Iceni nickte und lächelte dabei der Menge zu, als würden sie und Drakon Smalltalk halten. Ihre Mundbewegungen wurden durch Sicherheitsfelder verwischt, damit ihnen niemand von den Lippen ablesen und herausfinden konnte, worüber sie sich tatsächlich unterhielten. »Wenn Sie sich nicht mehr auf Ihre Bodenstreitkräfte verlassen können, werden die lokalen Bodenstreitkräfte überhaupt nicht für Missionen eingesetzt werden können, die die innere Sicherheit betreffen.«
»Ich hätte gedacht, diese Neuigkeit würde Sie stärker verärgern.«
Ihr Lächeln hatte etwas Selbstironisches. »Ich kann so heuchlerisch sein wie jeder andere, aber nicht, wenn es um dieses Thema geht. Seit wir die Macht ergriffen haben, wusste ich, dass die Arbeiter und Offiziere unserer Kriegsschiffe sich weigern würden, die Bürger zu bombardieren. Sie würden sich nicht mal an der bloßen Drohung mit einem Bombardement beteiligen. Ihre Soldaten waren immer das einzige Mittel, um die Bürger in Schach zu halten.«
Auch Drakon lächelte jetzt. »Sieht so aus, als würden wir auf einem Tiger reiten.«
»Richtig. Versuchen Sie, sich nicht abwerfen zu lassen.«
»Sie werden mich nicht abwerfen.« Es war eine Aussage, keine Frage. »Aber dem Tiger könnte es gelingen.«
»Das wird ihm auch gelingen, wenn wir nicht dafür sorgen, dass sein Hunger weiterhin durch Maßnahmen wie diese Wahl gestillt wird. Und es waren saubere Wahlen«, gab Iceni zurück. »Jedenfalls zum größten Teil. Ist das nicht eigenartig? Wir haben den Bürgern gegenüber Wort gehalten.«
»Zum größten Teil«, bestätigte Drakon. »Aber jetzt werden sie mehr haben wollen.«
»Wir füttern sie häppchenweise. Das wird schwierig werden, aber genau das gefällt mir daran. Ich bin einfache Lösungen leid.«
»So wie die Hinrichtung von Leuten, die uns Ärger bereiten?«
»Ja, das auch. Ich bin keine CEO des Syndikats mehr.« Wenn ich das sage, kann ich es fast glauben. Und ich kann fast glauben, dass ich auf dem Weg nach oben niemals etwas getan habe, das ich nicht vergessen kann. Aber ich habe Opfer zurückgelassen. So wie jeder von uns.
Die offiziellen Wahlergebnisse wurden an die Medien weitergegeben und waren überall gleichzeitig zu sehen. Jubel brach aus, Iceni und Drakon winkten den Massen und lösten damit nur noch mehr Begeisterung aus. Nach ein paar Minuten verließen sie die Bühne, wobei Iceni anmerkte: »Sogar die Verlierer der Wahl haben applaudiert.«
»Wenn sie glauben, dass nichts manipuliert wurde, dann werden sie auch glauben, dass sie nächstes Mal gewinnen können«, betonte Drakon.
»Engagement … ja, das brauchen wir. Da hat das Syndikat nie die Notwendigkeit zu schätzen gewusst, das auf Seiten der Bürger zu fördern, während man bei den hochrangigen CEOs davon regelrecht besessen war.« Sie gingen zu den zwei beeindruckenden Fahrzeugen, die darauf warteten, sie fortzubringen. »Wollen Sie vielleicht bei mir mitfahren?«, fragte Iceni.
Drakon sah sie überrascht an, dann nickte er. Nachdem er an seinen Fahrer den Befehl hatte weiterleiten lassen, er solle ihnen folgen, setzte er sich zu Iceni in den großzügig bemessenen Fond der Klasse-Eins-VIP-Limousine. »Ich habe schon Panzer gesehen, die waren schlechter geschützt als diese Klasse-Eins-Limousine«, meinte er, als er Iceni gegenübersaß.
