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Und dennoch wusste Malin darüber Bescheid. Vielleicht hatte er die ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung gesehen, mit der es Morgan ermöglicht worden war, in den aktiven Dienst zurückzukehren, auch wenn sie aufgrund der Nachwirkungen dieser Mission zeitweilig eine grenzwertige Labilität zeigte. War es ihm gelungen, den Grund für diese Bescheinigung von demjenigen zu erfahren, der sie ausgestellt hatte? Es war eine Frage, die durchaus gestellt werden sollte. Malins Mutter war im medizinischen Dienst. Über sie könnte er an die richtigen Leute herangekommen sein, die ihm diese Antworten geliefert haben mochten. Und womöglich hatte er auf diesem Weg erfahren, wieso jemandem wie Morgan überhaupt erst eine solche Bescheinigung ausgestellt worden war.

Fragen über Fragen. Und Togo war damit beschäftigt, die Agentin der Schlangen zu befragen. Irgendetwas hatte sie daran gestört, aber was nur? Die Agentin? Die Nachricht?

Nein, Togo selbst.

Iceni setzte sich und stützte die Ellbogen auf dem Schreibtisch auf. Sekundenlang ließ sie ihr Gewicht auf den Armen ruhen, um ihren Körper zu entspannen und um nachzudenken.

Das Shuttle. Das war zu praktisch gewesen, einfach zu bequem.

Iceni blickte abermals auf das Display. Black Jack und die Enigmas würden noch immer einige Zeit benötigen, ehe sie aufeinandertrafen. Sie tippte auf die Komm-Fläche, um eine Verbindung aufzubauen. »Togo.«

»Ja, Madam Präsidentin.« Seine Reaktion erfolgte fast sofort. Togos Augen, das Gesicht, die Stimme — ihm war wie üblich nichts anzusehen und nichts anzumerken. Sein Tonfall hatte jenen respektvollen Unterton, den sie von ihm kannte.

»Wie konnten Sie so schnell herausfinden, wer sich an Bord dieses Shuttles befand, das von dem Planeten entkommen wollte?«, fragte sie geradeheraus.

»Es war nichts weiter erforderlich, als die Standortanzeige nach wichtigen Individuen zu durchsuchen, Madam Präsidentin.«

»Und weder Gouverneur Beadal noch Executive Fillis haben versucht, die Standort-Überwachungssysteme in die Irre zu führen?« Iceni beobachtete Togo sehr wachsam, ob er irgendeine verräterische Reaktion erkennen ließ, doch er wahrte beharrlich sein Pokerface, während er nickte.

»Das haben sie durchaus, aber beide Versuche waren mühelos zu entdecken. Gouverneur Beadal benutzte eine veraltete Version einer Täuschungssoftware, und Executive Fillis bediente sich eines Umleitungsmechanismusses, der leicht auffindbar ist, wenn man nur nach den richtigen Parametern sucht.«

Es klang stimmig. Eine schlüssige Erklärung. Bin ich etwa bloß paranoid?

Dabei kam ihr ein alter Witz in den Sinn: Was ist der Unterschied zwischen einem geistig gesunden CEO und einem paranoiden CEO? Der paranoide CEO lebt immer noch.

»Was haben Sie von der Agentin der Schlangen in Erfahrung bringen können?«, wollte Iceni wissen.

»Bislang nichts, Madam Präsidentin. Sie hatte nie direkten Kontakt mit ihren Befehlshabern. Es wurden Schnittstellen eingerichtet, die nur ein einziges Mal in Gebrauch waren, wenn der Kontakt zustande kam. Nachdem die Anweisungen weitergeleitet worden waren, verschwand die Schnittstelle wieder. Sie weiß nichts über ihre Auftraggeber, ausgenommen die Codewörter, die benutzt wurden, um die Echtheit des Befehls zu bestätigen.«

»Haben Sie in den Archivdateien nach Nachrichten gesucht, die diese Codewörter enthalten?«, wollte sie wissen.

