die Decke niedrig, sodass sie den Kopf einziehen musste, um nicht anzustoßen. An den Wänden wucherten Schimmel und Moos, und so wie der Gestank der Bestien zunahm, je weiter sie hinabstieg, desto mehr nahm auch ihre Anspannung von Stufe zu Stufe zu, denn irgendetwas war hier unten sie spürte es mit all ihren Sinnen.

Jael nahm es ebenfalls wahr. „Böse Schwingungen“, raunte sie hinter Zara, die Stimme respektvoll gedämpft. „Ganz böse Schwingungen ...“

Zara sagte nichts und ging unbeirrt weiter. Längst waren die letzten Reste Morgenlicht hinter ihnen zurückgeblieben, als fürchtete sich das Licht, in diese dunklen Tiefen vorzudringen. Doch sowohl Zara als auch Jael hatten keine Schwierigkeiten, sich im Dunkeln zurecht zu finden. Und dann hatten sie schließlich die letzte der dreiundvierzig Stufen hinter sich gelassen und standen in dem gewölbeartigen Keller des alten Herrenhauses, der sich vor ihnen etliche Meter weit in die tintige Schwärze erstreckte. Wie es schien, verlief der Keller unter dem gesamten Anwesen, ein gewaltiges, ausgedehntes Gewölbe mit einer hohen, wabenförmigen Decke und gemauerten Stützpfeilern, die das trugen, was vom Haus über ihnen noch übrig war. In eisernen Ösen entlang der Wände staken in regelmäßigen Abständen Fackeln, doch keine von ihnen brannte, und die beiden Frauen benötigten sie nicht, um hier unten sehen zu können. Außerdem wirkte dieser Ort, als wäre er eher für die Dunkelheit geschaffen und nicht fürs Licht.

Am Fuß der Treppe stehend, ließ Zara ihren Blick durch das Kellergewölbe schweifen, und das, was sie sah, verursachte ihr Übelkeit.

Dies hier war das Versteck der Blutbestien, daran bestand kein Zweifel, und doch erinnerte der Keller mehr an einen Stall als an eine Höhle. Vor ihnen befanden sich ein halbes Dutzend massive Holzverschläge mit schweren Schlössern an den Türen sowie mehrere Käfige aus armdicken Eisenstangen, groß genug, dass darin eine Bestie Platz finden konnte. Um die Verschlage herum waren Kreise aus Hexenpulver gezogen, und überall auf dem Boden lag Stroh verstreut, das betäubend nach Urin stank, doch die Vampirin unterdrückte ihren Ekel, setzte sich mit einem Ruck in Bewegung und ging weiter in das Kellergewölbe hinein.

Alles, was sie sah, führte nur zu einem einzigen Schluss.

Jael sprach aus, was auch Zara dachte: „Irgendjemand hat die Blutbestien hier gehalten wie Haustiere“, raunte sie gepresst, während sie Zara durch den Parcours der Käfige folgte.

Zara antwortete ihr nicht. Ihr Blick glitt konzentriert zwischen den einzelnen Verschlagen hin und her, immer in der Erwartung, aus einem der Käfige von einer Blutbestie angesprungen zu werden. Doch alle Verschlage, an denen sie vorbeikamen, waren leer. Alles, was sich darin fand, waren von Fäkalien besudeltes Stroh und zerbeulte Blechschüsseln, in denen eine stinkende dickflüssige, schwarzbraune Masse schwappte, von der brummend Heerscharen von Fliegen aufstiegen, als Zara in einen der Verschlage trat, in die Knie ging und ihren Zeigefinger in die Brühe steckte. Sie rieb die rotbraune feuchte Masse zwischen den Fingern und schnupperte. „Blut“, sagte sie knapp. „Von Jungfrauen.“

„Dann wurden die Bestien so auf den ,Geschmack’ gebracht“, sagte Jael.

Zara nickte düster.

„Jungfrauenblut wird nur für die allerschwärzeste Magie gebraucht“, sagte Jael düster. „Was auch immer hier vorgeht, wir haben es hier mit starken schwarzmagischen Kräften zu tun.“

Die Vampirin richtete sich auf, breitete die Arme aus und weis auf die Kellerwände. „Na, darauf wäre ich jetzt beim besten Willen nicht gekommen“, meinte sie spöttisch.

Jael schaute sich stirnrunzelnd um, und ihr ohnehin schon blasser Teint wurde noch bleicher, als sie die unzähligen schwarzmagischen Kritzeleien und Symbole gewahrte, mit denen jeder Zentimeter der Kellerwände, der Boden und sogar die Decke vollgekritzelt waren: Drudenfuße, auf dem Kopfstehende Pentagramme, umgedrehte Kreuze, altancarianische Ziffernfolgen, seltsam ineinander verschlungene Symbole, die Zara noch nie gesehen hatte, alle möglichen Hexenkreise und Beschwörungsformeln und lange Textpassagen in uralten verbotenen Sprachen, manche davon so alt, dass selbst Jael sie nicht kannte. Viele der Kritzeleien waren mit schwarzer Kreide auf den Stein geschmiert, doch der Großteil war mit Blut geschrieben, und von der Decke hingen alle möglichen Arten seltsamer Amulette, Traumfänger und Talismane, die meisten davon aus Menschenknochen oder irgendwelchen verwesten Tierinnereien, deren bittersüßer Verwesungsgestank Schwärme von Fliegen angelockt hatte, dicke, grünblau glänzende Brummer, die hier unten, fernab der Winterkälte, fett und träge wurden.

„Grauenvoll“, sagte Jael, seltsam matt, fast so, als würde ihr der Anblick all dieser schwarzmagischen Symbole und Zeichen auf mystische Weise die Kraft aussaugen, doch sie konnte die Augen nicht von der Blasphemie an den Wänden wenden. „Wer immer für das hier verantwortlich ist, er kennt sich bestens in den Verbotenen Küsten aus. Manche dieser Beschwörungen und Symbole sind älter, als selbst ich zu sagen vermag.“

„Ich nehme an, es sind Bannsprüche“, sagte Zara.

Jael sah sie verwundert an. „Woher ...“

Zara deutete auf das Hexenpulver auf dem Boden. „Das sind Bannkreise, die derjenige, wer auch immer für all das hier verantwortlich ist, um die Käfige der Bestien gezogen hat, um sie dort zu halten, wo er sie haben wollte. Alles hier, all dieser Hokuspokus, diente allein dazu, die Bestien zu kontrollieren und ihnen den eigenen Willen aufzuzwängen.“ Sie machte eine kleine Pause, ehe sie hinzufügte: „Jemand hat die Bestien zum Töten gezwungen, sie zu dem gemacht, was sie jetzt sind ...“