Sie lächelte flüchtig und tippte gegen das virtuelle Fenster neben ihr. Es wirkte so real, als würde man tatsächlich durch eine Glasscheibe nach draußen sehen, doch in Wahrheit befand sich dahinter die gleiche massive Panzerung wie überall sonst an diesem Fahrzeug. »Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wie sehr diese Limousinen eine Metapher für unser Leben sind?«, wollte Iceni wissen. »Von außen sieht man etwas, das an vielen Stellen transparent zu sein scheint, aber innen sind die Dinge ganz anders, als sie von außen wirken.«
»Ihre Leute und meine Leute waren nicht sehr begeistert davon, dass wir in einem Wagen fahren«, merkte Drakon an. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass das deren innere Gefühle widerspiegelt.«
Sie musste lachen. »Sie wollen uns beschützen. Zumindest hoffe ich, dass das ihr Bestreben ist. Aber in gewisser Weise kontrollieren sie unser Leben.«
»Stimmt«, meinte Drakon und ließ sich gegen ein Kissen sinken, das sich so schnell an die Konturen seines Rückens anpasste, dass es kaum wahrnehmbar war. »Sie bestimmen unsere Termine, sie können die Informationen filtern, die wir zu sehen bekommen. Und sie können Entscheidungen in unserem Namen treffen, von denen wir möglicherweise niemals etwas erfahren. Wenn ich anfange, darüber nachzudenken, bekomme ich es ein wenig mit der Angst zu tun.«
Iceni nickte, dann sah sie ihn unauffällig von der Seite an. »Ich wollte Ihnen noch mal dafür danken, dass Sie mir die Pele ohne den Anflug eines Lächelns anvertraut haben. Es ist vieles beschädigt worden, das repariert werden muss, aber die Pele wird lange vor der Midway einsatzbereit sein. Und das wird viel dazu beitragen, dieses Sternensystem sicherer zu machen.« Sie atmete angestrengt aus, dann beugte sie sich zu Drakon vor. »Verdammt, Artur Drakon, sagen Sie mir die Wahrheit. Wieso sind Sie nicht besorgt, dass ich über so viel mehr Feuerkraft verfüge als Sie? Warum haben Sie keine Angst, ich könnte Sie von diesem Tiger werfen?«
Sekundenlang sah er ihr forschend in die Augen, dann beugte er sich ebenfalls vor, bis er ihr so nah war, wie es bei den großzügigen Platzverhältnissen der Limousine möglich war. »Weil ich weiß, Gwen, wenn Sie mich töten wollten, wäre Ihnen das längst gelungen.«
»Wie reizend«, entgegnete sie lachend. »Aber vielleicht will ich aus Ihnen ja nur einen pflegeleichten und mühelos kontrollierbaren Untergebenen machen.«
»Hah! Sie wissen genau, ich würde für niemanden den Schoßhund geben.«
»Und wieso …?« Sie suchte nach der passenden Formulierung.
»Wieso vertraue ich Ihnen?« Nun musste er lachen. »Ich habe es gesagt. Ich vertraue Ihnen, Gwen. Sie würden mir ein Messer in den Leib jagen, sollte ich Sie hintergehen, und Sie würden dabei darauf achten, dass Sie ein lebenswichtiges Organ erwischen. Aber wenn ich Ihnen gegenüber offen und ehrlich bin, glaube ich zumindest, werden Sie mich nicht hintergehen.« Drakon zuckte mit den Schultern. »Vermutlich bin ich einfach nur dumm.«
»Nein.« Sag es nicht, sag es nicht. »Sie sind ein Menschenkenner, und ich bin froh darüber, dass ich Sie als … als Partner habe.« Warum musstest du ausgerechnet so etwas sagen? Jetzt hast du ihm etwas gegeben, was er gegen dich verwenden kann!
Ach, halt die Klappe! Ich bin diese Spielchen und dieses ewige Taktieren leid!
Drakon schaute sie erstaunt an. »Vielen Dank. Vermutlich hört sich das jetzt sehr dumm an, aber ich weiß nicht, was jemand in meiner Position erwidern soll, wenn ihm so etwas von jemandem in Ihrer Position gesagt wird.«
»Das Danke genügt mir.« Gwen lächelte, wurde aber gleich darauf ernst, als ihr bewusst wurde, dass sie das Verlangen verspürte, sich weiter vorzubeugen und Artur Drakon zu küssen. Rasch lehnte sie sich nach hinten, um möglichst viel Abstand zwischen sie beide zu bringen.
»Stimmt was nicht?«, fragte Drakon.
»Nein, nein, es ist alles bestens.« Wechsel das Thema! Rede über irgendwas anderes! »Ich habe versucht zu entscheiden, wer das Kommando über die Pele erhalten sollte. Ich glaube, ich werde Kontos auf das Schiff versetzen und ihn zum Kapitan befördern.«
Drakon ließ sich wieder in seinen Sitz sinken und war sichtlich irritiert darüber, wie schnell die Stimmung in eine ganz andere Richtung umgeschlagen war. »Hmm … entscheiden müssen das auf jeden Fall Sie. Kontos ist ohne jeden Zweifel loyal. Allerdings hat er die Karriereleiter sehr schnell erklommen. Kann er die Anforderungen erfüllen, die an den befehlshabenden Offizier eines Schlachtkreuzers gestellt werden?«