»Ja, Madam Präsidentin. Es gibt keinerlei Treffer, und die Sensoren im Verhörraum haben keinen Hinweis darauf finden können, dass die Agentin uns zu täuschen versucht. Diese Nachrichten könnten verschlüsselte Befehle enthalten haben, damit sie sich kurz nach Empfang selbst zerstören. Die Dateinamen existieren womöglich noch, aber ohne Inhalt tauchen sie bei unserer Suche nicht auf.«

Noch eine Sackgasse. Zum Teufel mit den Schlangen, zum Teufel mit Colonel Morgan, zum Teufel mit diesem starrsinnigen General Drakon und den Enigmas und …

»Sehr wahrscheinlich haben wir von dieser Agentin alles erfahren, was sie uns sagen kann«, redete Togo gelassen weiter. »Wünschen Sie, dass sie weiterhin festgehalten wird, um sie später noch einmal befragen zu können, oder sollen wir uns ihrer entledigen?«

Iceni, die in diesem Augenblick auf das ganze Universum wütend war, hätte beinahe reflexartig befohlen, die Agentin zu eliminieren, aber sie konnte sich gerade noch zurückhalten. Ich weiß, was er will. Sie ist eine Agentin der Schlangen. Ihr Leben ist schon jetzt verwirkt. Selbst wenn wir so verrückt sein sollten, sie wieder freizulassen, werden ihre ehemaligen Kollegen sie umbringen.

Und trotzdem …

»Lassen Sie sie in Haft. Ich will, dass sie vorerst noch am Leben bleibt. Stellen Sie sicher, dass sie von niemandem misshandelt werden kann.« Ihr Instinkt sagte ihr, dass dies die einzig richtige Antwort war. Warum, vermochte sie allerdings nicht zu sagen. Ein Grund mehr, nur so und nicht anders zu antworten. Sie brauchte Zeit, um dahinterzukommen, warum ihre innere Stimme sie aufforderte, die Agentin leben zu lassen. »Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie noch irgendetwas herausfinden.«

Nachdem Togos Bild verschwunden war, starrte Iceni wütend auf die Tischplatte. Nach kurzer Zeit hob sie den Kopf und betrachtete abermals das Display. Das Licht vom ersten Zusammentreffen der Allianz mit den Enigma-Kriegsschiffen würde sie bald erreichen. Sie erhob sich von ihrem Stuhl und verließ ihr Büro, wobei sie versuchte, all ihr Selbstbewusstsein aufzubringen, um die Befehlshaberin zu verkörpern, die sie war. Spielen Sie ruhig Ihre Spielchen mit mir, Colonel Morgan. Mag sein, dass es momentan nicht zur Debatte steht, Sie zu töten, aber das soll mich nicht daran hindern, Pläne zu schmieden. Und wenn Sie das nächste Mal versuchen, Drakons Loyalität gegenüber seinen Untergebenen zu missbrauchen, werde ich bereit sein.

Vorausgesetzt, es war tatsächlich Drakons Loyalität, die ihn dazu veranlasste, Morgan zu verteidigen, und nicht irgendwelche Gefühle, die er für die Frau hegte.

Warum diese Vorstellung ihre Wut gleich wieder hochkochen ließ, konnte sich Iceni nicht erklären. Aber der Zorn bestärkte sie nur in ihrem Vorsatz, in diesem Moment ihre Gefühle nicht zu erkennen zu geben und so zu tun, als wären sie und Drakon die gemeinsam agierenden Führer von Midway, zwischen denen es keinerlei Reibereien gab. Sie ging auf Drakon zu und lächelte ihn höflich an, wobei sie die Haltung zur Schau stellte, die die Regeln des Syndikats beim Umgang mit Gleichberechtigten vorgaben. »Nicht mehr lange, dann werden wir sehen, wie Black Jack und die Enigmas aufeinandertreffen.«

Drakon, der starr dagestanden und mit finsterer Miene das Kommandozentrum betrachtet hatte, sah sie verdutzt an. Sein Erstaunen verwandelte sich schnell in Erleichterung, gleich darauf gefolgt von Argwohn. »Ja.«

Immerhin ist er klug genug, so wenig wie möglich zu erwidern und damit das Risiko zu mindern, etwas Falsches zu sagen. »Die Agentin kann keinen von den Leuten identifizieren, von denen sie Befehle erhalten hat.«

»Das wundert mich gar nicht«, entgegnete Drakon. »Die Schlangen haben ihr Geschäft verstanden. Vielleicht sollte jemand anders sie befragen.« Er ließ den Vorschlag im Raum stehen und wartete ab, wie sie reagieren würde. Immerhin konnte es ja sein, dass sie sich dieser Agentin bereits entledigt hatte und sie nicht mehr zur Verfügung stand, um Fragen zu beantworten.

»Wenn Sie möchten«, antwortete Iceni.